Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.an alle Gefahren, die in solchen Klimaten Wenige unter ihnen getheilt; ja die Langsamkeit der Schiffahrt und der Mangel an Verbindungsmitteln ließ die indischen Länder (so nannte man die ganze Tropen-Zone) wie in einer unabsehbaren Ferne erscheinen. Columbus2 hatte noch nicht das Recht gehabt der Königinn Isabella zu schreiben: "die Erde ist nicht gar groß, viel kleiner denn das Volk es wähnt". In Hinsicht auf Composition hatten demnach die vergessenen Reisen des Mittelalters, die wir hier schildern, bei aller Dürftigkeit des Materials viele Vorzüge vor unseren meisten neueren Reisen. Sie hatten die Einheit, welche jedes Kunstwerk erfordert: alles war an eine Handlung geknüpft, alles der Reisebegebenheit selbst untergeordnet. Das Interesse entstand aus der einfachen, lebendigen, meist für glaubwürdig gehaltenen Erzählung überwundener Schwierigkeiten. Christliche Reisende, unbekannt mit dem, was Araber, spanische Juden und buddhistische Missionare vor ihnen gethan, rühmten sich alles zuerst gesehen und beschrieben zu haben. Bei der Dunkelheit, in welche der Orient und Inner-Asien gehüllt erschienen, vermehrte die Ferne selbst die Größe einzelner Gestalten. Eine solche Einheit der Composition fehlt meist den neueren Reisen, besonders denen, welche wissenschaftliche Zwecke verfolgen. Die Handlung steht dann den Beobachtungen nach, sie verschwindet in der Fülle derselben. Nur mühselige, wenn gleich wenig belehrende Bergbesteigungen und vor allem kühne Seefahrten, eigentliche Entdeckungsreisen in wenig erforschten Meeren oder der Aufenthalt in der schauervollen Oede der beeisten Polarzone gewähren ein dramatisches Interesse, wie die Möglichkeit einer individualisirenden Darstellung. Die Einsamkeit an alle Gefahren, die in solchen Klimaten Wenige unter ihnen getheilt; ja die Langsamkeit der Schiffahrt und der Mangel an Verbindungsmitteln ließ die indischen Länder (so nannte man die ganze Tropen-Zone) wie in einer unabsehbaren Ferne erscheinen. Columbus2 hatte noch nicht das Recht gehabt der Königinn Isabella zu schreiben: „die Erde ist nicht gar groß, viel kleiner denn das Volk es wähnt". In Hinsicht auf Composition hatten demnach die vergessenen Reisen des Mittelalters, die wir hier schildern, bei aller Dürftigkeit des Materials viele Vorzüge vor unseren meisten neueren Reisen. Sie hatten die Einheit, welche jedes Kunstwerk erfordert: alles war an eine Handlung geknüpft, alles der Reisebegebenheit selbst untergeordnet. Das Interesse entstand aus der einfachen, lebendigen, meist für glaubwürdig gehaltenen Erzählung überwundener Schwierigkeiten. Christliche Reisende, unbekannt mit dem, was Araber, spanische Juden und buddhistische Missionare vor ihnen gethan, rühmten sich alles zuerst gesehen und beschrieben zu haben. Bei der Dunkelheit, in welche der Orient und Inner-Asien gehüllt erschienen, vermehrte die Ferne selbst die Größe einzelner Gestalten. Eine solche Einheit der Composition fehlt meist den neueren Reisen, besonders denen, welche wissenschaftliche Zwecke verfolgen. Die Handlung steht dann den Beobachtungen nach, sie verschwindet in der Fülle derselben. Nur mühselige, wenn gleich wenig belehrende Bergbesteigungen und vor allem kühne Seefahrten, eigentliche Entdeckungsreisen in wenig erforschten Meeren oder der Aufenthalt in der schauervollen Oede der beeisten Polarzone gewähren ein dramatisches Interesse, wie die Möglichkeit einer individualisirenden Darstellung. Die Einsamkeit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0075" n="70"/> an alle Gefahren, die in solchen Klimaten Wenige unter ihnen getheilt; ja die Langsamkeit der Schiffahrt und der Mangel an Verbindungsmitteln ließ die <hi rendition="#g">indischen Länder</hi> (so nannte man die ganze Tropen-Zone) wie in einer unabsehbaren Ferne erscheinen. Columbus<note xml:id="ftn101" next="#ftn101-text" place="end" n="2"/> hatte noch nicht das Recht gehabt der Königinn Isabella zu schreiben: „die Erde ist nicht gar groß, viel kleiner denn das Volk es wähnt".