Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

schon erkannter ursachlicher Verkettung. Kein allgemeines Gesetz ist hier für die Himmelsräume aufgefunden, so wenig als für die Erdräume in der Lage der Culminationspunkte der Bergketten oder in der Gestaltung der einzelnen Umrisse der Continente. Es sind Thatsachen der Natur, hervorgegangen aus dem Conflict vielfacher, unter uns unbekannt gebliebenen Bedingungen wirkender Wurf- und Anziehungskräfte. Wir treten hier mit gespannter und unbefriedigter Neugier in das dunkle Gebiet des Werdens. Es handelt sich hier, im eigentlichsten Sinne des so oft gemißbrauchten Wortes, um Weltbegebenheiten, um kosmische Vorgänge in für uns unmeßbaren Zeiträumen. Haben sich die Planeten aus kreisenden Ringen dunstförmiger Stoffe gebildet: so muß die Materie, als sie sich nach dem Vorherrschen einzelner Attractionspunkte zu ballen begann, eine unabsehbare Reihe von Zuständen durchlaufen sein, um bald einfache, bald verschlungene Bahnen; Planeten von so verschiedener Größe, Abplattung und Dichte, mondlose und mondreiche, ja in einen festen Ring verschmolzene Satelliten zu bilden. Die gegenwärtige Form der Dinge und die genaue numerische Bestimmung ihrer Verhältnisse hat uns bisher nicht zur Kenntniß der durchlaufenen Zustände führen können, nicht zu klarer Einsicht in die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind. Diese Bedingungen dürfen aber darum nicht zufällig heißen: wie dem Menschen alles heißt, was er noch nicht genetisch zu erklären vermag.

3. Absolute und scheinbare Größe; Gestaltung. -- Der Durchmesser des größten aller Planeten, Jupiters, ist 30mal so groß als der Durchmesser des kleinsten der sicher bestimmten Planeten, Merkurs; fast 11mal so groß als der Durchmesser der Erde. Beinahe in demselben Verhältniß steht

schon erkannter ursachlicher Verkettung. Kein allgemeines Gesetz ist hier für die Himmelsräume aufgefunden, so wenig als für die Erdräume in der Lage der Culminationspunkte der Bergketten oder in der Gestaltung der einzelnen Umrisse der Continente. Es sind Thatsachen der Natur, hervorgegangen aus dem Conflict vielfacher, unter uns unbekannt gebliebenen Bedingungen wirkender Wurf- und Anziehungskräfte. Wir treten hier mit gespannter und unbefriedigter Neugier in das dunkle Gebiet des Werdens. Es handelt sich hier, im eigentlichsten Sinne des so oft gemißbrauchten Wortes, um Weltbegebenheiten, um kosmische Vorgänge in für uns unmeßbaren Zeiträumen. Haben sich die Planeten aus kreisenden Ringen dunstförmiger Stoffe gebildet: so muß die Materie, als sie sich nach dem Vorherrschen einzelner Attractionspunkte zu ballen begann, eine unabsehbare Reihe von Zuständen durchlaufen sein, um bald einfache, bald verschlungene Bahnen; Planeten von so verschiedener Größe, Abplattung und Dichte, mondlose und mondreiche, ja in einen festen Ring verschmolzene Satelliten zu bilden. Die gegenwärtige Form der Dinge und die genaue numerische Bestimmung ihrer Verhältnisse hat uns bisher nicht zur Kenntniß der durchlaufenen Zustände führen können, nicht zu klarer Einsicht in die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind. Diese Bedingungen dürfen aber darum nicht zufällig heißen: wie dem Menschen alles heißt, was er noch nicht genetisch zu erklären vermag.

