Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.also für die Zeit, in welcher man in europäischen Culturländern auf eine ziemlich genaue Aufzählung rechnen kann, ergiebt sich das Verhältniß der neuen Sterne zu den ebenfalls mit bloßen Augen sichtbaren Cometen wie 1 zu 7. Wir werden bald zeigen, daß, wenn man die nach den Verzeichnissen des Ma-tuan-lin in China beobachteten neu erschienenen Sterne sorgfältig von den sich schweiflos bewegenden Cometen trennt und bis anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung hinaufsteigt, in fast 2000 Jahren in allem kaum 20 bis 22 solcher Erscheinungen mit einiger Sicherheit aufgeführt werden können. Ehe wir zu allgemeinen Betrachtungen übergehen, scheint es mir am geeignetsten, durch die Erzählung eines Augenzeugen, und bei einem einzelnen Beispiele verweilend, die Lebendigkeit des Eindrucks zu schildern, welchen der Anblick eines neuen Sternes hervorbringt. Als ich, sagt Tycho Brahe, von meinen Reisen in Deutschland nach den dänischen Inseln zurückkehrte, verweilte ich (ut aulicae vitae fastidium lenirem) in dem anmuthig gelegenen ehemaligen Kloster Herritzwadt bei meinem Onkel Stend Bille, und hatte die Gewohnheit erst am Abend mein chemisches Laboratorium zu verlassen. Da ich nun im Freien nach gewohnter Weise den Blick auf das mir wohlbekannte Himmelsgewölbe richtete, sah ich mit nicht zu beschreibendem Erstaunen nahe am Zenith in der Cassiopea einen strahlenden Fixstern von nie gesehener Größe. In der Aufregung glaubte ich meinen Sinnen nicht trauen zu können. Um mich zu überzeugen, daß es keine Täuschung sei, und um das Zeugniß Anderer einzusammeln, holte ich meine Arbeiter aus dem Laboratorium und befragte alle vorbeifahrenden also für die Zeit, in welcher man in europäischen Culturländern auf eine ziemlich genaue Aufzählung rechnen kann, ergiebt sich das Verhältniß der neuen Sterne zu den ebenfalls mit bloßen Augen sichtbaren Cometen wie 1 zu 7. Wir werden bald zeigen, daß, wenn man die nach den Verzeichnissen des Ma-tuan-lin in China beobachteten neu erschienenen Sterne sorgfältig von den sich schweiflos bewegenden Cometen trennt und bis anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung hinaufsteigt, in fast 2000 Jahren in allem kaum 20 bis 22 solcher Erscheinungen mit einiger Sicherheit aufgeführt werden können. Ehe wir zu allgemeinen Betrachtungen übergehen, scheint es mir am geeignetsten, durch die Erzählung eines Augenzeugen, und bei einem einzelnen Beispiele verweilend, die Lebendigkeit des Eindrucks zu schildern, welchen der Anblick eines neuen Sternes hervorbringt. Als ich, sagt Tycho Brahe, von meinen Reisen in Deutschland nach den dänischen Inseln zurückkehrte, verweilte ich (ut aulicae vitae fastidium lenirem) in dem anmuthig gelegenen ehemaligen Kloster Herritzwadt bei meinem Onkel Stend Bille, und hatte die Gewohnheit erst am Abend mein chemisches Laboratorium zu verlassen. Da ich nun im Freien nach gewohnter Weise den Blick auf das mir wohlbekannte Himmelsgewölbe richtete, sah ich mit nicht zu beschreibendem Erstaunen nahe am Zenith in der Cassiopea einen strahlenden Fixstern von nie gesehener Größe. In der Aufregung glaubte ich meinen Sinnen nicht trauen zu können. Um mich zu überzeugen, daß es keine Täuschung sei, und um das Zeugniß Anderer einzusammeln, holte ich meine Arbeiter aus dem Laboratorium und befragte alle vorbeifahrenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0221" n="216"/> also für die Zeit, in welcher