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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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Umhüllungen des dunklen Sonnenkörpers geführt haben. Wenn der Cardinal Cusa etwas von Sonnenflecken gewußt hätte, würde er gewiß nicht unterlassen haben bei den vielen Vergleichungen physischer und geistiger Dinge, zu denen er nur allzu geneigt ist, der maculae Solis zu erwähnen. Man erinnere sich nur des Aufsehens und bitteren Streites, welche im Anfang des 17ten Jahrhunderts, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, die Entdeckungen von Joh. Fabricius und Galilei erregten. An die dunkel ausgedrückten astronomischen Vorstellungen des Cardinals, der 1464, also neun Jahre eher starb, als Copernicus geboren war, habe ich schon früher (Kosmos Bd. II. S. 503 Anm. 33) erinnert. -- Die merkwürdige Stelle: jam nobis manifestum est Terram in veritate moveri, steht in lib. II cap. 12 de docta Ignorantia. Nach Cusa ist in jedem Theile des Himmelsraumes alles bewegt; wir finden keinen Stern, der nicht einen Kreis beschriebe. Terra non potest esse fixa, sed movetur ut aliae stellae. Die Erde kreist aber nicht um die Sonne, sondern Erde und Sonne kreisen "um die ewig wechselnden Pole des Universums". Cusa ist also kein Copernicaner, wie dies erst das so glücklich von Dr. Clemens im Hospital zu Cues aufgefundene, von des Cardinals eigener Hand 1444 geschriebene Bruchstück erweist.
8 (S. 383.) Kosmos Bd. II. S. 360-362 und 511-512 Anm. 49-53.
9 (S. 383.) Borbonia Sidera, id est planetae qui Solis lumina circumvolitant motu proprio et regulari, falso hactenus ab helioscopis Maculae Solis nuncupati, ex novis observationibus Joannis Tarde 1620. -- Austriaca Sidera heliocyclica astronomicis hypothesibus illigata opera Caroli Malapertii Belgae Montensis e Societate Jesu 1633. Die letztere Schrift hat wenigstens das Verdienst Beobachtungen von einer Reihe von Sonnenflecken zwischen 1618 und 1626 zu geben. Es sind aber dieselben Jahre, für welche Scheiner zu Rom eigene Beobachtungen in seiner Rosa Ursina veröffentlichte. Der Canonicus Tarde glaubt schon darum an Durchgänge kleiner Planeten, weil das Weltauge, "l'oeil du Monde, ne peut avoir des ophthalmies"! Es muß mit Recht Wunder nehmen, daß 20 Jahre nach Tarde und seinen borbonischen Trabanten der um die Beobachtungskunst so verdiente Gascoigne (Kosmos Bd. III. S. 76) noch die Sonnenflecken einer
Umhüllungen des dunklen Sonnenkörpers geführt haben. Wenn der Cardinal Cusa etwas von Sonnenflecken gewußt hätte, würde er gewiß nicht unterlassen haben bei den vielen Vergleichungen physischer und geistiger Dinge, zu denen er nur allzu geneigt ist, der maculae Solis zu erwähnen. Man erinnere sich nur des Aufsehens und bitteren Streites, welche im Anfang des 17ten Jahrhunderts, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, die Entdeckungen von Joh. Fabricius und Galilei erregten. An die dunkel ausgedrückten astronomischen Vorstellungen des Cardinals, der 1464, also neun Jahre eher starb, als Copernicus geboren war, habe ich schon früher (Kosmos Bd. II. S. 503 Anm. 33) erinnert. — Die merkwürdige Stelle: jam nobis manifestum est Terram in veritate moveri, steht in lib. II cap. 12 de docta Ignorantia. Nach Cusa ist in jedem Theile des Himmelsraumes alles bewegt; wir finden keinen Stern, der nicht einen Kreis beschriebe. Terra non potest esse fixa, sed movetur ut aliae stellae. Die Erde kreist aber nicht um die Sonne, sondern Erde und Sonne kreisen „um die ewig wechselnden Pole des Universums“. Cusa ist also kein Copernicaner, wie dies erst das so glücklich von Dr. Clemens im Hospital zu Cues aufgefundene, von des Cardinals eigener Hand 1444 geschriebene Bruchstück erweist.
