Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.ist die Eigenthümlichkeit wichtiger Entdeckungen, daß sie zugleich den Kreis der Eroberungen und die Aussicht in das Gebiet, das noch zu erobern übrig bleibt, erweitern. Schwache Geister glauben in jeder Epoche wohlgefällig, daß die Menschheit auf den Culminationspunkt intellectueller Fortschritte gelangt sei; sie vergessen, daß durch die innige Verkettung aller Naturerscheinungen, in dem Maaße als man vorschreitet, das zu durchlaufende Feld eine größere Ausdehnung gewinnt, daß es von einem Gesichtskreise begrenzt ist, der unaufhörlich vor dem Forscher zurückweicht. Wo hat die Geschichte der Völker eine Epoche aufzuweisen, der gleich, in welcher die folgenreichsten Ereignisse: die Entdeckung und erste Colonisation von Amerika, die Schifffahrt nach Ostindien um das Vorgebirge der guten Hoffnung und Magellan's erste Erdumseglung, mit der höchsten Blüthe der Kunst, mit dem Erringen geistiger, religiöser Freiheit und der plötzlichen Erweiterung der Erd- und Himmelskunde zusammentrafen? Eine solche Epoche verdankt einen sehr geringen Theil ihrer Größe der Ferne, in der sie uns erscheint, dem Umstand, daß sie ungetrübt von der störenden Wirklichkeit der Gegenwart nur in der geschichtlichen Erinnerung auftritt. Wie in allen irdischen Dingen, ist auch hier des Glückes Glanz mit tiefem Weh verschwistert gewesen. Die Fortschritte des kosmischen Wissens wurden durch alle Gewaltthätigkeiten und Gräuel erkauft, welche die sogenannten civilisirenden Eroberer über den Erdball verbreiten. Es ist aber eine unverständig vermessene Kühnheit, in der unterbrochenen Entwickelungsgeschichte der Menschheit über das Abwägen von Glück und Unglück dogmatisch zu entscheiden. Es geziemt dem Menschen nicht, Weltbegebenheiten ist die Eigenthümlichkeit wichtiger Entdeckungen, daß sie zugleich den Kreis der Eroberungen und die Aussicht in das Gebiet, das noch zu erobern übrig bleibt, erweitern. Schwache Geister glauben in jeder Epoche wohlgefällig, daß die Menschheit auf den Culminationspunkt intellectueller Fortschritte gelangt sei; sie vergessen, daß durch die innige Verkettung aller Naturerscheinungen, in dem Maaße als man vorschreitet, das zu durchlaufende Feld eine größere Ausdehnung gewinnt, daß es von einem Gesichtskreise begrenzt ist, der unaufhörlich vor dem Forscher zurückweicht. Wo hat die Geschichte der Völker eine Epoche aufzuweisen, der gleich, in welcher die folgenreichsten Ereignisse: die Entdeckung und erste Colonisation von Amerika, die Schifffahrt nach Ostindien um das Vorgebirge der guten Hoffnung und Magellan's erste Erdumseglung, mit der höchsten Blüthe der Kunst, mit dem Erringen geistiger, religiöser Freiheit und der plötzlichen Erweiterung der Erd- und Himmelskunde zusammentrafen? Eine solche Epoche verdankt einen sehr geringen Theil ihrer Größe der Ferne, in der sie uns erscheint, dem Umstand, daß sie ungetrübt von der störenden Wirklichkeit der Gegenwart nur in der geschichtlichen Erinnerung auftritt. Wie in allen irdischen Dingen, ist auch hier des Glückes Glanz mit tiefem Weh verschwistert gewesen. Die Fortschritte des kosmischen Wissens wurden durch alle Gewaltthätigkeiten und Gräuel erkauft, welche die sogenannten civilisirenden Eroberer über den Erdball verbreiten. Es ist aber eine unverständig vermessene Kühnheit, in der unterbrochenen Entwickelungsgeschichte der Menschheit über das Abwägen von Glück und Unglück dogmatisch zu entscheiden. Es geziemt dem Menschen nicht, Weltbegebenheiten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0342" n="337"/> ist die Eigenthümlichkeit wichtiger Entdeckungen, daß sie zugleich den Kreis der Eroberungen und die Aussicht in das Gebiet, das noch zu erobern übrig bleibt, erweitern. 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Eine solche Epoche verdankt einen sehr geringen Theil ihrer Größe der Ferne, in der sie uns erscheint, dem Umstand, daß sie ungetrübt von der störenden Wirklichkeit der Gegenwart nur in der geschichtlichen Erinnerung auftritt. Wie in allen irdischen Dingen, ist auch hier des Glückes Glanz mit tiefem Weh verschwistert gewesen. Die Fortschritte des kosmischen Wissens wurden durch alle Gewaltthätigkeiten und Gräuel erkauft, welche die sogenannten <hi rendition="#g">civilisirenden Eroberer</hi> über den Erdball verbreiten. Es ist aber eine unverständig vermessene Kühnheit, in der unterbrochenen Entwickelungsgeschichte der Menschheit über das Abwägen von Glück und Unglück dogmatisch zu entscheiden. Es geziemt dem Menschen nicht, Weltbegebenheiten </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [337/0342]
ist die Eigenthümlichkeit wichtiger Entdeckungen, daß sie zugleich den Kreis der Eroberungen und die Aussicht in das Gebiet, das noch zu erobern übrig bleibt, erweitern. Schwache Geister glauben in jeder Epoche wohlgefällig, daß die Menschheit auf den Culminationspunkt intellectueller Fortschritte gelangt sei; sie vergessen, daß durch die innige Verkettung aller Naturerscheinungen, in dem Maaße als man vorschreitet, das zu durchlaufende Feld eine größere Ausdehnung gewinnt, daß es von einem Gesichtskreise begrenzt ist, der unaufhörlich vor dem Forscher zurückweicht.
Wo hat die Geschichte der Völker eine Epoche aufzuweisen, der gleich, in welcher die folgenreichsten Ereignisse: die Entdeckung und erste Colonisation von Amerika, die Schifffahrt nach Ostindien um das Vorgebirge der guten Hoffnung und Magellan's erste Erdumseglung, mit der höchsten Blüthe der Kunst, mit dem Erringen geistiger, religiöser Freiheit und der plötzlichen Erweiterung der Erd- und Himmelskunde zusammentrafen? Eine solche Epoche verdankt einen sehr geringen Theil ihrer Größe der Ferne, in der sie uns erscheint, dem Umstand, daß sie ungetrübt von der störenden Wirklichkeit der Gegenwart nur in der geschichtlichen Erinnerung auftritt. Wie in allen irdischen Dingen, ist auch hier des Glückes Glanz mit tiefem Weh verschwistert gewesen. Die Fortschritte des kosmischen Wissens wurden durch alle Gewaltthätigkeiten und Gräuel erkauft, welche die sogenannten civilisirenden Eroberer über den Erdball verbreiten. Es ist aber eine unverständig vermessene Kühnheit, in der unterbrochenen Entwickelungsgeschichte der Menschheit über das Abwägen von Glück und Unglück dogmatisch zu entscheiden. Es geziemt dem Menschen nicht, Weltbegebenheiten
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