Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

prachtvollen Lichtglanze umher werden als Ursachen der merkwürdigen Schwärze dieses Raumes angegeben. Diese letztere Meinung hat sich seit La Caille98 allgemein erhalten. Sie ist vorzüglich durch die Stern-Aichungen (gauges and sweeps) um den Raum, wo die Milchstraße wie von einem schwarzen Gewölk bedeckt erscheint, bekräftigt. In dem coal-bag gaben die Aichungen (in gleicher Größe des Gesichtsfeldes) 7 bis 9 telescopische Sterne (nie völlige Leerheit, blank fields), wenn an den Rändern 120 bis 200 Sterne gezählt wurden. So lange ich in der südlichen Tropengegend war, unter dem sinnlichen Eindruck der Himmelsdecke, die mich so lebhaft beschäftigte, schien mir, wohl mit Unrecht, die Erklärung durch den Contrast nicht befriedigend. William Herschel's Betrachtungen über ganz sternleere Räume im Scorpion und im Schlangenträger, die er Oeffnungen in dem Himmel (Openings in the heavens) nennt, leiteten mich auf die Idee: daß in solchen Regionen die hinter einander liegenden Sternschichten dünner oder gar unterbrochen seien, daß unsere optischen Instrumente die letzten Schichten nicht erreichen, "daß wir wie durch Röhren in den fernsten Weltraum blicken". Ich habe dieser Oeffnungen schon an einem Orte gedacht99, und die Wirkungen der Perspective auf solche Unterbrechungen in den Sternschichten sind neuerlichst wieder ein Gegenstand ernster Betrachtung geworden100.

Die äußersten und fernsten Schichten selbstleuchtender Weltkörper, der Abstand der Nebelflecke, alles, was wir in dem letzten der sieben siderischen oder astrognostischen Abschnitte dieses Werkes zusammengedrängt haben, erfüllen die Einbildungskraft und den ahndenden Sinn des Menschen mit Bildern von Zeit und Raum, welche seine Fassungskraft übersteigen.

prachtvollen Lichtglanze umher werden als Ursachen der merkwürdigen Schwärze dieses Raumes angegeben. Diese letztere Meinung hat sich seit La Caille98 allgemein erhalten. Sie ist vorzüglich durch die Stern-Aichungen (gauges and sweeps) um den Raum, wo die Milchstraße wie von einem schwarzen Gewölk bedeckt erscheint, bekräftigt. In dem coal-bag gaben die Aichungen (in gleicher Größe des Gesichtsfeldes) 7 bis 9 telescopische Sterne (nie völlige Leerheit, blank fields), wenn an den Rändern 120 bis 200 Sterne gezählt wurden. So lange ich in der südlichen Tropengegend war, unter dem sinnlichen Eindruck der Himmelsdecke, die mich so lebhaft beschäftigte, schien mir, wohl mit Unrecht, die Erklärung durch den Contrast nicht befriedigend. William Herschel's Betrachtungen über ganz sternleere Räume im Scorpion und im Schlangenträger, die er Oeffnungen in dem Himmel (Openings in the heavens) nennt, leiteten mich auf die Idee: daß in solchen Regionen die hinter einander liegenden Sternschichten dünner oder gar unterbrochen seien, daß unsere optischen Instrumente die letzten Schichten nicht erreichen, „daß wir wie durch Röhren in den fernsten Weltraum blicken“. Ich habe dieser Oeffnungen schon an einem Orte gedacht99, und die Wirkungen der Perspective auf solche Unterbrechungen in den Sternschichten sind neuerlichst wieder ein Gegenstand ernster Betrachtung geworden100.

