Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.das cinquecento, so ist die Epoche der größten Landschafter das 17te Jahrhundert. Bei dem immer mehr erkannten und sorgsamer beobachteten Reichthum der Natur konnte das Kunstgefühl sich über eine größere Mannigfaltigkeit von Gegenständen verbreiten; auch vermehrte sich zugleich die Vollkommenheit der technischen Darstellungsmittel. Beziehungen auf die Stimmung des Gemüths wurden inniger, und durch sie erhöhte sich der zarte und milde Ausdruck des Naturschönen, wie der Glaube an die Macht, mit welcher die Sinnenwelt uns anregen kann. Wenn diese Anregung, dem erhabenen Zwecke aller Kunst gemäß, die wirklichen Gegenstände in ein Object der Phantasie verwandelt, wenn sie harmonisch in unserm Inneren den Eindruck der Ruhe erzeugt, so ist der Genuß nicht ohne Rührung; sie ergreift das Herz, so oft wir in die Tiefen der Natur oder der Menschheit blicken.20 In ein Jahrhundert finden wir zusammengedrängt Claude Lorrain, den idyllischen Maler des Lichts und der duftigen Ferne, Ruysdael's dunkele Waldmassen und sein drohendes Gewölk, die heroischen Baumgestalten von Gaspard und Nicolaus Poussin, die naturwahren Darstellungen von Everdingen, Hobbema und Cuyp.21 In dieser glücklichen Entwicklungsperiode der Kunst ahmte man geistreich nach, was die Vegetation des Nordens von Europa, was das südliche Italien und die iberische Halbinsel darboten. Man schmückte die Landschaft mit Orangen- und Lorbeerbäumen, mit Pinien und Dattelpalmen. Die letzten (das einzige Glied dieser herrlichen Familie, das man außer der kleinen ursprünglich europäischen Strandpalme, Chamaerops. durch eigenen Anblick kannte) wurden meist conventionell mit schlangenartig schuppigem Stamme das cinquecento, so ist die Epoche der größten Landschafter das 17te Jahrhundert. Bei dem immer mehr erkannten und sorgsamer beobachteten Reichthum der Natur konnte das Kunstgefühl sich über eine größere Mannigfaltigkeit von Gegenständen verbreiten; auch vermehrte sich zugleich die Vollkommenheit der technischen Darstellungsmittel. Beziehungen auf die Stimmung des Gemüths wurden inniger, und durch sie erhöhte sich der zarte und milde Ausdruck des Naturschönen, wie der Glaube an die Macht, mit welcher die Sinnenwelt uns anregen kann. Wenn diese Anregung, dem erhabenen Zwecke aller Kunst gemäß, die wirklichen Gegenstände in ein Object der Phantasie verwandelt, wenn sie harmonisch in unserm Inneren den Eindruck der Ruhe erzeugt, so ist der Genuß nicht ohne Rührung; sie ergreift das Herz, so oft wir in die Tiefen der Natur oder der Menschheit blicken.20 In ein Jahrhundert finden wir zusammengedrängt Claude Lorrain, den idyllischen Maler des Lichts und der duftigen Ferne, Ruysdael's dunkele Waldmassen und sein drohendes Gewölk, die heroischen Baumgestalten von Gaspard und Nicolaus Poussin, die naturwahren Darstellungen von Everdingen, Hobbema und Cuyp.21 In dieser glücklichen Entwicklungsperiode der Kunst ahmte man geistreich nach, was die Vegetation des Nordens von Europa, was das südliche Italien und die iberische Halbinsel darboten. Man schmückte die Landschaft mit Orangen- und Lorbeerbäumen, mit Pinien und Dattelpalmen. 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das cinquecento, so ist die Epoche der größten Landschafter das 17te Jahrhundert. Bei dem immer mehr erkannten und sorgsamer beobachteten Reichthum der Natur konnte das Kunstgefühl sich über eine größere Mannigfaltigkeit von Gegenständen verbreiten; auch vermehrte sich zugleich die Vollkommenheit der technischen Darstellungsmittel. Beziehungen auf die Stimmung des Gemüths wurden inniger, und durch sie erhöhte sich der zarte und milde Ausdruck des Naturschönen, wie der Glaube an die Macht, mit welcher die Sinnenwelt uns anregen kann. Wenn diese Anregung, dem erhabenen Zwecke aller Kunst gemäß, die wirklichen Gegenstände in ein Object der Phantasie verwandelt, wenn sie harmonisch in unserm Inneren den Eindruck der Ruhe erzeugt, so ist der Genuß nicht ohne Rührung; sie ergreift das Herz, so oft wir in die Tiefen der Natur oder der Menschheit blicken.
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In ein Jahrhundert finden wir zusammengedrängt Claude Lorrain, den idyllischen Maler des Lichts und der duftigen Ferne, Ruysdael's dunkele Waldmassen und sein drohendes Gewölk, die heroischen Baumgestalten von Gaspard und Nicolaus Poussin, die naturwahren Darstellungen von Everdingen, Hobbema und Cuyp.
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In dieser glücklichen Entwicklungsperiode der Kunst ahmte man geistreich nach, was die Vegetation des Nordens von Europa, was das südliche Italien und die iberische Halbinsel darboten. Man schmückte die Landschaft mit Orangen- und Lorbeerbäumen, mit Pinien und Dattelpalmen. Die letzten (das einzige Glied dieser herrlichen Familie, das man außer der kleinen ursprünglich europäischen Strandpalme, Chamaerops. durch eigenen Anblick kannte) wurden meist conventionell mit schlangenartig schuppigem Stamme
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