</p> <p>In Hinsicht auf Composition hatten demnach die vergessenen Reisen des Mittelalters, die wir hier schildern, bei aller Dürftigkeit des Materials viele Vorzüge vor unseren meisten neueren Reisen. Sie hatten die Einheit, welche jedes Kunstwerk erfordert: alles war an eine <hi rendition="#g">Handlung</hi> geknüpft, alles der Reisebegebenheit selbst untergeordnet. Das Interesse entstand aus der einfachen, lebendigen, meist für glaubwürdig gehaltenen Erzählung überwundener Schwierigkeiten. Christliche Reisende, unbekannt mit dem, was Araber, spanische Juden und buddhistische Missionare vor ihnen gethan, rühmten sich alles zuerst gesehen und beschrieben zu haben. Bei der Dunkelheit, in welche der Orient und Inner-Asien gehüllt erschienen, vermehrte die Ferne selbst die Größe einzelner Gestalten. Eine solche Einheit der Composition fehlt meist den neueren Reisen, besonders denen, welche wissenschaftliche Zwecke verfolgen. Die Handlung steht dann den Beobachtungen nach, sie verschwindet in der Fülle derselben. Nur mühselige, wenn gleich wenig belehrende Bergbesteigungen und vor allem kühne Seefahrten, eigentliche Entdeckungsreisen in wenig erforschten Meeren oder der Aufenthalt in der schauervollen Oede der beeisten Polarzone gewähren ein dramatisches Interesse, wie die Möglichkeit einer individualisirenden Darstellung. Die Einsamkeit </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0075]
an alle Gefahren, die in solchen Klimaten Wenige unter ihnen getheilt; ja die Langsamkeit der Schiffahrt und der Mangel an Verbindungsmitteln ließ die indischen Länder (so nannte man die ganze Tropen-Zone) wie in einer unabsehbaren Ferne erscheinen. Columbus
²
hatte noch nicht das Recht gehabt der Königinn Isabella zu schreiben: „die Erde ist nicht gar groß, viel kleiner denn das Volk es wähnt".
In Hinsicht auf Composition hatten demnach die vergessenen Reisen des Mittelalters, die wir hier schildern, bei aller Dürftigkeit des Materials viele Vorzüge vor unseren meisten neueren Reisen. Sie hatten die Einheit, welche jedes Kunstwerk erfordert: alles war an eine Handlung geknüpft, alles der Reisebegebenheit selbst untergeordnet. Das Interesse entstand aus der einfachen, lebendigen, meist für glaubwürdig gehaltenen Erzählung überwundener Schwierigkeiten. Christliche Reisende, unbekannt mit dem, was Araber, spanische Juden und buddhistische Missionare vor ihnen gethan, rühmten sich alles zuerst gesehen und beschrieben zu haben. Bei der Dunkelheit, in welche der Orient und Inner-Asien gehüllt erschienen, vermehrte die Ferne selbst die Größe einzelner Gestalten. Eine solche Einheit der Composition fehlt meist den neueren Reisen, besonders denen, welche wissenschaftliche Zwecke verfolgen. Die Handlung steht dann den Beobachtungen nach, sie verschwindet in der Fülle derselben. Nur mühselige, wenn gleich wenig belehrende Bergbesteigungen und vor allem kühne Seefahrten, eigentliche Entdeckungsreisen in wenig erforschten Meeren oder der Aufenthalt in der schauervollen Oede der beeisten Polarzone gewähren ein dramatisches Interesse, wie die Möglichkeit einer individualisirenden Darstellung. Die Einsamkeit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |