Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
vicissim tum accedit, tum recedit", passen ebenfalls nur auf die Küstengegend zwischen dem Helder und der cimbrischen Halbinsel und nicht auf die Ostsee, in der des Timäus Insel Baltia (Plin. XXXVII, 2) liegen mag. Abalus, eine Tagereise von einem aestuarium entfernt, kann daher nicht die kurische Nehrung sein. Vergl. auch über die Fahrt des Pytheas nach der westlichen Küste von Jütland und den Bernsteinhandel längs dem ganzen Littoral von Skagen bis zu den Niederlanden Werlauff, Bidrag til den nordiske Ravhandels Historie (Kopenh. 1835). Nicht Plinius, sondern erst Tacitus kennt das glessum der Ostsee-Küsten im Lande der Aestyer (Aestuorum gentium) und der Veneder, von welchen der große Sprachforscher Schaffarik (slawische Alterthümer Th. I. S. 151-165) ungewiß ist, ob sie Slaven oder Germanen waren. Die lebhaftere unmittelbare Verbindung mit der samländischen Ostsee-Küste und mit den Aestyern mittelst des Landweges durch Pannonien über Carnuntum, den ein römischer Ritter unter Nero einschlug, scheint mir in die spätere Periode der römischen Cäsaren zu fallen (Voigt, Gesch. Preußens Bd. I. S. 85). Von den Verbindungen zwischen der preußischen Küste und den griechischen Colonien am schwarzen Meere zeugen schöne, wahrscheinlich vor Olymp. 85 geprägte Münzen, die man in den neuesten Zeiten im Netze-District gefunden hat (Levezow in den Abhandt. der Berl. Akad. der Wiss. aus dem J. 1833 S. 181-224). Zu verschiedenen Zeiten ist wohl auch aus sehr verschiedenen Gegenden das an die Küsten angeschwemmte oder gegrabene (Plin. XXXVII cap. 2) Electron, der Sonnenstein der uralten Eridanus-Mythe, auf See- und Landwegen dem Süden zugeströmt. Der "an zwei Orten in Scythien gegrabene Bernstein war theilweise sehr dunkel gefärbt". Allerdings wird noch heute bei Kaltschedansk unfern Kamensk am Ural Bernstein gesammelt; wir haben Fragmente davon in Braunkohle eingehüllt in Katharinenburg erhalten (G. Rose, Reise nach dem Ural Bd. I. S. 481 und Sir Roderick Murchison in Geology of Russia Vol. I. p. 366). Das den Bernstein oft umschließende fossile Holz hatte früh auch die Aufmerksamkeit der Alten auf sich gezogen. Das damals so kostbare Harz wurde bald der Schwarzpappel (nach dem Chier Scymnus v. 396 pag. 367, Letronne), bald einem Baume aus dem Cedern- oder Fichtengeschlechte (nach Mithridates in Plin.
