Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.befruchtenden Nilfluth, der die Saaten tränkenden weiblichen Gottheit Satis. Diese ist die Göttinn der Cataracten, weil mit dem Erscheinen der Sothis am Himmel zur Zeit der Sommerwende das Anschwellen des Nils begann. Bei Vettius Valens wird der Stern selbst Seth statt Sothis genannt; keinesweges aber kann man, wie Ideler gethan hat (Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 126), dem Namen oder der Sache nach auch Thoth mit Seth oder Sothis identificiren." (Lepsius Bd. I. S. 136.) Diesen Betrachtungen aus der ägyptischen Urzeit lasse ich die hellenischen, Zend- und Sanskrit-Etymologien folgen: "Seir, die Sonne", sagt Professor Franz, "ist ein altes Stammwort, nur mundartlich verscheiden von ther, theros, die Hitze, der Sommer: wobei die Veränderung des Vocallautes wie in theiros und teros oder teras hervortritt. Zum Beweis der Richtigkeit der angegebenen Verhältnisse der Stammwörter seir und ther, theros dient nicht nur die Anwendung von thereitatos bei Aratus v. 149 (Ideler, Sternnamen S. 241), sondern auch der spätere Gebrauch der aus seir abgeleiteten Formen seiros, seirios, seirinos, heiß, brennend. Es ist nämlich bezeichnend, daß seira oder seirina imatia eben so gesagt wird wie theirina imatia, leichte Sommerkleider. Ausgebreiteter aber sollte die Anwendung der Form seirios werden; sie bildete das Beiwort aller Gestirne, welche Einfluß auf die Sommerhitze haben: daher nach der Ueberlieferung des Dichters Archilochus die Sonne seirios aster hieß und Ibycus die Gestirne überhaupt seiria, die leuchtenden, nennt. Daß in den Worten des Archilochus: pollous men autou seirios katauanei oxus ellampon die Sonne wirklich gemeint ist, läßt sich nicht bezweifeln. Nach Hesychius und Suidas bedeutet allerdings Seirios Sonne und Hundsstern zugleich; aber daß die Stelle des Hesiodus (Opera et Dies v. 417), wie Tzetzes und Proclus wollen, sich auf die Sonne und nicht auf den Hundsstern beziehe, ist mir eben so gewiß als dem neuen Herausgeber des Theon aus Smyrna, Herrn Martin. Von dem Adjectivum seirios, welches sich als epitheton perpetuum des Hundssternes selbst festgesetzt hat, kommt das Verbum seirian, das durch funkeln übersetzt werden kann. Aratus v. 331 sagt vom Sirius: oxea seirianei, er funkelt scharf. Eine ganz andere Elymologie hat das allein stehende Wort Seiren, die Sirene; und Ihre Vermuthung, daß es wohl befruchtenden Nilfluth, der die Saaten tränkenden weiblichen Gottheit Satis. Diese ist die Göttinn der Cataracten, weil mit dem Erscheinen der Sothis am Himmel zur Zeit der Sommerwende das Anschwellen des Nils begann. Bei Vettius Valens wird der Stern selbst Σὴθ statt Sothis genannt; keinesweges aber kann man, wie Ideler gethan hat (Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 126), dem Namen oder der Sache nach auch Thoth mit Seth oder Sothis identificiren.“ (Lepsius Bd. I. S. 136.) Diesen Betrachtungen aus der ägyptischen Urzeit lasse ich die hellenischen, Zend- und Sanskrit-Etymologien folgen: „Σείρ, die Sonne“, sagt Professor Franz, „ist ein altes Stammwort, nur mundartlich verscheiden von θερ, θέρος, die Hitze, der Sommer: wobei die Veränderung des Vocallautes wie in θεῖρος und τέρος oder τέρας hervortritt. Zum Beweis der Richtigkeit der angegebenen Verhältnisse der Stammwörter σεὶρ und θερ, θέρος dient nicht nur die Anwendung von θερείτατος bei Aratus v. 149 (Ideler, Sternnamen S. 241), sondern auch der spätere Gebrauch der aus σεὶρ abgeleiteten Formen σειρὸς, σείριος, σειρινός, heiß, brennend. Es ist nämlich bezeichnend, daß σειρὰ oder σειρινὰ ἰμάτια eben so gesagt wird wie θειρινὰ ἰμάτια, leichte Sommerkleider. Ausgebreiteter aber sollte die Anwendung der Form σείριος werden; sie bildete das Beiwort aller Gestirne, welche Einfluß auf die Sommerhitze haben: daher nach der Ueberlieferung des Dichters Archilochus die Sonne σείριος ἀστὴρ hieß und Ibycus die Gestirne überhaupt