3. Absolute und scheinbare Größe; Gestaltung. — Der Durchmesser des größten aller Planeten, Jupiters, ist 30mal so groß als der Durchmesser des kleinsten der sicher bestimmten Planeten, Merkurs; fast 11mal so groß als der Durchmesser der Erde. Beinahe in demselben Verhältniß steht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0436" n="431"/>
schon erkannter ursachlicher Verkettung. Kein allgemeines Gesetz ist hier für die Himmelsräume aufgefunden, so wenig als für die Erdräume in der Lage der Culminationspunkte der Bergketten oder in der Gestaltung der einzelnen Umrisse der Continente. Es sind <hi rendition="#g">Thatsachen</hi> der Natur, hervorgegangen aus dem <choice><sic>Con&#x017F;lict</sic><corr>Conflict</corr></choice> vielfacher, unter uns unbekannt gebliebenen Bedingungen wirkender Wurf- und Anziehungskräfte. Wir treten hier mit gespannter und unbefriedigter Neugier in das dunkle Gebiet des <hi rendition="#g">Werdens.</hi> Es handelt sich hier, im eigentlichsten Sinne des so oft gemißbrauchten Wortes, um <hi rendition="#g">Weltbegebenheiten,</hi> um kosmische Vorgänge in für uns unmeßbaren Zeiträumen. Haben sich die Planeten aus kreisenden Ringen dunstförmiger Stoffe gebildet: so muß die Materie, als sie sich nach dem Vorherrschen einzelner Attractionspunkte zu ballen begann, eine unabsehbare Reihe von Zuständen durchlaufen sein, um bald einfache, bald verschlungene Bahnen; Planeten von so verschiedener Größe, Abplattung und Dichte, mondlose und mondreiche, ja in einen festen Ring verschmolzene Satelliten zu bilden. Die gegenwärtige Form der Dinge und die genaue numerische Bestimmung ihrer Verhältnisse hat uns bisher nicht zur Kenntniß der durchlaufenen Zustände führen können, nicht zu klarer Einsicht in die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind. Diese Bedingungen dürfen aber darum nicht <hi rendition="#g">zufällig</hi> heißen: wie dem Menschen alles heißt, was er noch nicht genetisch zu erklären vermag.</p>
                <p>3. <hi rendition="#g">Absolute und scheinbare Größe; Gestaltung.</hi> &#x2014; Der Durchmesser des größten aller Planeten, Jupiters, ist 30mal so groß als der Durchmesser des kleinsten der sicher bestimmten Planeten, Merkurs; fast 11mal so groß als der Durchmesser der Erde. Beinahe in demselben Verhältniß steht
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0436] schon erkannter ursachlicher Verkettung. Kein allgemeines Gesetz ist hier für die Himmelsräume aufgefunden, so wenig als für die Erdräume in der Lage der Culminationspunkte der Bergketten oder in der Gestaltung der einzelnen Umrisse der Continente. Es sind Thatsachen der Natur, hervorgegangen aus dem Conflict vielfacher, unter uns unbekannt gebliebenen Bedingungen wirkender Wurf- und Anziehungskräfte. Wir treten hier mit gespannter und unbefriedigter Neugier in das dunkle Gebiet des Werdens. Es handelt sich hier, im eigentlichsten Sinne des so oft gemißbrauchten Wortes, um Weltbegebenheiten, um kosmische Vorgänge in für uns unmeßbaren Zeiträumen. Haben sich die Planeten aus kreisenden Ringen dunstförmiger Stoffe gebildet: so muß die Materie, als sie sich nach dem Vorherrschen einzelner Attractionspunkte zu ballen begann, eine unabsehbare Reihe von Zuständen durchlaufen sein, um bald einfache, bald verschlungene Bahnen; Planeten von so verschiedener Größe, Abplattung und Dichte, mondlose und mondreiche, ja in einen festen Ring verschmolzene Satelliten zu bilden. Die gegenwärtige Form der Dinge und die genaue numerische Bestimmung ihrer Verhältnisse hat uns bisher nicht zur Kenntniß der durchlaufenen Zustände führen können, nicht zu klarer Einsicht in die Bedingungen, unter denen sie entstanden sind. Diese Bedingungen dürfen aber darum nicht zufällig heißen: wie dem Menschen alles heißt, was er noch nicht genetisch zu erklären vermag. 3. Absolute und scheinbare Größe; Gestaltung. — Der Durchmesser des größten aller Planeten, Jupiters, ist 30mal so groß als der Durchmesser des kleinsten der sicher bestimmten Planeten, Merkurs; fast 11mal so groß als der Durchmesser der Erde. Beinahe in demselben Verhältniß steht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/436
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/436>, abgerufen am 22.11.2024.