Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.dauernd wirksamer gewesen ist als das, was man ihm von eigenen Erfindungen mit mehr oder minderem Rechte zugeschrieben hat. Zum Selbstdenken erweckend, rügte er streng den blinden Autoritätsglauben der Schule; doch, weit davon entfernt sich nicht um das zu kümmern, was das griechische Alterthum erforscht, pries er gleichzeitig gründliche Sprachkunde42, Anwendung der Mathematik und die Scientia experimentalis, der er einen eigenen Abschnitt des Opus majus gewidmet hat43. Von Einem Pabste (Clemens IV) geschützt und begünstigt, von zwei anderen (Nicolaus III und IV) der Magie beschuldigt und eingekerkert, hatte er die wechselnden Schicksale der großen Geister aller Zeiten. Er kannte die Optik des Ptolemäus44 und das Almagest. Da er den Hipparch immer, wie die Araber, Abraxis nennt, so darf man schließen, daß auch er sich nur einer aus dem Arabischen herstammenden lateinischen Uebersetzung bediente. Neben Bacon's chemischen Versuchen über brennbare explodirende Mischungen sind seine theoretisch-optischen Arbeiten über die Perspective und die Lage des Brennpunktes bei Hohlspiegeln am wichtigsten. Sein gedankenvolles Großes Werk enthält Vorschläge und Entwürfe zu möglicher Ausführung, nicht deutliche Spuren gelungener optischer Erfindungen. Tiefe des mathematischen Wissens ist ihm nicht zuzuschreiben. Was ihn charakterisirt, ist vielmehr eine gewisse Lebhaftigkeit der Phantasie, deren ungemessene Aufregung bei den Mönchen des Mittelalters in ihren naturphilosophischen Richtungen durch den Eindruck so vieler unerklärter, großer Naturerscheinungen wie durch langes angstvolles Spähen nach Lösung geheimnißvoller Probleme krankhaft erhöht wurde. dauernd wirksamer gewesen ist als das, was man ihm von eigenen Erfindungen mit mehr oder minderem Rechte zugeschrieben hat. Zum Selbstdenken erweckend, rügte er streng den blinden Autoritätsglauben der Schule; doch, weit davon entfernt sich nicht um das zu kümmern, was das griechische Alterthum erforscht, pries er gleichzeitig gründliche Sprachkunde42, Anwendung der Mathematik und die Scientia experimentalis, der er einen eigenen Abschnitt des Opus majus gewidmet hat43. Von Einem Pabste (Clemens IV) geschützt und begünstigt, von zwei anderen (Nicolaus III und IV) der Magie beschuldigt und eingekerkert, hatte er die wechselnden Schicksale der großen Geister aller Zeiten. Er kannte die Optik des Ptolemäus44 und das Almagest. Da er den Hipparch immer, wie die Araber, Abraxis nennt, so darf man schließen, daß auch er sich nur einer aus dem Arabischen herstammenden lateinischen Uebersetzung bediente. Neben Bacon's chemischen Versuchen über brennbare explodirende Mischungen sind seine theoretisch-optischen Arbeiten über die Perspective und die Lage des Brennpunktes bei Hohlspiegeln am wichtigsten. Sein gedankenvolles Großes Werk enthält Vorschläge und Entwürfe zu möglicher Ausführung, nicht deutliche Spuren gelungener optischer Erfindungen. Tiefe des mathematischen Wissens ist ihm nicht zuzuschreiben. Was ihn charakterisirt, ist vielmehr eine gewisse Lebhaftigkeit der Phantasie, deren ungemessene Aufregung bei den Mönchen des Mittelalters in ihren naturphilosophischen Richtungen durch den Eindruck so vieler unerklärter, großer Naturerscheinungen wie durch langes angstvolles Spähen nach Lösung geheimnißvoller Probleme krankhaft erhöht wurde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0290" n="285"/> dauernd wirksamer gewesen ist als das, was man ihm von eigenen Erfindungen mit mehr oder minderem Rechte zugeschrieben hat. 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Was ihn charakterisirt, ist vielmehr eine gewisse Lebhaftigkeit der Phantasie, deren ungemessene Aufregung bei den Mönchen des Mittelalters in ihren naturphilosophischen Richtungen durch den Eindruck so vieler unerklärter, großer Naturerscheinungen wie durch langes angstvolles Spähen nach Lösung geheimnißvoller Probleme krankhaft erhöht wurde.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [285/0290]
dauernd wirksamer gewesen ist als das, was man ihm von eigenen Erfindungen mit mehr oder minderem Rechte zugeschrieben hat. Zum Selbstdenken erweckend, rügte er streng den blinden Autoritätsglauben der Schule; doch, weit davon entfernt sich nicht um das zu kümmern, was das griechische Alterthum erforscht, pries er gleichzeitig gründliche Sprachkunde
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, Anwendung der Mathematik und die Scientia experimentalis, der er einen eigenen Abschnitt des Opus majus gewidmet hat
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. Von Einem Pabste (Clemens IV) geschützt und begünstigt, von zwei anderen (Nicolaus III und IV) der Magie beschuldigt und eingekerkert, hatte er die wechselnden Schicksale der großen Geister aller Zeiten. Er kannte die Optik des Ptolemäus
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und das Almagest. Da er den Hipparch immer, wie die Araber, Abraxis nennt, so darf man schließen, daß auch er sich nur einer aus dem Arabischen herstammenden lateinischen Uebersetzung bediente. Neben Bacon's chemischen Versuchen über brennbare explodirende Mischungen sind seine theoretisch-optischen Arbeiten über die Perspective und die Lage des Brennpunktes bei Hohlspiegeln am wichtigsten. Sein gedankenvolles Großes Werk enthält Vorschläge und Entwürfe zu möglicher Ausführung, nicht deutliche Spuren gelungener optischer Erfindungen. Tiefe des mathematischen Wissens ist ihm nicht zuzuschreiben. Was ihn charakterisirt, ist vielmehr eine gewisse Lebhaftigkeit der Phantasie, deren ungemessene Aufregung bei den Mönchen des Mittelalters in ihren naturphilosophischen Richtungen durch den Eindruck so vieler unerklärter, großer Naturerscheinungen wie durch langes angstvolles Spähen nach Lösung geheimnißvoller Probleme krankhaft erhöht wurde.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/290>, abgerufen am 16.07.2024. |