vicissim tum accedit, tum recedit", passen ebenfalls nur auf die Küstengegend zwischen dem Helder und der cimbrischen Halbinsel und nicht auf die Ostsee, in der des Timäus Insel Baltia (Plin. XXXVII, 2) liegen mag. Abalus, eine Tagereise von einem aestuarium entfernt, kann daher nicht die kurische Nehrung sein. Vergl. auch über die Fahrt des Pytheas nach der westlichen Küste von Jütland und den Bernsteinhandel längs dem ganzen Littoral von Skagen bis zu den Niederlanden Werlauff, Bidrag til den nordiske Ravhandels Historie (Kopenh. 1835). Nicht Plinius, sondern erst Tacitus kennt das glessum der Ostsee-Küsten im Lande der Aestyer (Aestuorum gentium) und der Veneder, von welchen der große Sprachforscher Schaffarik (slawische Alterthümer Th. I. S. 151–165) ungewiß ist, ob sie Slaven oder Germanen waren. Die lebhaftere unmittelbare Verbindung mit der samländischen Ostsee-Küste und mit den Aestyern mittelst des Landweges durch Pannonien über Carnuntum, den ein römischer Ritter unter Nero einschlug, scheint mir in die spätere Periode der römischen Cäsaren zu fallen (Voigt, Gesch. Preußens Bd. I. S. 85). Von den Verbindungen zwischen der preußischen Küste und den griechischen Colonien am schwarzen Meere zeugen schöne, wahrscheinlich vor Olymp. 85 geprägte Münzen, die man in den neuesten Zeiten im Netze-District gefunden hat (Levezow in den Abhandt. der Berl. Akad. der Wiss. aus dem J. 1833 S. 181–224). Zu verschiedenen Zeiten ist wohl auch aus sehr verschiedenen Gegenden das an die Küsten angeschwemmte oder gegrabene (Plin. XXXVII cap. 2) Electron, der Sonnenstein der uralten Eridanus-Mythe, auf See- und Landwegen dem Süden zugeströmt. Der „an zwei Orten in Scythien gegrabene Bernstein war theilweise sehr dunkel gefärbt". Allerdings wird noch heute bei Kaltschedansk unfern Kamensk am Ural Bernstein gesammelt; wir haben Fragmente davon in Braunkohle eingehüllt in Katharinenburg erhalten (G. Rose, Reise nach dem Ural Bd. I. S. 481 und Sir Roderick Murchison in Geology of Russia Vol. I. p. 366). Das den Bernstein oft umschließende fossile Holz hatte früh auch die Aufmerksamkeit der Alten auf sich gezogen. Das damals so kostbare Harz wurde bald der Schwarzpappel (nach dem Chier Scymnus v. 396 pag. 367, Letronne), bald einem Baume aus dem Cedern- oder Fichtengeschlechte (nach Mithridates in Plin.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note xml:id="ftn170-text" prev="ftn170" place="end" n="31"><pb facs="#f0416" n="411"/>
vicissim tum accedit, tum recedit", passen ebenfalls nur auf die Küstengegend zwischen dem Helder und der cimbrischen Halbinsel und nicht auf die Ostsee, in der des Timäus Insel Baltia <hi rendition="#g">(Plin.</hi> XXXVII, 2) liegen mag. <hi rendition="#g">Abalus,</hi> eine Tagereise von einem aestuarium entfernt, kann daher nicht die kurische Nehrung sein. Vergl. auch über die Fahrt des Pytheas nach der westlichen Küste von Jütland und den Bernsteinhandel längs dem ganzen Littoral von Skagen bis zu den Niederlanden <hi rendition="#g">Werlauff, Bidrag til den nordiske Ravhandels Historie</hi> (Kopenh. 1835). Nicht Plinius, sondern erst Tacitus kennt das <hi rendition="#g">glessum</hi> der Ostsee-Küsten im Lande der Aestyer (Aestuorum gentium) und der Veneder, von welchen der große Sprachforscher <hi rendition="#g">Schaffarik (slawische Alterthümer</hi> Th. I. S. 151&#x2013;165) ungewiß ist, ob sie Slaven oder Germanen waren. Die lebhaftere unmittelbare Verbindung mit der samländischen Ostsee-Küste und mit den Aestyern mittelst des Landweges durch Pannonien über Carnuntum, den ein römischer Ritter unter Nero einschlug, scheint mir in die spätere Periode der römischen Cäsaren zu fallen <hi rendition="#g">(Voigt, Gesch. Preußens</hi> Bd. I. S. 85). Von den Verbindungen zwischen der preußischen Küste und den griechischen Colonien am schwarzen Meere zeugen schöne, wahrscheinlich vor Olymp. 