Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.98
traductions latines d'Aristote 1819 p. 85, 88 und 226). Durch Al-Mamun's Bemühungen wurde daher manches gerettet, was ohne die Araber ganz für uns verloren gegangen wäre. Einen ähnlichen Dienst haben, wie Neumann in München zuerst gezeigt, armenische Uebersetzungen geleistet. Leider läßt eine Notiz des Geschichtsschreibers Geuzi aus Bagdad, die der berühmte Geograph Leo Africanus in einer Schrift de viris inter Arabes illustribus uns erhalten hat, vermuthen, daß zu Bagdad selbst manche griechische Originale, die man für unbrauchbar hielt, verbrannt worden sind; aber die Stelle bezieht sich wohl nicht auf wichtige schon übersetzte Handschriften. Sie ist mehrfacher Erklärung fähig, wie Bernhardy (Grundriß der Griech. Litteratur Th. I. S. 489) gegen Heeren's Geschichte der classischen Litteratur (Bd. I. S. 135) gezeigt hat. -- Die arabischen Uebersetzungen haben allerdings oft zu den lateinischen des Aristoteles gedient (z. B. der 8 Bücher der Physik und der Geschichte der Thiere), doch ist der größere und bessere Theil der lateinischen Uebertragungen unmittelbar aus dem Griechischen gemacht (Jourdain, Rech. crit. sur l'age des traductions d'Aristote p. 230-236). Diese zwiefache Quelle erkennt man auch in dem denkwürdigen Briefe angegeben, mit welchem Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen im Jahr 1232 seinen Universitäten, besonders der zu Bologna, Uebersetzungen des Aristoteles sandte und anempfahl. Dieser Brief enthält den Ausdruck erhabener Gesinnungen; er beweist, daß es nicht die Liebe zur Naturgeschichte allein war, welche Friedrich II den Werth der Philosopheme, "compilationes varias quae ab Aristotele aliisque philosophis sub graecis arabicisque vocabulis antiquitus editae sunt", schätzen lehrte. "Wir haben von frühester Jugend an der Wissenschaft nachgestrebt, wenn gleich die Sorgen der Regierung uns von ihr abgezogen haben; wir verwendeten unsere Zeit mit freudigem Ernste zum Lesen trefflicher Werke, damit die Seele sich aufhelle und kräftige durch Erwerbungen, ohne welche das Leben des Menschen der Regel und der Freiheit entbehrt (ut animae clarius vigeat instrumentum in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur liberaliter). Libros ipsos tamquam praemium amici Caesaris gratulanter accipite, et ipsos antiquis philosophorum operibus, qui vocis vestrae ministerio reviviscunt, aggregantes 98
traductions latines d'Aristote 1819 p. 85, 88 und 226). Durch Al-Mamun's Bemühungen wurde daher manches gerettet, was ohne die Araber ganz für uns verloren gegangen wäre. Einen ähnlichen Dienst haben, wie Neumann in München zuerst gezeigt, armenische Uebersetzungen geleistet. Leider läßt eine Notiz des Geschichtsschreibers Geuzi aus Bagdad, die der berühmte Geograph Leo Africanus in einer Schrift de viris inter Arabes illustribus uns erhalten hat, vermuthen, daß zu Bagdad selbst manche griechische Originale, die man für unbrauchbar hielt, verbrannt worden sind; aber die Stelle bezieht sich wohl nicht auf wichtige schon übersetzte Handschriften. Sie ist mehrfacher Erklärung fähig, wie Bernhardy (Grundriß der Griech. Litteratur Th. I. S. 489) gegen Heeren's Geschichte der classischen Litteratur (Bd. I. S. 135) gezeigt hat. — Die arabischen Uebersetzungen haben allerdings oft zu den lateinischen des Aristoteles gedient (z. B. der 8 Bücher der Physik und der Geschichte der Thiere), doch ist der größere und bessere Theil der lateinischen Uebertragungen unmittelbar aus dem Griechischen gemacht (Jourdain, Rech. crit. sur l'âge des traductions d'Aristote p. 230–236). Diese zwiefache Quelle erkennt man auch in dem denkwürdigen Briefe angegeben, mit welchem Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen im Jahr 1232 seinen Universitäten, besonders der zu Bologna, Uebersetzungen des Aristoteles sandte und anempfahl. Dieser Brief enthält den Ausdruck erhabener Gesinnungen; er beweist, daß es nicht die Liebe zur Naturgeschichte allein war, welche Friedrich II den Werth der Philosopheme, »compilationes varias quae ab Aristotele aliisque philosophis sub graecis arabicisque vocabulis antiquitus editae sunt«, schätzen lehrte. „Wir haben von frühester Jugend an der Wissenschaft nachgestrebt, wenn gleich die Sorgen der Regierung uns von ihr abgezogen haben; wir verwendeten unsere Zeit mit freudigem Ernste zum Lesen trefflicher Werke, damit die Seele sich aufhelle und kräftige durch Erwerbungen, ohne welche das Leben des Menschen der Regel und der Freiheit entbehrt (ut animae clarius vigeat instrumentum in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur liberaliter). 