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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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ziehen mußte. Ich würde desselben hier ausführlicher erwähnen, wenn man mit einiger Sicherheit unterscheiden könnte, was ein Schriftsteller, dessen Zeitalter so ungewiß ist, aus seiner lebhaften Phantasie, was er aus historischen Quellen geschöpft hat.

Des großen encyclopädischen Werkes des älteren Plinius, dem an Reichthum des Inhalts kein anderes Werk des Alterthums gleich kommt, wird späterhin, in der Geschichte der Weltanschauung, gedacht werden. Es ist, wie der Neffe (der jüngere Plinius) sich schön ausdrückt, "mannigfach wie die Natur". Ein Erzeugniß des unwiderstehlichen Hanges zu allumfassendem, oft unfleißigem Sammeln, im Style ungleich, bald einfach und aufzählend, bald gedankenreich, lebendig und rhetorisch geschmückt, ist die Naturgeschichte des älteren Plinius, schon ihrer Form wegen, an individuellen Naturschilderungen arm; aber überall, wo die Anschauung auf ein großartiges Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, auf den wohlgeordneten Kosmos (Naturae majestas) gerichtet ist, kann eine wahre, aus dem Innern quellende Begeisterung nicht verkannt werden. Das Werk hat auf das ganze Mittelalter mächtig nachgewirkt.

Als Beweise des Naturgefühls bei den Römern würden wir gern auch die anmuthig gelegenen Villen auf dem Pincius, bei Tusculum und Tibur, am Vorgebirge Misenum, bei Puteoli und Bajä anführen, wenn sie nicht, wie die des Scaurus und Mäcenas, des Lucullus und des Hadrian, mit Prachtgebäuden überfüllt gewesen wären. Tempel, Theater und Rennbahnen wechselten ab mit Vogelhäusern und Gebäuden der Zucht von Schnecken und Haselmäusen bestimmt. Seinen, allerdings einfacheren Landsitz

ziehen mußte. Ich würde desselben hier ausführlicher erwähnen, wenn man mit einiger Sicherheit unterscheiden könnte, was ein Schriftsteller, dessen Zeitalter so ungewiß ist, aus seiner lebhaften Phantasie, was er aus historischen Quellen geschöpft hat.

Des großen encyclopädischen Werkes des älteren Plinius, dem an Reichthum des Inhalts kein anderes Werk des Alterthums gleich kommt, wird späterhin, in der Geschichte der Weltanschauung, gedacht werden. Es ist, wie der Neffe (der jüngere Plinius) sich schön ausdrückt, „mannigfach wie die Natur". Ein Erzeugniß des unwiderstehlichen Hanges zu allumfassendem, oft unfleißigem Sammeln, im Style ungleich, bald einfach und aufzählend, bald gedankenreich, lebendig und rhetorisch geschmückt, ist die Naturgeschichte des älteren Plinius, schon ihrer Form wegen, an individuellen Naturschilderungen arm; aber überall, wo die Anschauung auf ein großartiges Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, auf den wohlgeordneten Kosmos (Naturae majestas) gerichtet ist, kann eine wahre, aus dem Innern quellende Begeisterung nicht verkannt werden. Das Werk hat auf das ganze Mittelalter mächtig nachgewirkt.

Als Beweise des Naturgefühls bei den Römern würden wir gern auch die anmuthig gelegenen Villen auf dem Pincius, bei Tusculum und Tibur, am Vorgebirge Misenum, bei Puteoli und Bajä anführen, wenn sie nicht, wie die des Scaurus und Mäcenas, des Lucullus und des Hadrian, mit Prachtgebäuden überfüllt gewesen wären. Tempel, Theater und Rennbahnen wechselten ab mit Vogelhäusern und Gebäuden der Zucht von Schnecken und Haselmäusen bestimmt. Seinen, allerdings einfacheren Landsitz

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[23/0028] ziehen mußte. Ich würde desselben hier ausführlicher erwähnen, wenn man mit einiger Sicherheit unterscheiden könnte, was ein Schriftsteller, dessen Zeitalter so ungewiß ist, aus seiner lebhaften Phantasie, was er aus historischen Quellen geschöpft hat. Des großen encyclopädischen Werkes des älteren Plinius, dem an Reichthum des Inhalts kein anderes Werk des Alterthums gleich kommt, wird späterhin, in der Geschichte der Weltanschauung, gedacht werden. Es ist, wie der Neffe (der jüngere Plinius) sich schön ausdrückt, „mannigfach wie die Natur". Ein Erzeugniß des unwiderstehlichen Hanges zu allumfassendem, oft unfleißigem Sammeln, im Style ungleich, bald einfach und aufzählend, bald gedankenreich, lebendig und rhetorisch geschmückt, ist die Naturgeschichte des älteren Plinius, schon ihrer Form wegen, an individuellen Naturschilderungen arm; aber überall, wo die Anschauung auf ein großartiges Zusammenwirken der Kräfte im Weltall, auf den wohlgeordneten Kosmos (Naturae majestas) gerichtet ist, kann eine wahre, aus dem Innern quellende Begeisterung nicht verkannt werden. Das Werk hat auf das ganze Mittelalter mächtig nachgewirkt. Als Beweise des Naturgefühls bei den Römern würden wir gern auch die anmuthig gelegenen Villen auf dem Pincius, bei Tusculum und Tibur, am Vorgebirge Misenum, bei Puteoli und Bajä anführen, wenn sie nicht, wie die des Scaurus und Mäcenas, des Lucullus und des Hadrian, mit Prachtgebäuden überfüllt gewesen wären. Tempel, Theater und Rennbahnen wechselten ab mit Vogelhäusern und Gebäuden der Zucht von Schnecken und Haselmäusen bestimmt. Seinen, allerdings einfacheren Landsitz

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Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/28>, abgerufen am 20.04.2024.