85 geprägte Münzen, die man in den neuesten Zeiten im Netze-District gefunden hat <hi rendition="#g">(Levezow</hi> in den <hi rendition="#g">Abhandt. der Berl. Akad. der Wiss.</hi> aus dem J. 1833 S. 181&#x2013;224). Zu verschiedenen Zeiten ist wohl auch aus sehr verschiedenen Gegenden das an die Küsten angeschwemmte oder <hi rendition="#g">gegrabene (Plin.</hi> XXXVII cap. 2) Electron, der <hi rendition="#g">Sonnenstein</hi> der uralten Eridanus-Mythe, auf See- und Landwegen dem Süden zugeströmt. Der &#x201E;an zwei Orten in Scythien <hi rendition="#g">gegrabene</hi> Bernstein war theilweise sehr dunkel gefärbt". Allerdings wird noch heute bei Kaltschedansk unfern Kamensk am Ural Bernstein gesammelt; wir haben Fragmente davon in Braunkohle eingehüllt in Katharinenburg erhalten (G. <hi rendition="#g">Rose, Reise nach dem Ural</hi> Bd. I. S. 481 und Sir Roderick <hi rendition="#g">Murchison</hi> in <hi rendition="#g">Geology of Russia</hi> Vol. I. p. 366). Das den Bernstein oft umschließende fossile Holz hatte früh auch die Aufmerksamkeit der Alten auf sich gezogen. Das damals so kostbare Harz wurde bald der Schwarzpappel (nach dem Chier <hi rendition="#g">Scymnus</hi> v. 396 pag. 367, Letronne), bald einem Baume aus dem Cedern- oder Fichtengeschlechte (nach Mithridates in <hi rendition="#g">Plin.</hi> </note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0416] ³¹ vicissim tum accedit, tum recedit", passen ebenfalls nur auf die Küstengegend zwischen dem Helder und der cimbrischen Halbinsel und nicht auf die Ostsee, in der des Timäus Insel Baltia (Plin. XXXVII, 2) liegen mag. Abalus, eine Tagereise von einem aestuarium entfernt, kann daher nicht die kurische Nehrung sein. Vergl. auch über die Fahrt des Pytheas nach der westlichen Küste von Jütland und den Bernsteinhandel längs dem ganzen Littoral von Skagen bis zu den Niederlanden Werlauff, Bidrag til den nordiske Ravhandels Historie (Kopenh. 1835). Nicht Plinius, sondern erst Tacitus kennt das glessum der Ostsee-Küsten im Lande der Aestyer (Aestuorum gentium) und der Veneder, von welchen der große Sprachforscher Schaffarik (slawische Alterthümer Th. I. S. 151–165) ungewiß ist, ob sie Slaven oder Germanen waren. Die lebhaftere unmittelbare Verbindung mit der samländischen Ostsee-Küste und mit den Aestyern mittelst des Landweges durch Pannonien über Carnuntum, den ein römischer Ritter unter Nero einschlug, scheint mir in die spätere Periode der römischen Cäsaren zu fallen (Voigt, Gesch. Preußens Bd. I. S. 85). Von den Verbindungen zwischen der preußischen Küste und den griechischen Colonien am schwarzen Meere zeugen schöne, wahrscheinlich vor Olymp. 85 geprägte Münzen, die man in den neuesten Zeiten im Netze-District gefunden hat (Levezow in den Abhandt. der Berl. Akad. der Wiss. aus dem J. 1833 S. 181–224). Zu verschiedenen Zeiten ist wohl auch aus sehr verschiedenen Gegenden das an die Küsten angeschwemmte oder gegrabene (Plin. XXXVII cap. 2) Electron, der Sonnenstein der uralten Eridanus-Mythe, auf See- und Landwegen dem Süden zugeströmt. Der „an zwei Orten in Scythien gegrabene Bernstein war theilweise sehr dunkel gefärbt". Allerdings wird noch heute bei Kaltschedansk unfern Kamensk am Ural Bernstein gesammelt; wir haben Fragmente davon in Braunkohle eingehüllt in Katharinenburg erhalten (G. Rose, Reise nach dem Ural Bd. I. S. 481 und Sir Roderick Murchison in Geology of Russia Vol. I. p. 366). Das den Bernstein oft umschließende fossile Holz hatte früh auch die Aufmerksamkeit der Alten auf sich gezogen. Das damals so kostbare Harz wurde bald der Schwarzpappel (nach dem Chier Scymnus v. 396 pag. 367, Letronne), bald einem Baume aus dem Cedern- oder Fichtengeschlechte (nach Mithridates in Plin.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/416
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/416>, abgerufen am 11.05.2024.