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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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die Eintheilung der Ekliptik in zwölf gleiche Theile (Dodecatomerie) sind alt-chaldäisch, und höchst wahrscheinlich den Griechen aus Chaldäa selbst und nicht aus dem Nilthale, am frühesten im Anfang des 5ten oder im 6ten Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung28, überkommen. Die Griechen schnitten nur aus den in ihrer primitiven Sphäre schon früher verzeichneten Sternbildern diejenigen aus, welche der Ekliptik am nächsten lagen und als Thierkreis-Bilder gebraucht werden konnten. Wäre mehr als der Begriff und die Zahl der Abtheilungen (Dodecatomerie) eines Thierkreises, wäre der Thierkreis selbst mit seinen Bildern einem fremden Volke von den Griechen entlehnt worden: so würden diese nicht ursprünglich sich mit 11 Bildern begnügt, nicht den Scorpion zu zwei Abtheilungen angewandt, nicht Zodiacal-Bilder erfunden haben, deren einige, wie Stier, Löwe, Fische und Jungfrau, mit ihren Umrissen 35° bis 48°; andere, wie Krebs, Widder und Steinbock, nur 19° bis 23° einnehmen; welche unbequem nördlich und südlich um die Ekliptik schwanken: bald weit getrennt; bald, wie Stier und Widder, Wassermann und Steinbock, eng gedrängt und fast in einander eingreifend. Diese Verhältnisse bezeugen, daß man früher gebildete Catasterismen zu Zodiacal-Zeichen stempelte.

Das Zeichen der Wage wurde nach Letronne's Vermuthung zu Hipparchs Zeiten, vielleicht durch ihn selbst, eingeführt. Eudoxus, Archimedes, Autolycus, und selbst Hipparch, in dem wenigen, was wir von ihm besitzen (eine einzige, wahrscheinlich von einem Copisten verfälschte Stelle29 abgerechnet), erwähnen ihrer nie. Das neue Zeichen kommt erst bei Geminus und Varro, kaum ein halbes

die Eintheilung der Ekliptik in zwölf gleiche Theile (Dodecatomerie) sind alt-chaldäisch, und höchst wahrscheinlich den Griechen aus Chaldäa selbst und nicht aus dem Nilthale, am frühesten im Anfang des 5ten oder im 6ten Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung28, überkommen. Die Griechen schnitten nur aus den in ihrer primitiven Sphäre schon früher verzeichneten Sternbildern diejenigen aus, welche der Ekliptik am nächsten lagen und als Thierkreis-Bilder gebraucht werden konnten. Wäre mehr als der Begriff und die Zahl der Abtheilungen (Dodecatomerie) eines Thierkreises, wäre der Thierkreis selbst mit seinen Bildern einem fremden Volke von den Griechen entlehnt worden: so würden diese nicht ursprünglich sich mit 11 Bildern begnügt, nicht den Scorpion zu zwei Abtheilungen angewandt, nicht Zodiacal-Bilder erfunden haben, deren einige, wie Stier, Löwe, Fische und Jungfrau, mit ihren Umrissen 35° bis 48°; andere, wie Krebs, Widder und Steinbock, nur 19° bis 23° einnehmen; welche unbequem nördlich und südlich um die Ekliptik schwanken: bald weit getrennt; bald, wie Stier und Widder, Wassermann und Steinbock, eng gedrängt und fast in einander eingreifend. Diese Verhältnisse bezeugen, daß man früher gebildete Catasterismen zu Zodiacal-Zeichen stempelte.

Das Zeichen der Wage wurde nach Letronne's Vermuthung zu Hipparchs Zeiten, vielleicht durch ihn selbst, eingeführt. Eudoxus, Archimedes, Autolycus, und selbst Hipparch, in dem wenigen, was wir von ihm besitzen (eine einzige, wahrscheinlich von einem Copisten verfälschte Stelle29 abgerechnet), erwähnen ihrer nie. Das neue Zeichen kommt erst bei Geminus und Varro, kaum ein halbes

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[161/0166] die Eintheilung der Ekliptik in zwölf gleiche Theile (Dodecatomerie) sind alt-chaldäisch, und höchst wahrscheinlich den Griechen aus Chaldäa selbst und nicht aus dem Nilthale, am frühesten im Anfang des 5ten oder im 6ten Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung ²⁸ , überkommen. Die Griechen schnitten nur aus den in ihrer primitiven Sphäre schon früher verzeichneten Sternbildern diejenigen aus, welche der Ekliptik am nächsten lagen und als Thierkreis-Bilder gebraucht werden konnten. Wäre mehr als der Begriff und die Zahl der Abtheilungen (Dodecatomerie) eines Thierkreises, wäre der Thierkreis selbst mit seinen Bildern einem fremden Volke von den Griechen entlehnt worden: so würden diese nicht ursprünglich sich mit 11 Bildern begnügt, nicht den Scorpion zu zwei Abtheilungen angewandt, nicht Zodiacal-Bilder erfunden haben, deren einige, wie Stier, Löwe, Fische und Jungfrau, mit ihren Umrissen 35° bis 48°; andere, wie Krebs, Widder und Steinbock, nur 19° bis 23° einnehmen; welche unbequem nördlich und südlich um die Ekliptik schwanken: bald weit getrennt; bald, wie Stier und Widder, Wassermann und Steinbock, eng gedrängt und fast in einander eingreifend. Diese Verhältnisse bezeugen, daß man früher gebildete Catasterismen zu Zodiacal-Zeichen stempelte. Das Zeichen der Wage wurde nach Letronne's Vermuthung zu Hipparchs Zeiten, vielleicht durch ihn selbst, eingeführt. Eudoxus, Archimedes, Autolycus, und selbst Hipparch, in dem wenigen, was wir von ihm besitzen (eine einzige, wahrscheinlich von einem Copisten verfälschte Stelle ²⁹ abgerechnet), erwähnen ihrer nie. Das neue Zeichen kommt erst bei Geminus und Varro, kaum ein halbes

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/166>, abgerufen am 23.11.2024.