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Dieser Brief enthält den Ausdruck erhabener Gesinnungen; er beweist, daß es nicht die Liebe zur Naturgeschichte allein war, welche Friedrich II den Werth der Philosopheme, »compilationes varias quae ab Aristotele aliisque philosophis sub graecis arabicisque vocabulis antiquitus editae sunt«, schätzen lehrte. „Wir haben von frühester Jugend an der Wissenschaft nachgestrebt, wenn gleich die Sorgen der Regierung uns von ihr abgezogen haben; wir verwendeten unsere Zeit mit freudigem Ernste zum Lesen trefflicher Werke, damit die Seele sich aufhelle und kräftige durch Erwerbungen, ohne welche das Leben des Menschen der Regel und der Freiheit entbehrt (ut animae clarius vigeat instrumentum in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur liberaliter). Libros ipsos tamquam praemium amici Caesaris gratulanter accipite, et ipsos antiquis philosophorum operibus, qui vocis vestrae ministerio reviviscunt, aggregantes </note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [448/0453]
⁹⁸ traductions latines d'Aristote 1819 p. 85, 88 und 226). Durch Al-Mamun's Bemühungen wurde daher manches gerettet, was ohne die Araber ganz für uns verloren gegangen wäre. Einen ähnlichen Dienst haben, wie Neumann in München zuerst gezeigt, armenische Uebersetzungen geleistet. Leider läßt eine Notiz des Geschichtsschreibers Geuzi aus Bagdad, die der berühmte Geograph Leo Africanus in einer Schrift de viris inter Arabes illustribus uns erhalten hat, vermuthen, daß zu Bagdad selbst manche griechische Originale, die man für unbrauchbar hielt, verbrannt worden sind; aber die Stelle bezieht sich wohl nicht auf wichtige schon übersetzte Handschriften. Sie ist mehrfacher Erklärung fähig, wie Bernhardy (Grundriß der Griech. Litteratur Th. I. S. 489) gegen Heeren's Geschichte der classischen Litteratur (Bd. I. S. 135) gezeigt hat. — Die arabischen Uebersetzungen haben allerdings oft zu den lateinischen des Aristoteles gedient (z. B. der 8 Bücher der Physik und der Geschichte der Thiere), doch ist der größere und bessere Theil der lateinischen Uebertragungen unmittelbar aus dem Griechischen gemacht (Jourdain, Rech. crit. sur l'âge des traductions d'Aristote p. 230–236). Diese zwiefache Quelle erkennt man auch in dem denkwürdigen Briefe angegeben, mit welchem Kaiser Friedrich II von Hohenstaufen im Jahr 1232 seinen Universitäten, besonders der zu Bologna, Uebersetzungen des Aristoteles sandte und anempfahl. Dieser Brief enthält den Ausdruck erhabener Gesinnungen; er beweist, daß es nicht die Liebe zur Naturgeschichte allein war, welche Friedrich II den Werth der Philosopheme, »compilationes varias quae ab Aristotele aliisque philosophis sub graecis arabicisque vocabulis antiquitus editae sunt«, schätzen lehrte. „Wir haben von frühester Jugend an der Wissenschaft nachgestrebt, wenn gleich die Sorgen der Regierung uns von ihr abgezogen haben; wir verwendeten unsere Zeit mit freudigem Ernste zum Lesen trefflicher Werke, damit die Seele sich aufhelle und kräftige durch Erwerbungen, ohne welche das Leben des Menschen der Regel und der Freiheit entbehrt (ut animae clarius vigeat instrumentum in acquisitione scientiae, sine qua mortalium vita non regitur liberaliter). Libros ipsos tamquam praemium amici Caesaris gratulanter accipite, et ipsos antiquis philosophorum operibus, qui vocis vestrae ministerio reviviscunt, aggregantes
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/453>, abgerufen am 16.07.2024. |