Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

allein das unbestreitbare Verdienst zuerst eine Linie ohne magnetische Abweichung entdeckt, sondern auch durch seine Betrachtungen über die fortschreitende Zunahme der westlichen Abweichung, indem er sich von jener Linie entfernte, das Studium des Erdmagnetismus in Europa zuerst angeregt zu haben. Daß meist überall die Endspitzen einer sich frei bewegenden Magnetnadel nicht genau nach dem geographischen Nord- und Südpol hinweisen, würde zwar in dem mittelländischen Meere und an allen Orten, wo im zwölften Jahrhunderte die Abweichung über 8 bis 10 Grade betrug, auch bei einer großen Unvollkommenheit der Instrumente leicht mehrfach erkannt worden sein. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß die Araber oder die Kreuzfahrer, die mit dem Orient von 1096 bis 1270 in Berührung standen, indem sie den Gebrauch der chinesischen und indischen Seecompasse verbreiteten, zugleich auch damals schon auf die Nordost- und Nordwest-Weisung in verschiedenen Weltgegenden wie auf eine längst erkannte Erscheinung aufmerksam machten. Wir wissen nämlich bestimmt aus dem chinesischen Penthsaoyan, welches unter der Dynastie der Song92 zwischen 1111 und 1117 geschrieben ist, daß man damals die Quantität der westlichen Abweichung längst zu messen verstand. Was dem Columbus gehört, ist nicht die erste Beobachtung der Existenz der Abweichung (letztere findet sich z. B. schon auf der Carte von Andrea Bianco 1436 angegeben), sondern die Bemerkung, welche er am 13 Sept. 1492 machte, "daß 2° 1/2 östlich von der Insel Corvo die magnetische Variation sich verändert, daß sie von NO. nach NW. überging".

Diese Entdeckung einer magnetischen Linie ohne

allein das unbestreitbare Verdienst zuerst eine Linie ohne magnetische Abweichung entdeckt, sondern auch durch seine Betrachtungen über die fortschreitende Zunahme der westlichen Abweichung, indem er sich von jener Linie entfernte, das Studium des Erdmagnetismus in Europa zuerst angeregt zu haben. Daß meist überall die Endspitzen einer sich frei bewegenden Magnetnadel nicht genau nach dem geographischen Nord- und Südpol hinweisen, würde zwar in dem mittelländischen Meere und an allen Orten, wo im zwölften Jahrhunderte die Abweichung über 8 bis 10 Grade betrug, auch bei einer großen Unvollkommenheit der Instrumente leicht mehrfach erkannt worden sein. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß die Araber oder die Kreuzfahrer, die mit dem Orient von 1096 bis 1270 in Berührung standen, indem sie den Gebrauch der chinesischen und indischen Seecompasse verbreiteten, zugleich auch damals schon auf die Nordost- und Nordwest-Weisung in verschiedenen Weltgegenden wie auf eine längst erkannte Erscheinung aufmerksam machten. Wir wissen nämlich bestimmt aus dem chinesischen Penthsaoyan, welches unter der Dynastie der Song92 zwischen 1111 und 1117 geschrieben ist, daß man damals die Quantität der westlichen Abweichung längst zu messen verstand. Was dem Columbus gehört, ist nicht die erste Beobachtung der Existenz der Abweichung (letztere findet sich z. B. schon auf der Carte von Andrea Bianco 1436 angegeben), sondern die Bemerkung, welche er am 13 Sept. 1492 machte, „daß 2° ½ östlich von der Insel Corvo die magnetische Variation sich verändert, daß sie von NO. nach NW. überging".

Diese Entdeckung einer magnetischen Linie ohne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0324" n="319"/>
allein das unbestreitbare Verdienst zuerst eine <hi rendition="#g">Linie ohne magnetische Abweichung</hi> entdeckt, sondern auch durch seine Betrachtungen über die fortschreitende Zunahme der westlichen Abweichung, indem er sich von jener Linie entfernte, das Studium des Erdmagnetismus in Europa zuerst angeregt zu haben. Daß meist überall die Endspitzen einer sich frei bewegenden Magnetnadel nicht genau nach dem geographischen Nord- und Südpol hinweisen, würde zwar in dem mittelländischen Meere und an allen Orten, wo im zwölften Jahrhunderte die Abweichung über 8 bis 10 Grade betrug, auch bei einer großen Unvollkommenheit der Instrumente leicht mehrfach erkannt worden sein. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß die Araber oder die Kreuzfahrer, die mit dem Orient von 1096 bis 1270 in Berührung standen, indem sie den Gebrauch der chinesischen und indischen Seecompasse verbreiteten, zugleich auch damals schon auf die Nordost- und Nordwest-Weisung in verschiedenen Weltgegenden wie auf eine längst erkannte Erscheinung aufmerksam machten. Wir wissen nämlich bestimmt aus dem chinesischen Penthsaoyan, welches unter der Dynastie der Song<note xml:id="ftn431" next="ftn431-text" place="end" n="92"/> zwischen 1111 und 1117 geschrieben ist, daß man damals die Quantität der westlichen Abweichung längst zu messen verstand. Was dem Columbus gehört, ist nicht die erste Beobachtung der Existenz der Abweichung (letztere findet sich z. B. schon auf der Carte von Andrea Bianco 1436 angegeben), sondern die Bemerkung, welche er am 13 Sept. 1492 machte, &#x201E;daß 2° ½ östlich von der Insel Corvo die magnetische Variation sich verändert, daß sie von NO. nach NW. überging".</p>
              <p>Diese Entdeckung einer <hi rendition="#g">magnetischen Linie ohne
</hi></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0324] allein das unbestreitbare Verdienst zuerst eine Linie ohne magnetische Abweichung entdeckt, sondern auch durch seine Betrachtungen über die fortschreitende Zunahme der westlichen Abweichung, indem er sich von jener Linie entfernte, das Studium des Erdmagnetismus in Europa zuerst angeregt zu haben. Daß meist überall die Endspitzen einer sich frei bewegenden Magnetnadel nicht genau nach dem geographischen Nord- und Südpol hinweisen, würde zwar in dem mittelländischen Meere und an allen Orten, wo im zwölften Jahrhunderte die Abweichung über 8 bis 10 Grade betrug, auch bei einer großen Unvollkommenheit der Instrumente leicht mehrfach erkannt worden sein. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß die Araber oder die Kreuzfahrer, die mit dem Orient von 1096 bis 1270 in Berührung standen, indem sie den Gebrauch der chinesischen und indischen Seecompasse verbreiteten, zugleich auch damals schon auf die Nordost- und Nordwest-Weisung in verschiedenen Weltgegenden wie auf eine längst erkannte Erscheinung aufmerksam machten. Wir wissen nämlich bestimmt aus dem chinesischen Penthsaoyan, welches unter der Dynastie der Song ⁹² zwischen 1111 und 1117 geschrieben ist, daß man damals die Quantität der westlichen Abweichung längst zu messen verstand. Was dem Columbus gehört, ist nicht die erste Beobachtung der Existenz der Abweichung (letztere findet sich z. B. schon auf der Carte von Andrea Bianco 1436 angegeben), sondern die Bemerkung, welche er am 13 Sept. 1492 machte, „daß 2° ½ östlich von der Insel Corvo die magnetische Variation sich verändert, daß sie von NO. nach NW. überging". Diese Entdeckung einer magnetischen Linie ohne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/324
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/324>, abgerufen am 19.05.2024.