Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.welchem ungeheure Heerden umherschwärmen, der Zähmung fähig ist und viel Milch giebt. Wenig beachtet ist die Nachricht, die man in Gomara (Historia gen. de las Indias cap. 214) liest und nach der im Nordwesten von Mexico unter 40° Breite noch im 16ten Jahrhunderte ein Volksstamm lebte, dessen größter Reichthum in Heerden gezähmter Bisons (bueyes con una giba) bestand. Von diesen Thieren erhielten die Eingeborenen Stoff zur Bekleidung, Speise und Trank, wahrscheinlich Blut (Prescott, Conquest of Mexico Vol. III. p. 416); denn die Abneigung gegen Milch, oder wenigstens der Nichtgebrauch derselben, scheint, vor der Ankunft der Europäer, allen Eingeborenen des Neuen Continents mit den Bewohnern von China und Cochinchina gemein gewesen zu sein. Allerdings gab es von je her in dem gebirgigen Theile von Quito, Peru und Chili Heerden zahmer Lamas. Diese Heerden waren aber der Reichthum von Völkern, welche angesiedelt sich mit der Cultur des Bodens beschäftigten; in den Cordilleren von Südamerika fand man keine Hirtenvölker, kein Hirtenleben. Was sind die "gezähmten Hirsche" bei der Punta de S. Helena, deren ich Erwähnung finde in Herrera Dec. II. lib. X cap. 6 (T. I. p. 471, ed. Amberes 1728)? Diese Hirsche sollen Milch und Käse gegeben haben: ciervos que dan leche y queso y se crian en casa! Aus welcher Quelle ist diese Notiz geschöpft? Sie kann aus keiner Verwechselung mit den geweih- und hornlosen Lamas der kalten Bergregion entstanden sein, von denen Garcilaso (Comment. reales P. I. lib. V cap. 2, p. 133) behauptet, daß sie in Peru, besonders auf der Hochebene des Collao, zum Pflügen gebraucht wurden. (Vergl. auch Pedro de Cieca de Leon, Chronica del Peru, Sevilla 1553, cap. 110 p. 264) Diese Anwendung scheint wohl nur eine seltene Ausnahme, eine Localsitte gewesen zu sein. Denn im allgemeinen war der amerikanische Menschenstamm durch Mangel von Hausthieren charakterisirt, was auf das Familienleben tief einwirkte. 16 (S. 338.) Ueber die Hoffnung, welche Luther bei der Ausführung seines großen freisinnigen Werkes zuerst vorzugsweise auf die jüngere Generation, auf die Jugend Deutschlands setzte, s. die merkwürdigen Aeußerungen in einem Briefe vom Monat Junius 1518 (Neander de Vicelio p. 7). 17 (S. 339.) Ich habe an einem anderen Orte gezeigt, wie welchem ungeheure Heerden umherschwärmen, der Zähmung fähig ist und viel Milch giebt. Wenig beachtet ist die Nachricht, die man in Gomara (Historia gen. de las Indias cap. 214) liest und nach der im Nordwesten von Mexico unter 40° Breite noch im 16ten Jahrhunderte ein Volksstamm lebte, dessen größter Reichthum in Heerden gezähmter Bisons (bueyes con una giba) bestand. Von diesen Thieren erhielten die Eingeborenen Stoff zur Bekleidung, Speise und Trank, wahrscheinlich Blut (Prescott, Conquest of Mexico Vol. III. p. 416); denn die Abneigung gegen Milch, oder wenigstens der Nichtgebrauch derselben, scheint, vor der Ankunft der Europäer, allen Eingeborenen des Neuen Continents mit den Bewohnern von China und Cochinchina gemein gewesen zu sein. Allerdings gab es von je her in dem gebirgigen Theile von Quito, Peru und Chili Heerden zahmer Lamas. Diese Heerden waren aber der Reichthum von Völkern, welche angesiedelt sich mit der Cultur des Bodens beschäftigten; in den Cordilleren von Südamerika fand man keine Hirtenvölker, kein Hirtenleben. Was sind die „gezähmten Hirsche" bei der Punta de S. Helena, deren ich Erwähnung finde in Herrera Dec. II. lib. X cap. 6 (T. I. p. 471, ed. Amberes 1728)? Diese Hirsche sollen Milch und Käse gegeben haben: ciervos que dan leche y queso y se crian en casa! Aus welcher Quelle ist diese Notiz geschöpft? Sie kann aus keiner Verwechselung mit den geweih- und hornlosen Lamas der kalten Bergregion entstanden sein, von denen Garcilaso (Comment. reales P. I. lib. V cap. 2, p. 133) behauptet, daß sie in Peru, besonders auf der Hochebene des Collao, zum Pflügen gebraucht wurden. (Vergl. auch Pedro de Cieça de Leon, Chronica del Peru, Sevilla 1553, cap. 110 p. 264) Diese Anwendung scheint wohl nur eine seltene Ausnahme, eine Localsitte gewesen zu sein. Denn im allgemeinen war der amerikanische Menschenstamm durch Mangel von Hausthieren charakterisirt, was auf das Familienleben tief einwirkte. 