Die äußersten und fernsten Schichten selbstleuchtender Weltkörper, der Abstand der Nebelflecke, alles, was wir in dem letzten der sieben siderischen oder astrognostischen Abschnitte dieses Werkes zusammengedrängt haben, erfüllen die Einbildungskraft und den ahndenden Sinn des Menschen mit Bildern von Zeit und Raum, welche seine Fassungskraft übersteigen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0357" n="352"/>
prachtvollen Lichtglanze umher werden als Ursachen der merkwürdigen Schwärze dieses Raumes angegeben. Diese letztere Meinung hat sich seit La Caille<note xml:id="ftn455" next="#ftn455-text" place="end" n="98"/> allgemein erhalten. Sie ist vorzüglich durch die Stern-Aichungen (gauges and sweeps) um den Raum, wo die Milchstraße wie von einem schwarzen Gewölk bedeckt erscheint, bekräftigt. In dem coal-bag gaben die Aichungen (in gleicher Größe des Gesichtsfeldes) 7 bis 9 telescopische Sterne (nie völlige Leerheit, blank fields), wenn an den Rändern 120 bis 200 Sterne gezählt wurden. So lange ich in der südlichen Tropengegend war, unter dem sinnlichen Eindruck der Himmelsdecke, die mich so lebhaft beschäftigte, schien mir, wohl mit Unrecht, die Erklärung durch den Contrast nicht befriedigend. William Herschel's Betrachtungen über ganz sternleere Räume im Scorpion und im Schlangenträger, die er <hi rendition="#g">Oeffnungen in dem Himmel</hi> (Openings in the heavens) nennt, leiteten mich auf die Idee: daß in solchen Regionen die hinter einander liegenden Sternschichten dünner oder gar unterbrochen seien, daß unsere optischen Instrumente die letzten Schichten nicht erreichen, &#x201E;daß wir wie durch Röhren in den fernsten Weltraum blicken&#x201C;. Ich habe dieser <hi rendition="#g">Oeffnungen</hi> schon an einem Orte gedacht<note xml:id="ftn456" next="#ftn456-text" place="end" n="99"/>, und die Wirkungen der Perspective auf solche Unterbrechungen in den Sternschichten sind neuerlichst wieder ein Gegenstand ernster Betrachtung geworden<note xml:id="ftn457" next="#ftn457-text" place="end" n="100"/>.</p>
              <p>Die äußersten und fernsten Schichten selbstleuchtender Weltkörper, der Abstand der Nebelflecke, alles, was wir in dem letzten der sieben siderischen oder astrognostischen Abschnitte dieses Werkes zusammengedrängt haben, erfüllen die Einbildungskraft und den ahndenden Sinn des Menschen mit Bildern von <hi rendition="#g">Zeit</hi> und <hi rendition="#g">Raum,</hi> welche seine Fassungskraft übersteigen.
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0357] prachtvollen Lichtglanze umher werden als Ursachen der merkwürdigen Schwärze dieses Raumes angegeben. Diese letztere Meinung hat sich seit La Caille ⁹⁸ allgemein erhalten. Sie ist vorzüglich durch die Stern-Aichungen (gauges and sweeps) um den Raum, wo die Milchstraße wie von einem schwarzen Gewölk bedeckt erscheint, bekräftigt. In dem coal-bag gaben die Aichungen (in gleicher Größe des Gesichtsfeldes) 7 bis 9 telescopische Sterne (nie völlige Leerheit, blank fields), wenn an den Rändern 120 bis 200 Sterne gezählt wurden. So lange ich in der südlichen Tropengegend war, unter dem sinnlichen Eindruck der Himmelsdecke, die mich so lebhaft beschäftigte, schien mir, wohl mit Unrecht, die Erklärung durch den Contrast nicht befriedigend. William Herschel's Betrachtungen über ganz sternleere Räume im Scorpion und im Schlangenträger, die er Oeffnungen in dem Himmel (Openings in the heavens) nennt, leiteten mich auf die Idee: daß in solchen Regionen die hinter einander liegenden Sternschichten dünner oder gar unterbrochen seien, daß unsere optischen Instrumente die letzten Schichten nicht erreichen, „daß wir wie durch Röhren in den fernsten Weltraum blicken“. Ich habe dieser Oeffnungen schon an einem Orte gedacht ⁹⁹ , und die Wirkungen der Perspective auf solche Unterbrechungen in den Sternschichten sind neuerlichst wieder ein Gegenstand ernster Betrachtung geworden ¹⁰⁰ . Die äußersten und fernsten Schichten selbstleuchtender Weltkörper, der Abstand der Nebelflecke, alles, was wir in dem letzten der sieben siderischen oder astrognostischen Abschnitte dieses Werkes zusammengedrängt haben, erfüllen die Einbildungskraft und den ahndenden Sinn des Menschen mit Bildern von Zeit und Raum, welche seine Fassungskraft übersteigen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/357
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/357>, abgerufen am 24.11.2024.