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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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Bearbeitung des Buchs sich bis in das quartum novennium verzögert habe, sagt Copernicus selbst in der Zueignung an Pabst Paul III. Wenn man nun bedenkt, wie viel Zeit zum Druck einer 400 Seiten langen Schrift erforderlich war und daß der große Mann schon im Mai 1543 starb, so ist zu vermuthen, daß die Zueignung nicht im zuletzt genannten Jahre geschrieben ist: woraus dann für den Anfang der Bearbeitung sich uns (36 Jahre zurückrechnend) nicht ein späteres, sondern ein früheres Jahr als 1507 ergiebt. -- Daß die zu Frauenburg dem Copernicus allgemein zugeschriebene Wasserleitung nach seinen Entwürfen ausgeführt worden sei, bezweifelt Herr Voigt. Er findet, daß erst 1571 zwischen dem Domcapitel und dem "kunstreichen Meister Valentin Zendel, Rohrmeister in Breslau", ein Contract geschlossen wurde, um das Wasser zu Frauenburg aus dem Mühlgraben in die Wohnungen der Domherren zu leiten. Von einer früher vorhandenen Wasserleitung ist keine Rede. Die jetzige ist also erst 28 Jahre nach dem Tode des Copernicus entstanden.
23 (S. 345.) Delambre, Histoire de l'Astronomie moderne T. I. p. 140.
24 (S. 345.) Neque enim necesse est, eas hypotheses esse veras, imo ne verisimiles quidem, sed sufficit hoc unum, si calculum observationibus congruentem exhibeant: sagt der Vorbericht des Osiander. "Der Bischof von Culm Tidemann Gise, aus Danzig gebürtig, welcher Jahre lang den Copernicus wegen der Herausgabe seines Werkes bedrängte, erhielt endlich das Manuscript mit dem Auftrage, es ganz nach seiner freien Wahl zum Druck zu befördern. Er schickte dasselbe zuerst an den Rhäticus, Professor in Wittenberg, der kurz vorher lange bei seinem Lehrer in Frauenburg gelebt hatte. Rhäticus hielt Nürnberg geeigneter für die Herausgabe und trug die Besorgung des Druckes dem dortigen Professor Schoner und dem Andreas Osiander auf." (Gassendi, Vita Copernici p. 319.) Die Lobsprüche, welche am Ende des Vorberichts dem Werke des Copernicus ertheilt werden, hätten auch schon, ohne das ausdrückliche Zeugniß des Gassendi, darauf führen müssen, daß der Vorbericht von fremder Hand sei. Auch auf dem Titel der ersten Ausgabe, der von Nürnberg von 1543, hat Osiander den in allem, was Copernicus selbst geschrieben, sorgfältig vermiedenen Ausdruck: motus stellarum novis insuper ac
Bearbeitung des Buchs sich bis in das quartum novennium verzögert habe, sagt Copernicus selbst in der Zueignung an Pabst Paul III. Wenn man nun bedenkt, wie viel Zeit zum Druck einer 400 Seiten langen Schrift erforderlich war und daß der große Mann schon im Mai 1543 starb, so ist zu vermuthen, daß die Zueignung nicht im zuletzt genannten Jahre geschrieben ist: woraus dann für den Anfang der Bearbeitung sich uns (36 Jahre zurückrechnend) nicht ein späteres, sondern ein früheres Jahr als 1507 ergiebt. — Daß die zu Frauenburg dem Copernicus allgemein zugeschriebene Wasserleitung nach seinen Entwürfen ausgeführt worden sei, bezweifelt Herr Voigt. Er findet, daß erst 1571 zwischen dem Domcapitel und dem „kunstreichen Meister Valentin Zendel, Rohrmeister in Breslau", ein Contract geschlossen wurde, um das Wasser zu Frauenburg aus dem Mühlgraben in die Wohnungen der Domherren zu leiten. Von einer früher vorhandenen Wasserleitung ist keine Rede. Die jetzige ist also erst 28 Jahre nach dem Tode des Copernicus entstanden.
23 (S. 345.) Delambre, Histoire de l'Astronomie moderne T. I. p. 140.