16 (S. 338.) Ueber die Hoffnung, welche Luther bei der Ausführung seines großen freisinnigen Werkes zuerst vorzugsweise auf die jüngere Generation, auf die Jugend Deutschlands setzte, s. die merkwürdigen Aeußerungen in einem Briefe vom Monat Junius 1518 (Neander de Vicelio p. 7). 17 (S. 339.) 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Allerdings gab es von je her in dem gebirgigen Theile von Quito, Peru und Chili Heerden zahmer Lamas. Diese Heerden waren aber der Reichthum von Völkern, welche angesiedelt sich mit der Cultur des Bodens beschäftigten; in den Cordilleren von Südamerika fand man keine <hi rendition="#g">Hirtenvölker,</hi> kein <hi rendition="#g">Hirtenleben.</hi> Was sind die „gezähmten Hirsche" bei der Punta de S. Helena, deren ich Erwähnung finde in <hi rendition="#g">Herrera</hi> Dec. II. lib. X cap. 6 (T. I. p. 471, ed. Amberes 1728)? Diese Hirsche sollen Milch und Käse gegeben haben: ciervos que dan leche y queso y se crian en casa! Aus welcher Quelle ist diese Notiz geschöpft? Sie kann aus keiner Verwechselung mit den geweih- und hornlosen Lamas der kalten Bergregion entstanden sein, von denen <hi rendition="#g">Garcilaso (Comment. reales</hi> P. I. lib. V cap. 2, p. 133) behauptet, daß sie in Peru, besonders auf der Hochebene des Collao, zum Pflügen gebraucht wurden. 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¹⁵ welchem ungeheure Heerden umherschwärmen, der Zähmung fähig ist und viel Milch giebt. Wenig beachtet ist die Nachricht, die man in Gomara (Historia gen. de las Indias cap. 214) liest und nach der im Nordwesten von Mexico unter 40° Breite noch im 16ten Jahrhunderte ein Volksstamm lebte, dessen größter Reichthum in Heerden gezähmter Bisons (bueyes con una giba) bestand. Von diesen Thieren erhielten die Eingeborenen Stoff zur Bekleidung, Speise und Trank, wahrscheinlich Blut (Prescott, Conquest of Mexico Vol. III. p. 416); denn die Abneigung gegen Milch, oder wenigstens der Nichtgebrauch derselben, scheint, vor der Ankunft der Europäer, allen Eingeborenen des Neuen Continents mit den Bewohnern von China und Cochinchina gemein gewesen zu sein. Allerdings gab es von je her in dem gebirgigen Theile von Quito, Peru und Chili Heerden zahmer Lamas. Diese Heerden waren aber der Reichthum von Völkern, welche angesiedelt sich mit der Cultur des Bodens beschäftigten; in den Cordilleren von Südamerika fand man keine Hirtenvölker, kein Hirtenleben. Was sind die „gezähmten Hirsche" bei der Punta de S. Helena, deren ich Erwähnung finde in Herrera Dec. II. lib. X cap. 6 (T. I. p. 471, ed. Amberes 1728)? Diese Hirsche sollen Milch und Käse gegeben haben: ciervos que dan leche y queso y se crian en casa! Aus welcher Quelle ist diese Notiz geschöpft? Sie kann aus keiner Verwechselung mit den geweih- und hornlosen Lamas der kalten Bergregion entstanden sein, von denen Garcilaso (Comment. reales P. I. lib. V cap. 2, p. 133) behauptet, daß sie in Peru, besonders auf der Hochebene des Collao, zum Pflügen gebraucht wurden. (Vergl. auch Pedro de Cieça de Leon, Chronica del Peru, Sevilla 1553, cap. 110 p. 264) Diese Anwendung scheint wohl nur eine seltene Ausnahme, eine Localsitte gewesen zu sein. Denn im allgemeinen war der amerikanische Menschenstamm durch Mangel von Hausthieren charakterisirt, was auf das Familienleben tief einwirkte.
¹⁶ (S. 338.) Ueber die Hoffnung, welche Luther bei der Ausführung seines großen freisinnigen Werkes zuerst vorzugsweise auf die jüngere Generation, auf die Jugend Deutschlands setzte, s. die merkwürdigen Aeußerungen in einem Briefe vom Monat Junius 1518 (Neander de Vicelio p. 7).
¹⁷ (S. 339.) Ich habe an einem anderen Orte gezeigt, wie
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