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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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die äußersten Zonen des Himmels von ewiger Kälte heimgesucht. "Ita enim non solum terram sed ipsum quoque coelum, quod vere mundus vocatur, temperari a sole certissimum est, ut extremitates ejus, quae a via solis longissime recesserunt, omni careant beneficio caloris et una frigoris perpetuitate torpescant." Diese extremitates coeli, in welche der Bischof von Hippo (Augustinus, ed. Antv. 1700, I. p. 102 und III. p. 99) eine Region eiskalter Wasser, dem obersten und darum kältesten aller Planeten, Saturn, nahe, verlegte, sind immer noch der eigentliche Luftkreis; denn höher über dieser äußersten Grenze liegt erst, nach einer etwas früheren Aussage des Macrobius (I c. 19 pag. 93), der feurige Aether, welcher, räthselhaft genug, jener ewigen Kälte nicht hinderlich ist. "Stellae, supra coelum locatae, in ipso purissimo aethere sunt, in quo omne, quidquid est, lux naturalis et sua est (der Sitz selbstleuchtender Gestirne), quae tota cum igne suo ita sphaerae solis incumbit, ut coeli zonae, quae procul a sole sunt, perpetuo frigore oppressae sint." Wenn ich hier den physikalischen und meteorologischen Ideenzusammenhang bei Griechen und Römern so umständlich entwickle, so geschieht es nur, weil diese Gegenstände außer den Arbeiten von Ukert, Henri Martin und dem vortrefflichen Fragmente der Meteorologia Veterum von Julius Ideler bisher so unvollständig und meist ungründlich behandelt worden sind.
35 (S. 164.) Daß das Feuer die Kraft habe erstarren zu machen (Aristot. Probl. XIV, 11), daß die Eisbildung selbst durch Wärme befördert wird, sind tief eingewurzelte Meinungen in der Physik der Alten, die auf einer spielenden Theorie der Gegensätze (Antiperistasis), auf dunklen Begriffen der Polarität (auf einem Hervorrufen entgegengesetzter Qualitäten oder Zustände) beruhen (Kosmos Bd. III. S. 15 und 29). Hagel entsteht in um so größerer Masse, als die Luftschichten erwärmter sind (Aristot. Meteor. I, 12). Beim Winter-Fischfang an der Küste des Pontus wird warmes Wasser angewandt, damit in der Nähe des eingepflanzten Rohres das Eis sich vermehre (Alex. Aphrodis. fol. 86 und Plut. de primo frigido c. 12).
36 (S. 165.) Kepler sagt ausdrücklich in Stella Martis fol. 9: solidos orbes rejeci; in der Stella nova 1606 cap. 2 p. 8: planetae in puro aethere, perinde atque aves in aere, cursus
die äußersten Zonen des Himmels von ewiger Kälte heimgesucht. »Ita enim non solum terram sed ipsum quoque coelum, quod vere mundus vocatur, temperari a sole certissimum est, ut extremitates ejus, quae a via solis longissime recesserunt, omni careant beneficio caloris et una frigoris perpetuitate torpescant.« Diese extremitates coeli, in welche der Bischof von Hippo (Augustinus, ed. Antv. 1700, I. p. 102 und III. p. 99) eine Region eiskalter Wasser, dem obersten und darum kältesten aller Planeten, Saturn, nahe, verlegte, sind immer noch der eigentliche Luftkreis; denn höher über dieser äußersten Grenze liegt erst, nach einer etwas früheren Aussage des Macrobius (I c. 19 pag. 93), der feurige Aether, welcher, räthselhaft genug, jener ewigen Kälte nicht hinderlich ist. »Stellae, supra coelum locatae, in ipso purissimo aethere sunt, in quo omne, quidquid est, lux naturalis et sua est (der Sitz selbstleuchtender Gestirne), quae tota cum igne suo ita sphaerae solis incumbit, ut coeli zonae, quae procul a sole sunt, perpetuo frigore oppressae sint.« Wenn ich hier den physikalischen und meteorologischen Ideenzusammenhang bei Griechen und Römern so umständlich entwickle, so geschieht es nur, weil diese Gegenstände außer den Arbeiten von Ukert, Henri Martin und dem vortrefflichen Fragmente der Meteorologia Veterum von Julius Ideler bisher so unvollständig und meist ungründlich behandelt worden sind.
35 (S. 164.) Daß das Feuer die Kraft habe erstarren zu machen (Aristot. Probl. XIV, 11), daß die Eisbildung selbst durch Wärme befördert wird, sind tief eingewurzelte Meinungen in der Physik der Alten, die auf einer spielenden Theorie der Gegensätze (Antiperistasis), auf dunklen Begriffen der Polarität (auf einem Hervorrufen entgegengesetzter Qualitäten oder Zustände) beruhen (Kosmos Bd. III. S. 15 und 29). Hagel entsteht in um so größerer Masse, als die Luftschichten erwärmter sind (Aristot. Meteor. I, 12). Beim Winter-Fischfang an der Küste des Pontus wird warmes Wasser angewandt, damit in der Nähe des eingepflanzten Rohres das Eis sich vermehre (Alex. Aphrodis. fol. 86 und Plut. de primo frigido c. 12).
