Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.solcher Zeichen oder Thürme kenntlich gemacht werden: was allerdings kein kleines Unternehmen gewesen wäre! 92 (S. 319.) Sehr bemerkenswerth scheint mir zu sein, daß der früheste classische Schriftsteller über den Erdmagnetismus, William Gilbert, bei welchem man nicht die geringste Kenntniß der chinesischen Litteratur vermuthen kann, doch den Seecompaß für eine chinesische Erfindung hält, die Marco Polo nach Europa gebracht habe: Illa quidem pyxide nihil unquam humanis excogitatum artibus humano generi profuisse magis, constat. Scientia nauticae pyxidulae traducta videtur in Italiam per Paulum Venetum, qui circa annum MCCLX apud Chinas artem pyxidis didicit." (Guilielmi Gilberti Colcestrensis, Medici Londinensis, de Magnete Physiologia nova, Lond. 1600 p. 4.) Die Einführung durch Marco Polo, dessen Reisen in die Jahre 1271-1295 fallen, der also nach Italien zurückkehrte, als Guyot de Provins in seinem Gedichte des Seecompasses, wie Jacques de Vitry und Dante, als eines längst bekannten Instrumentes gedacht hatten, ist durch nichts begründet. Ehe Marco Polo abreiste, schon in der Mitte des 13ten Jahrhunderts, bedienten sich Catalanen und Basken des Seecompasses. (S. Raymundus Lullus in der Abhandlung de contemplatione, die 1272 geschrieben ist.) 93 (S. 321.) Das Zeugniß über den sterbenden Sebastian Cabot s. in der mit vieler historischer Kritik abgefaßten Schrift von Biddle, Memoir of Seb. Cabot p. 222. "Man kennt", sagt Biddle, "mit Genauigkeit weder das Todesjahr noch den Begräbnißort des großen Seefahrers, der Großbritannien fast einen Continent geschenkt und ohne den (wie ohne Sir Walter Ralegh) vielleicht die englische Sprache nicht von vielen Millionen der Bewohner Amerika's gesprochen würde." -- Ueber die Materialien, nach denen die Variations-Carte des Alonso de Sta. Cruz construirt war, wie über die Variations-Compasse, deren Vorrichtung schon zugleich erlaubte Sonnenhöhen zu nehmen, s. Navarrete, Noticia biografica del Cosmografo Alonso de Santa Cruz p. 3-8. Der erste Variations-Compaß war schon vor 1525 von einem kunstreichen Apotheker aus Sevilla, Felipe Guillen, zu Stande gebracht. Das Bestreben die Richtung der magnetischen Declinations-Curven genauer kennen zu lernen war so groß, daß 1585 Juan Jayme mit Francisco Gali bloß deshalb von Manila nach Acapulco schiffte, um ein von ihm erfundenes solcher Zeichen oder Thürme kenntlich gemacht werden: was allerdings kein kleines Unternehmen gewesen wäre! 92 (S. 319.) Sehr bemerkenswerth scheint mir zu sein, daß der früheste classische Schriftsteller über den Erdmagnetismus, William Gilbert, bei welchem man nicht die geringste Kenntniß der chinesischen Litteratur vermuthen kann, doch den Seecompaß für eine chinesische Erfindung hält, die Marco Polo nach Europa gebracht habe: Illa quidem pyxide nihil unquam humanis excogitatum artibus humano generi profuisse magis, constat. Scientia nauticae pyxidulae traducta videtur in Italiam per Paulum Venetum, qui circa annum MCCLX apud Chinas artem pyxidis didicit.