8 (S. 383.) Kosmos Bd. II. S. 360–362 und 511–512 Anm. 49–53.
9 (S. 383.) Borbonia Sidera, id est planetae qui Solis lumina circumvolitant motu proprio et regulari, falso hactenus ab helioscopis Maculae Solis nuncupati, ex novis observationibus Joannis Tarde 1620. — Austriaca Sidera heliocyclica astronomicis hypothesibus illigata opera Caroli Malapertii Belgae Montensis e Societate Jesu 1633. Die letztere Schrift hat wenigstens das Verdienst Beobachtungen von einer Reihe von Sonnenflecken zwischen 1618 und 1626 zu geben. Es sind aber dieselben Jahre, für welche Scheiner zu Rom eigene Beobachtungen in seiner Rosa Ursina veröffentlichte. Der Canonicus Tarde glaubt schon darum an Durchgänge kleiner Planeten, weil das Weltauge, »l'oeil du Monde, ne peut avoir des ophthalmies«! Es muß mit Recht Wunder nehmen, daß 20 Jahre nach Tarde und seinen borbonischen Trabanten der um die Beobachtungskunst so verdiente Gascoigne (Kosmos Bd. III. S. 76) noch die Sonnenflecken einer
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[409/0414] ⁷ Umhüllungen des dunklen Sonnenkörpers geführt haben. Wenn der Cardinal Cusa etwas von Sonnenflecken gewußt hätte, würde er gewiß nicht unterlassen haben bei den vielen Vergleichungen physischer und geistiger Dinge, zu denen er nur allzu geneigt ist, der maculae Solis zu erwähnen. Man erinnere sich nur des Aufsehens und bitteren Streites, welche im Anfang des 17ten Jahrhunderts, gleich nach Erfindung des Fernrohrs, die Entdeckungen von Joh. Fabricius und Galilei erregten. An die dunkel ausgedrückten astronomischen Vorstellungen des Cardinals, der 1464, also neun Jahre eher starb, als Copernicus geboren war, habe ich schon früher (Kosmos Bd. II. S. 503 Anm. 33) erinnert. — Die merkwürdige Stelle: jam nobis manifestum est Terram in veritate moveri, steht in lib. II cap. 12 de docta Ignorantia. Nach Cusa ist in jedem Theile des Himmelsraumes alles bewegt; wir finden keinen Stern, der nicht einen Kreis beschriebe. Terra non potest esse fixa, sed movetur ut aliae stellae. Die Erde kreist aber nicht um die Sonne, sondern Erde und Sonne kreisen „um die ewig wechselnden Pole des Universums“. Cusa ist also kein Copernicaner, wie dies erst das so glücklich von Dr. Clemens im Hospital zu Cues aufgefundene, von des Cardinals eigener Hand 1444 geschriebene Bruchstück erweist. ⁸ (S. 383.) Kosmos Bd. II. S. 360–362 und 511–512 Anm. 49–53. ⁹ (S. 383.) Borbonia Sidera, id est planetae qui Solis lumina circumvolitant motu proprio et regulari, falso hactenus ab helioscopis Maculae Solis nuncupati, ex novis observationibus Joannis Tarde 1620. — Austriaca Sidera heliocyclica astronomicis hypothesibus illigata opera Caroli Malapertii Belgae Montensis e Societate Jesu 1633. Die letztere Schrift hat wenigstens das Verdienst Beobachtungen von einer Reihe von Sonnenflecken zwischen 1618 und 1626 zu geben. Es sind aber dieselben Jahre, für welche Scheiner zu Rom eigene Beobachtungen in seiner Rosa Ursina veröffentlichte. Der Canonicus Tarde glaubt schon darum an Durchgänge kleiner Planeten, weil das Weltauge, »l'oeil du Monde, ne peut avoir des ophthalmies«! Es muß mit Recht Wunder nehmen, daß 20 Jahre nach Tarde und seinen borbonischen Trabanten der um die Beobachtungskunst so verdiente Gascoigne (Kosmos Bd. III. S. 76) noch die Sonnenflecken einer

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/414>, abgerufen am 11.06.2024.