36 (S. 165.) Kepler sagt ausdrücklich in Stella Martis fol. 9: solidos orbes rejeci; in der Stella nova 1606 cap. 2 p. 8: planetae in puro aethere, perinde atque aves in aëre, cursus
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die äußersten Zonen des Himmels von ewiger Kälte heimgesucht. »Ita enim non solum terram sed ipsum quoque coelum, quod vere mundus vocatur, temperari a sole certissimum est, ut extremitates ejus, quae a via solis longissime recesserunt, omni careant beneficio caloris et una frigoris perpetuitate torpescant.« Diese extremitates coeli, in welche der Bischof von Hippo <hi rendition="#g">(Augustinus,</hi> ed. Antv. 1700, I. p. 102 und III. p. 99) eine Region eiskalter Wasser, dem obersten und darum kältesten aller Planeten, Saturn, nahe, verlegte, sind immer noch der eigentliche Luftkreis; denn höher über dieser äußersten Grenze liegt erst, nach einer etwas früheren Aussage des <hi rendition="#g">Macrobius</hi> (I c. 19 pag. 93), der feurige Aether, welcher, räthselhaft genug, jener ewigen Kälte nicht hinderlich ist. »Stellae, supra coelum locatae, in ipso purissimo aethere sunt, in quo omne, quidquid est, lux naturalis et sua est (der Sitz selbstleuchtender Gestirne), quae tota cum igne suo ita sphaerae solis incumbit, ut coeli zonae, quae procul a sole sunt, perpetuo frigore oppressae sint.« Wenn ich hier den physikalischen und meteorologischen Ideenzusammenhang bei Griechen und Römern so umständlich entwickle, so geschieht es nur, weil diese Gegenstände außer den Arbeiten von Ukert, Henri Martin und dem vortrefflichen Fragmente der <hi rendition="#g">Meteorologia Veterum</hi> von Julius <hi rendition="#g">Ideler</hi> bisher so unvollständig und meist ungründlich behandelt worden sind.</note>
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[201/0206] ³⁴ die äußersten Zonen des Himmels von ewiger Kälte heimgesucht. »Ita enim non solum terram sed ipsum quoque coelum, quod vere mundus vocatur, temperari a sole certissimum est, ut extremitates ejus, quae a via solis longissime recesserunt, omni careant beneficio caloris et una frigoris perpetuitate torpescant.« Diese extremitates coeli, in welche der Bischof von Hippo (Augustinus, ed. Antv. 1700, I. p. 102 und III. p. 99) eine Region eiskalter Wasser, dem obersten und darum kältesten aller Planeten, Saturn, nahe, verlegte, sind immer noch der eigentliche Luftkreis; denn höher über dieser äußersten Grenze liegt erst, nach einer etwas früheren Aussage des Macrobius (I c. 19 pag. 93), der feurige Aether, welcher, räthselhaft genug, jener ewigen Kälte nicht hinderlich ist. »Stellae, supra coelum locatae, in ipso purissimo aethere sunt, in quo omne, quidquid est, lux naturalis et sua est (der Sitz selbstleuchtender Gestirne), quae tota cum igne suo ita sphaerae solis incumbit, ut coeli zonae, quae procul a sole sunt, perpetuo frigore oppressae sint.« Wenn ich hier den physikalischen und meteorologischen Ideenzusammenhang bei Griechen und Römern so umständlich entwickle, so geschieht es nur, weil diese Gegenstände außer den Arbeiten von Ukert, Henri Martin und dem vortrefflichen Fragmente der Meteorologia Veterum von Julius Ideler bisher so unvollständig und meist ungründlich behandelt worden sind. ³⁵ (S. 164.) Daß das Feuer die Kraft habe erstarren zu machen (Aristot. Probl. XIV, 11), daß die Eisbildung selbst durch Wärme befördert wird, sind tief eingewurzelte Meinungen in der Physik der Alten, die auf einer spielenden Theorie der Gegensätze (Antiperistasis), auf dunklen Begriffen der Polarität (auf einem Hervorrufen entgegengesetzter Qualitäten oder Zustände) beruhen (Kosmos Bd. III. S. 15 und 29). Hagel entsteht in um so größerer Masse, als die Luftschichten erwärmter sind (Aristot. Meteor. I, 12). Beim Winter-Fischfang an der Küste des Pontus wird warmes Wasser angewandt, damit in der Nähe des eingepflanzten Rohres das Eis sich vermehre (Alex. Aphrodis. fol. 86 und Plut. de primo frigido c. 12). ³⁶ (S. 165.) Kepler sagt ausdrücklich in Stella Martis fol. 9: solidos orbes rejeci; in der Stella nova 1606 cap. 2 p. 8: planetae in puro aethere, perinde atque aves in aëre, cursus

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/206>, abgerufen am 27.11.2024.