man in europäischen Culturländern auf eine ziemlich genaue Aufzählung rechnen kann, ergiebt sich das Verhältniß der neuen Sterne zu den ebenfalls mit bloßen Augen sichtbaren Cometen wie 1 zu 7. Wir werden bald zeigen, daß, wenn man die nach den Verzeichnissen des Ma-tuan-lin in China beobachteten neu erschienenen Sterne sorgfältig von den sich schweiflos bewegenden Cometen trennt und bis anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung hinaufsteigt, in fast 2000 Jahren in allem kaum 20 bis 22 solcher <hi rendition="#g">Erscheinungen</hi> mit einiger Sicherheit aufgeführt werden können.</p> <p>Ehe wir zu allgemeinen Betrachtungen übergehen, scheint es mir am geeignetsten, durch die Erzählung eines Augenzeugen, und bei einem einzelnen Beispiele verweilend, die Lebendigkeit des Eindrucks zu schildern, welchen der Anblick eines <hi rendition="#g">neuen Sternes</hi> hervorbringt. Als ich, sagt Tycho Brahe, von meinen Reisen in Deutschland nach den dänischen Inseln zurückkehrte, verweilte ich (ut aulicae vitae fastidium lenirem) in dem anmuthig gelegenen ehemaligen Kloster Herritzwadt bei meinem Onkel Stend Bille, und hatte die Gewohnheit erst am Abend mein chemisches Laboratorium zu verlassen. Da ich nun im Freien nach gewohnter Weise den Blick auf das mir wohlbekannte Himmelsgewölbe richtete, sah ich mit nicht zu beschreibendem Erstaunen nahe am Zenith in der Cassiopea einen strahlenden Fixstern von nie gesehener Größe. In der Aufregung glaubte ich meinen Sinnen nicht trauen zu können. Um mich zu überzeugen, daß es keine Täuschung sei, und um das Zeugniß Anderer einzusammeln, holte ich meine Arbeiter aus dem Laboratorium und befragte alle vorbeifahrenden </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216/0221]
also für die Zeit, in welcher man in europäischen Culturländern auf eine ziemlich genaue Aufzählung rechnen kann, ergiebt sich das Verhältniß der neuen Sterne zu den ebenfalls mit bloßen Augen sichtbaren Cometen wie 1 zu 7. Wir werden bald zeigen, daß, wenn man die nach den Verzeichnissen des Ma-tuan-lin in China beobachteten neu erschienenen Sterne sorgfältig von den sich schweiflos bewegenden Cometen trennt und bis anderthalb Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung hinaufsteigt, in fast 2000 Jahren in allem kaum 20 bis 22 solcher Erscheinungen mit einiger Sicherheit aufgeführt werden können.
Ehe wir zu allgemeinen Betrachtungen übergehen, scheint es mir am geeignetsten, durch die Erzählung eines Augenzeugen, und bei einem einzelnen Beispiele verweilend, die Lebendigkeit des Eindrucks zu schildern, welchen der Anblick eines neuen Sternes hervorbringt. Als ich, sagt Tycho Brahe, von meinen Reisen in Deutschland nach den dänischen Inseln zurückkehrte, verweilte ich (ut aulicae vitae fastidium lenirem) in dem anmuthig gelegenen ehemaligen Kloster Herritzwadt bei meinem Onkel Stend Bille, und hatte die Gewohnheit erst am Abend mein chemisches Laboratorium zu verlassen. Da ich nun im Freien nach gewohnter Weise den Blick auf das mir wohlbekannte Himmelsgewölbe richtete, sah ich mit nicht zu beschreibendem Erstaunen nahe am Zenith in der Cassiopea einen strahlenden Fixstern von nie gesehener Größe. In der Aufregung glaubte ich meinen Sinnen nicht trauen zu können. Um mich zu überzeugen, daß es keine Täuschung sei, und um das Zeugniß Anderer einzusammeln, holte ich meine Arbeiter aus dem Laboratorium und befragte alle vorbeifahrenden
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