24 (S. 345.) Neque enim necesse est, eas hypotheses esse veras, imo ne verisimiles quidem, sed sufficit hoc unum, si calculum observationibus congruentem exhibeant: sagt der Vorbericht des Osiander. „Der Bischof von Culm Tidemann Gise, aus Danzig gebürtig, welcher Jahre lang den Copernicus wegen der Herausgabe seines Werkes bedrängte, erhielt endlich das Manuscript mit dem Auftrage, es ganz nach seiner freien Wahl zum Druck zu befördern. Er schickte dasselbe zuerst an den Rhäticus, Professor in Wittenberg, der kurz vorher lange bei seinem Lehrer in Frauenburg gelebt hatte. Rhäticus hielt Nürnberg geeigneter für die Herausgabe und trug die Besorgung des Druckes dem dortigen Professor Schoner und dem Andreas Osiander auf." (Gassendi, Vita Copernici p. 319.) Die Lobsprüche, welche am Ende des Vorberichts dem Werke des Copernicus ertheilt werden, hätten auch schon, ohne das ausdrückliche Zeugniß des Gassendi, darauf führen müssen, daß der Vorbericht von fremder Hand sei. Auch auf dem Titel der ersten Ausgabe, der von Nürnberg von 1543, hat Osiander den in allem, was Copernicus selbst geschrieben, sorgfältig vermiedenen Ausdruck: motus stellarum novis insuper ac
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[498/0503] ²² Bearbeitung des Buchs sich bis in das quartum novennium verzögert habe, sagt Copernicus selbst in der Zueignung an Pabst Paul III. Wenn man nun bedenkt, wie viel Zeit zum Druck einer 400 Seiten langen Schrift erforderlich war und daß der große Mann schon im Mai 1543 starb, so ist zu vermuthen, daß die Zueignung nicht im zuletzt genannten Jahre geschrieben ist: woraus dann für den Anfang der Bearbeitung sich uns (36 Jahre zurückrechnend) nicht ein späteres, sondern ein früheres Jahr als 1507 ergiebt. — Daß die zu Frauenburg dem Copernicus allgemein zugeschriebene Wasserleitung nach seinen Entwürfen ausgeführt worden sei, bezweifelt Herr Voigt. Er findet, daß erst 1571 zwischen dem Domcapitel und dem „kunstreichen Meister Valentin Zendel, Rohrmeister in Breslau", ein Contract geschlossen wurde, um das Wasser zu Frauenburg aus dem Mühlgraben in die Wohnungen der Domherren zu leiten. Von einer früher vorhandenen Wasserleitung ist keine Rede. Die jetzige ist also erst 28 Jahre nach dem Tode des Copernicus entstanden. ²³ (S. 345.) Delambre, Histoire de l'Astronomie moderne T. I. p. 140. ²⁴ (S. 345.) Neque enim necesse est, eas hypotheses esse veras, imo ne verisimiles quidem, sed sufficit hoc unum, si calculum observationibus congruentem exhibeant: sagt der Vorbericht des Osiander. „Der Bischof von Culm Tidemann Gise, aus Danzig gebürtig, welcher Jahre lang den Copernicus wegen der Herausgabe seines Werkes bedrängte, erhielt endlich das Manuscript mit dem Auftrage, es ganz nach seiner freien Wahl zum Druck zu befördern. Er schickte dasselbe zuerst an den Rhäticus, Professor in Wittenberg, der kurz vorher lange bei seinem Lehrer in Frauenburg gelebt hatte. Rhäticus hielt Nürnberg geeigneter für die Herausgabe und trug die Besorgung des Druckes dem dortigen Professor Schoner und dem Andreas Osiander auf." (Gassendi, Vita Copernici p. 319.) Die Lobsprüche, welche am Ende des Vorberichts dem Werke des Copernicus ertheilt werden, hätten auch schon, ohne das ausdrückliche Zeugniß des Gassendi, darauf führen müssen, daß der Vorbericht von fremder Hand sei. Auch auf dem Titel der ersten Ausgabe, der von Nürnberg von 1543, hat Osiander den in allem, was Copernicus selbst geschrieben, sorgfältig vermiedenen Ausdruck: motus stellarum novis insuper ac

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/503>, abgerufen am 12.05.2024.