« (Guilielmi Gilberti Colcestrensis, Medici Londinensis, de Magnete Physiologia nova, Lond. 1600 p. 4.) Die Einführung durch Marco Polo, dessen Reisen in die Jahre 1271–1295 fallen, der also nach Italien zurückkehrte, als Guyot de Provins in seinem Gedichte des Seecompasses, wie Jacques de Vitry und Dante, als eines längst bekannten Instrumentes gedacht hatten, ist durch nichts begründet. Ehe Marco Polo abreiste, schon in der Mitte des 13ten Jahrhunderts, bedienten sich Catalanen und Basken des Seecompasses. (S. Raymundus Lullus in der Abhandlung de contemplatione, die 1272 geschrieben ist.) 93 (S. 321.) Das Zeugniß über den sterbenden Sebastian Cabot s. in der mit vieler historischer Kritik abgefaßten Schrift von Biddle, Memoir of Seb. Cabot p. 222. „Man kennt", sagt Biddle, „mit Genauigkeit weder das Todesjahr noch den Begräbnißort des großen Seefahrers, der Großbritannien fast einen Continent geschenkt und ohne den (wie ohne Sir Walter Ralegh) vielleicht die englische Sprache nicht von vielen Millionen der Bewohner Amerika's gesprochen würde." — Ueber die Materialien, nach denen die Variations-Carte des Alonso de Sta. Cruz construirt war, wie über die Variations-Compasse, deren Vorrichtung schon zugleich erlaubte Sonnenhöhen zu nehmen, s. Navarrete, Noticia biografica del Cosmografo Alonso de Santa Cruz p. 3–8. Der erste Variations-Compaß war schon vor 1525 von einem kunstreichen Apotheker aus Sevilla, Felipe Guillen, zu Stande gebracht. Das Bestreben die Richtung der magnetischen Declinations-Curven genauer kennen zu lernen war so groß, daß 1585 Juan Jayme mit Francisco Gali bloß deshalb von Manila nach Acapulco schiffte, um ein von ihm erfundenes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <note xml:id="ftn430-text" prev="ftn430" place="end" n="91"><pb facs="#f0487" n="482"/> solcher Zeichen oder Thürme kenntlich gemacht werden: was allerdings kein kleines Unternehmen gewesen wäre!</note> <note xml:id="ftn431-text" prev="ftn431" place="end" n="92"> (S. 319.) Sehr bemerkenswerth scheint mir zu sein, daß der früheste classische Schriftsteller über den Erdmagnetismus, William Gilbert, bei welchem man nicht die geringste Kenntniß der chinesischen Litteratur vermuthen kann, doch den Seecompaß für eine chinesische Erfindung hält, die Marco Polo nach Europa gebracht habe: Illa quidem pyxide nihil unquam humanis excogitatum artibus humano generi profuisse magis, constat. Scientia nauticae pyxidulae traducta videtur in Italiam per Paulum Venetum, qui circa annum MCCLX apud Chinas artem pyxidis didicit.« (Guilielmi <hi rendition="#g">Gilberti</hi> Colcestrensis, Medici Londinensis, <hi rendition="#g">de Magnete Physiologia nova,</hi> Lond. 1600 p. 4.) Die Einführung durch Marco Polo, dessen Reisen in die Jahre 1271–1295 fallen, der also nach Italien zurückkehrte, als Guyot de Provins in seinem Gedichte des Seecompasses, wie Jacques de Vitry und Dante, als eines längst bekannten Instrumentes gedacht hatten, ist durch nichts begründet. Ehe Marco Polo abreiste, schon in der Mitte des 13ten Jahrhunderts, bedienten sich Catalanen und Basken des Seecompasses. (S. Raymundus <hi rendition="#g">Lullus</hi> in der Abhandlung <hi rendition="#g">de contemplatione,</hi> die 1272 geschrieben ist.)