σείρια, die leuchtenden, nennt. Daß in den Worten des Archilochus: πολλοὺς μὲν αὐτοῦ σείριος καταυανεῖ ὀξὺς ἐλλάμπων die Sonne wirklich gemeint ist, läßt sich nicht bezweifeln. Nach Hesychius und Suidas bedeutet allerdings Σείριος Sonne und Hundsstern zugleich; aber daß die Stelle des Hesiodus (Opera et Dies v. 417), wie Tzetzes und Proclus wollen, sich auf die Sonne und nicht auf den Hundsstern beziehe, ist mir eben so gewiß als dem neuen Herausgeber des Theon aus Smyrna, Herrn Martin. Von dem Adjectivum σείριος, welches sich als epitheton perpetuum des Hundssternes selbst festgesetzt hat, kommt das Verbum σειριᾷν, das durch funkeln übersetzt werden kann. Aratus v. 331 sagt vom Sirius: ὀξέα σειριάνει, er funkelt scharf. Eine ganz andere Elymologie hat das allein stehende Wort Σειρήν, die Sirene; und Ihre Vermuthung, daß es wohl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <note xml:id="ftn218-text" prev="#ftn218" place="end" n="52"><pb facs="#f0212" n="207"/> befruchtenden Nilfluth, der die Saaten tränkenden weiblichen Gottheit Satis. Diese ist die Göttinn der Cataracten, weil mit dem Erscheinen der Sothis am Himmel zur Zeit der Sommerwende das Anschwellen des Nils begann. Bei Vettius Valens wird der Stern selbst <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Σὴθ</foreign></hi> statt Sothis genannt; keinesweges aber kann man, wie <hi rendition="#g">Ideler</hi> gethan hat <hi rendition="#g">(Handbuch der Chronologie</hi> Bd. I. S. 126), dem Namen oder der Sache nach auch Thoth mit Seth oder Sothis identificiren.“ <hi rendition="#g">(Lepsius</hi> Bd. I. S. 136.) <p>Diesen Betrachtungen aus der ägyptischen Urzeit lasse ich die hellenischen, Zend- und Sanskrit-Etymologien folgen: „<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Σείρ</foreign></hi>, die <hi rendition="#g">Sonne“,</hi> sagt Professor <hi rendition="#g">Franz,</hi> „ist ein altes Stammwort, nur mundartlich verscheiden von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θερ</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θέρος</foreign></hi>, die <hi rendition="#g">Hitze,</hi> der <hi rendition="#g">Sommer:</hi> wobei die Veränderung des Vocallautes wie in <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θεῖρος</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέρος</foreign></hi> oder <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">τέρας</foreign></hi> hervortritt. Zum Beweis der Richtigkeit der angegebenen Verhältnisse der Stammwörter <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σεὶρ</foreign></hi> und <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θερ</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θέρος</foreign></hi> dient nicht nur die Anwendung von <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θερείτατος</foreign></hi> bei Aratus v. 149 <hi rendition="#g">(Ideler, Sternnamen</hi> S. 241), sondern auch der spätere Gebrauch der aus <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σεὶρ</foreign></hi> abgeleiteten Formen <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σειρὸς</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σείριος</foreign></hi>, <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σειρινός</foreign></hi>, <hi rendition="#g">heiß, brennend.</hi> Es ist nämlich bezeichnend, daß <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σειρὰ</foreign></hi> oder <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σειρινὰ ἰμάτια</foreign></hi> eben so gesagt wird wie <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">θειρινὰ ἰμάτια</foreign></hi>, leichte Sommerkleider. Ausgebreiteter aber sollte die Anwendung der Form <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σείριος</foreign></hi> werden; sie bildete das Beiwort aller Gestirne, welche Einfluß auf die Sommerhitze haben: daher nach der Ueberlieferung des Dichters Archilochus die Sonne <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σείριος