Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.in dem dürren und felsigen Theile von Palästina geeignet solche Beobachtungen anzuregen. Auch an Mannigfaltigkeit der Form fehlt es der dichterischen Litteratur der Hebräer nicht. Während von Josua bis Samuel die Poesie eine kriegerische Begeisterung athmet, bietet das kleine Buch der ährenlesenden Ruth ein Naturgemälde dar von der naivesten Einfachheit und von unaussprechlichem Reize. Göthe72 in der Epoche seines Enthusiasmus für das Morgenland nennt es "das lieblichste, das uns episch und idyllisch überliefert worden ist". Selbst in den neueren Zeiten, in den ersten Denkmalen der Litteratur der Araber, bemerkt man einen schwachen Abglanz der großartigen Naturanschauung, welche dem semitischen Stamme so früh eigenthümlich war. Ich erinnere an die malerische Schilderung des beduinischen Wüstenlebens, die der Grammatiker Asmai an den großen Namen Antars geknüpft und mit anderen vormohammedanischen Sagen ritterlicher Thaten zu einem großen Werke verschmolzen hat. Die Hauptperson dieser romantischen Novelle ist derselbe Antar aus dem Stamme Abs, Sohn des fürstlichen Häuptlings Scheddad und einer schwarzen Sklavinn, dessen Verse unter den in der Kaaba aufgehangenen Preisgedichten (moallakat) bewahrt werden. Der gelehrte englische Uebersetzer Terrick Hamilton hat selbst schon auf die biblischen Anklänge des Styls im Antar aufmerksam gemacht.73 Den Sohn der Wüste läßt Asmai nach Constantinopel reisen, wodurch ein malerischer Gegensatz von griechischer Cultur und nomadischer Roheit herbeigeführt wird. Daß in der frühesten arabischen Dichtung die Naturschilderung des Bodens nur einen sehr geringen Raum ein- in dem dürren und felsigen Theile von Palästina geeignet solche Beobachtungen anzuregen. Auch an Mannigfaltigkeit der Form fehlt es der dichterischen Litteratur der Hebräer nicht. Während von Josua bis Samuel die Poesie eine kriegerische Begeisterung athmet, bietet das kleine Buch der ährenlesenden Ruth ein Naturgemälde dar von der naivesten Einfachheit und von unaussprechlichem Reize. Göthe72 in der Epoche seines Enthusiasmus für das Morgenland nennt es „das lieblichste, das uns episch und idyllisch überliefert worden ist". Selbst in den neueren Zeiten, in den ersten Denkmalen der Litteratur der Araber, bemerkt man einen schwachen Abglanz der großartigen Naturanschauung, welche dem semitischen Stamme so früh eigenthümlich war. Ich erinnere an die malerische Schilderung des beduinischen Wüstenlebens, die der Grammatiker Asmai an den großen Namen Antars geknüpft und mit anderen vormohammedanischen Sagen ritterlicher Thaten zu einem großen Werke verschmolzen hat. Die Hauptperson dieser romantischen Novelle ist derselbe Antar aus dem Stamme Abs, Sohn des fürstlichen Häuptlings Scheddad und einer schwarzen Sklavinn, dessen Verse unter den in der Kaaba aufgehangenen Preisgedichten (moallakât) bewahrt werden. Der gelehrte englische Uebersetzer Terrick Hamilton hat selbst schon auf die biblischen Anklänge des Styls im Antar aufmerksam gemacht.73 Den Sohn der Wüste läßt Asmai nach Constantinopel reisen, wodurch ein malerischer Gegensatz von griechischer Cultur und nomadischer Roheit herbeigeführt wird. Daß in der frühesten arabischen Dichtung die Naturschilderung des Bodens nur einen sehr geringen Raum ein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0054" n="49"/> in dem dürren und felsigen Theile von Palästina geeignet solche Beobachtungen anzuregen. Auch an Mannigfaltigkeit der Form fehlt es der dichterischen Litteratur der Hebräer nicht. 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in dem dürren und felsigen Theile von Palästina geeignet solche Beobachtungen anzuregen. Auch an Mannigfaltigkeit der Form fehlt es der dichterischen Litteratur der Hebräer nicht. Während von Josua bis Samuel die Poesie eine kriegerische Begeisterung athmet, bietet das kleine Buch der ährenlesenden Ruth ein Naturgemälde dar von der naivesten Einfachheit und von unaussprechlichem Reize. Göthe
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in der Epoche seines Enthusiasmus für das Morgenland nennt es „das lieblichste, das uns episch und idyllisch überliefert worden ist".
Selbst in den neueren Zeiten, in den ersten Denkmalen der Litteratur der Araber, bemerkt man einen schwachen Abglanz der großartigen Naturanschauung, welche dem semitischen Stamme so früh eigenthümlich war. Ich erinnere an die malerische Schilderung des beduinischen Wüstenlebens, die der Grammatiker Asmai an den großen Namen Antars geknüpft und mit anderen vormohammedanischen Sagen ritterlicher Thaten zu einem großen Werke verschmolzen hat. Die Hauptperson dieser romantischen Novelle ist derselbe Antar aus dem Stamme Abs, Sohn des fürstlichen Häuptlings Scheddad und einer schwarzen Sklavinn, dessen Verse unter den in der Kaaba aufgehangenen Preisgedichten (moallakât) bewahrt werden. Der gelehrte englische Uebersetzer Terrick Hamilton hat selbst schon auf die biblischen Anklänge des Styls im Antar aufmerksam gemacht.
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Den Sohn der Wüste läßt Asmai nach Constantinopel reisen, wodurch ein malerischer Gegensatz von griechischer Cultur und nomadischer Roheit herbeigeführt wird. Daß in der frühesten arabischen Dichtung die Naturschilderung des Bodens nur einen sehr geringen Raum ein-
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/54>, abgerufen am 16.07.2024. |