</note> <note xml:id="ftn432-text" prev="ftn432" place="end" n="93"> (S. 321.) Das Zeugniß über den sterbenden Sebastian Cabot s. in der mit vieler historischer Kritik abgefaßten Schrift von <hi rendition="#g">Biddle, Memoir of Seb. Cabot</hi> p. 222. „Man kennt", sagt Biddle, „mit Genauigkeit weder das Todesjahr noch den Begräbnißort des großen Seefahrers, der Großbritannien fast einen Continent geschenkt und ohne den (wie ohne Sir Walter Ralegh) vielleicht die englische Sprache nicht von vielen Millionen der Bewohner Amerika's gesprochen würde." — Ueber die Materialien, nach denen die Variations-Carte des Alonso de Sta. Cruz construirt war, wie über die Variations-Compasse, deren Vorrichtung schon zugleich erlaubte Sonnenhöhen zu nehmen, s. <hi rendition="#g">Navarrete, Noticia biografica del Cosmografo Alonso de Santa Cruz</hi> p. 3–8. Der erste Variations-Compaß war schon vor 1525 von einem kunstreichen Apotheker aus Sevilla, Felipe Guillen, zu Stande gebracht. Das Bestreben die Richtung der magnetischen Declinations-Curven genauer kennen zu lernen war so groß, daß 1585 Juan Jayme mit Francisco Gali bloß deshalb von Manila nach Acapulco schiffte, um ein von ihm erfundenes </note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [482/0487]
⁹¹ solcher Zeichen oder Thürme kenntlich gemacht werden: was allerdings kein kleines Unternehmen gewesen wäre!
⁹² (S. 319.) Sehr bemerkenswerth scheint mir zu sein, daß der früheste classische Schriftsteller über den Erdmagnetismus, William Gilbert, bei welchem man nicht die geringste Kenntniß der chinesischen Litteratur vermuthen kann, doch den Seecompaß für eine chinesische Erfindung hält, die Marco Polo nach Europa gebracht habe: Illa quidem pyxide nihil unquam humanis excogitatum artibus humano generi profuisse magis, constat. Scientia nauticae pyxidulae traducta videtur in Italiam per Paulum Venetum, qui circa annum MCCLX apud Chinas artem pyxidis didicit.« (Guilielmi Gilberti Colcestrensis, Medici Londinensis, de Magnete Physiologia nova, Lond. 1600 p. 4.) Die Einführung durch Marco Polo, dessen Reisen in die Jahre 1271–1295 fallen, der also nach Italien zurückkehrte, als Guyot de Provins in seinem Gedichte des Seecompasses, wie Jacques de Vitry und Dante, als eines längst bekannten Instrumentes gedacht hatten, ist durch nichts begründet. Ehe Marco Polo abreiste, schon in der Mitte des 13ten Jahrhunderts, bedienten sich Catalanen und Basken des Seecompasses. (S. Raymundus Lullus in der Abhandlung de contemplatione, die 1272 geschrieben ist.)
⁹³ (S. 321.) Das Zeugniß über den sterbenden Sebastian Cabot s. in der mit vieler historischer Kritik abgefaßten Schrift von Biddle, Memoir of Seb. Cabot p. 222. „Man kennt", sagt Biddle, „mit Genauigkeit weder das Todesjahr noch den Begräbnißort des großen Seefahrers, der Großbritannien fast einen Continent geschenkt und ohne den (wie ohne Sir Walter Ralegh) vielleicht die englische Sprache nicht von vielen Millionen der Bewohner Amerika's gesprochen würde." — Ueber die Materialien, nach denen die Variations-Carte des Alonso de Sta. Cruz construirt war, wie über die Variations-Compasse, deren Vorrichtung schon zugleich erlaubte Sonnenhöhen zu nehmen, s. Navarrete, Noticia biografica del Cosmografo Alonso de Santa Cruz p. 3–8. Der erste Variations-Compaß war schon vor 1525 von einem kunstreichen Apotheker aus Sevilla, Felipe Guillen, zu Stande gebracht. Das Bestreben die Richtung der magnetischen Declinations-Curven genauer kennen zu lernen war so groß, daß 1585 Juan Jayme mit Francisco Gali bloß deshalb von Manila nach Acapulco schiffte, um ein von ihm erfundenes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/487 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/487>, abgerufen am 22.07.2024. |