ἀστὴρ</foreign></hi> hieß und Ibycus die Gestirne überhaupt <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σείρια</foreign></hi>, die leuchtenden, nennt. Daß in den Worten des Archilochus: <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">πολλοὺς μὲν αὐτοῦ σείριος καταυανεῖ ὀξὺς ἐλλάμπων</foreign></hi> die Sonne wirklich gemeint ist, läßt sich nicht bezweifeln. Nach Hesychius und Suidas bedeutet allerdings <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Σείριος</foreign></hi> Sonne und Hundsstern zugleich; aber daß die Stelle des <hi rendition="#g">Hesiodus (Opera et Dies</hi> v. 417), wie Tzetzes und Proclus wollen, sich auf die Sonne und nicht auf den Hundsstern beziehe, ist mir eben so gewiß als dem neuen Herausgeber des Theon aus Smyrna, Herrn Martin. Von dem Adjectivum <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σείριος</foreign></hi>, welches sich als epitheton perpetuum des Hundssternes selbst festgesetzt hat, kommt das Verbum <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">σειριᾷν</foreign></hi>, das durch <hi rendition="#g">funkeln</hi> übersetzt werden kann. Aratus v. 331 sagt vom Sirius: <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">ὀξέα σειριάνει</foreign></hi>, er funkelt scharf. Eine ganz andere Elymologie hat das allein stehende Wort <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">Σειρήν</foreign></hi>, die Sirene; und Ihre Vermuthung, daß es wohl</p> </note> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0212]
⁵² befruchtenden Nilfluth, der die Saaten tränkenden weiblichen Gottheit Satis. Diese ist die Göttinn der Cataracten, weil mit dem Erscheinen der Sothis am Himmel zur Zeit der Sommerwende das Anschwellen des Nils begann. Bei Vettius Valens wird der Stern selbst Σὴθ statt Sothis genannt; keinesweges aber kann man, wie Ideler gethan hat (Handbuch der Chronologie Bd. I. S. 126), dem Namen oder der Sache nach auch Thoth mit Seth oder Sothis identificiren.“ (Lepsius Bd. I. S. 136.) Diesen Betrachtungen aus der ägyptischen Urzeit lasse ich die hellenischen, Zend- und Sanskrit-Etymologien folgen: „Σείρ, die Sonne“, sagt Professor Franz, „ist ein altes Stammwort, nur mundartlich verscheiden von θερ, θέρος, die Hitze, der Sommer: wobei die Veränderung des Vocallautes wie in θεῖρος und τέρος oder τέρας hervortritt. Zum Beweis der Richtigkeit der angegebenen Verhältnisse der Stammwörter σεὶρ und θερ, θέρος dient nicht nur die Anwendung von θερείτατος bei Aratus v. 149 (Ideler, Sternnamen S. 241), sondern auch der spätere Gebrauch der aus σεὶρ abgeleiteten Formen σειρὸς, σείριος, σειρινός, heiß, brennend. Es ist nämlich bezeichnend, daß σειρὰ oder σειρινὰ ἰμάτια eben so gesagt wird wie θειρινὰ ἰμάτια, leichte Sommerkleider. Ausgebreiteter aber sollte die Anwendung der Form σείριος werden; sie bildete das Beiwort aller Gestirne, welche Einfluß auf die Sommerhitze haben: daher nach der Ueberlieferung des Dichters Archilochus die Sonne σείριος ἀστὴρ hieß und Ibycus die Gestirne überhaupt σείρια, die leuchtenden, nennt. Daß in den Worten des Archilochus: πολλοὺς μὲν αὐτοῦ σείριος καταυανεῖ ὀξὺς ἐλλάμπων die Sonne wirklich gemeint ist, läßt sich nicht bezweifeln. Nach Hesychius und Suidas bedeutet allerdings Σείριος Sonne und Hundsstern zugleich; aber daß die Stelle des Hesiodus (Opera et Dies v. 417), wie Tzetzes und Proclus wollen, sich auf die Sonne und nicht auf den Hundsstern beziehe, ist mir eben so gewiß als dem neuen Herausgeber des Theon aus Smyrna, Herrn Martin. Von dem Adjectivum σείριος, welches sich als epitheton perpetuum des Hundssternes selbst festgesetzt hat, kommt das Verbum σειριᾷν, das durch funkeln übersetzt werden kann. Aratus v. 331 sagt vom Sirius: ὀξέα σειριάνει, er funkelt scharf. Eine ganz andere Elymologie hat das allein stehende Wort Σειρήν, die Sirene; und Ihre Vermuthung, daß es wohl
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |