Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Bedürfnisse einzusammeln. Auf der Rückreise von Markland wurde das Schiff vom Sturme verschlagen und mußte in Straumfjörd im Westen von Island landen. Dies ist die letzte Nachricht von dem normännischen Amerika, welche uns alt-scandinavische Quellenschriften aufbewahrt haben.29 Wir sind bisher sorgfältig auf historischem Boden geblieben. Durch die kritischen, nicht genug zu lobenden Bemühungen von Christian Rafn und der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen sind die Sagas und Urkunden über die Fahrten der Normänner nach Helluland (Neufundland), nach Markland (der Mündung des St. Lorenz-Flusses mit Nova Scotia) und nach Winland (Massachusetts) einzeln abgedruckt und befriedigend commentirt worden.30 Die Länge der Fahrt, die Richtung, in der man gesegelt, die Zeit des Aufganges und Unterganges der Sonne sind genau angegeben. Geringere Gewißheit gewähren noch die Spuren, die man von einer früheren irischen Entdeckung von Amerika, vor dem Jahre 1000, glaubt gefunden zu haben. Die Skrälinger erzählten den in Winland angesiedelten Normännern: weiter in Süden jenseit der Chesapeak-Bai wohnten "weiße Menschen, die in langen weißen Kleidern einhergingen, Stangen, an welche Tücher geheftet seien, vor sich her trügen und mit lauter Stimme riefen." Diese Erzählung wurde von den christlichen Normännern auf Processionen gedeutet, in denen man Fahnen trug und sang. In den ältesten Sagas, in den geschichtlichen Erzählungen von Thorfinn Karlsefne und dem isländischen Landnama-Buche sind diese südlichen Küsten zwischen Virginien und Florida durch den Namen des Weißmännerlandes Bedürfnisse einzusammeln. Auf der Rückreise von Markland wurde das Schiff vom Sturme verschlagen und mußte in Straumfjörd im Westen von Island landen. Dies ist die letzte Nachricht von dem normännischen Amerika, welche uns alt-scandinavische Quellenschriften aufbewahrt haben.29 Wir sind bisher sorgfältig auf historischem Boden geblieben. Durch die kritischen, nicht genug zu lobenden Bemühungen von Christian Rafn und der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen sind die Sagas und Urkunden über die Fahrten der Normänner nach Helluland (Neufundland), nach Markland (der Mündung des St. Lorenz-Flusses mit Nova Scotia) und nach Winland (Massachusetts) einzeln abgedruckt und befriedigend commentirt worden.30 Die Länge der Fahrt, die Richtung, in der man gesegelt, die Zeit des Aufganges und Unterganges der Sonne sind genau angegeben. Geringere Gewißheit gewähren noch die Spuren, die man von einer früheren irischen Entdeckung von Amerika, vor dem Jahre 1000, glaubt gefunden zu haben. Die Skrälinger erzählten den in Winland angesiedelten Normännern: weiter in Süden jenseit der Chesapeak-Bai wohnten „weiße Menschen, die in langen weißen Kleidern einhergingen, Stangen, an welche Tücher geheftet seien, vor sich her trügen und mit lauter Stimme riefen." Diese Erzählung wurde von den christlichen Normännern auf Processionen gedeutet, in denen man Fahnen trug und sang. In den ältesten Sagas, in den geschichtlichen Erzählungen von Thorfinn Karlsefne und dem isländischen Landnama-Buche sind diese südlichen Küsten zwischen Virginien und Florida durch den Namen des Weißmännerlandes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0277" n="272"/> Bedürfnisse einzusammeln. Auf der Rückreise von Markland wurde das Schiff vom Sturme verschlagen und mußte in Straumfjörd im Westen von Island landen. 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Bedürfnisse einzusammeln. Auf der Rückreise von Markland wurde das Schiff vom Sturme verschlagen und mußte in Straumfjörd im Westen von Island landen. Dies ist die letzte Nachricht von dem normännischen Amerika, welche uns alt-scandinavische Quellenschriften aufbewahrt haben.
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Wir sind bisher sorgfältig auf historischem Boden geblieben. Durch die kritischen, nicht genug zu lobenden Bemühungen von Christian Rafn und der königlichen Gesellschaft für nordische Alterthumskunde in Kopenhagen sind die Sagas und Urkunden über die Fahrten der Normänner nach Helluland (Neufundland), nach Markland (der Mündung des St. Lorenz-Flusses mit Nova Scotia) und nach Winland (Massachusetts) einzeln abgedruckt und befriedigend commentirt worden.
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Die Länge der Fahrt, die Richtung, in der man gesegelt, die Zeit des Aufganges und Unterganges der Sonne sind genau angegeben.
Geringere Gewißheit gewähren noch die Spuren, die man von einer früheren irischen Entdeckung von Amerika, vor dem Jahre 1000, glaubt gefunden zu haben. Die Skrälinger erzählten den in Winland angesiedelten Normännern: weiter in Süden jenseit der Chesapeak-Bai wohnten „weiße Menschen, die in langen weißen Kleidern einhergingen, Stangen, an welche Tücher geheftet seien, vor sich her trügen und mit lauter Stimme riefen." Diese Erzählung wurde von den christlichen Normännern auf Processionen gedeutet, in denen man Fahnen trug und sang. In den ältesten Sagas, in den geschichtlichen Erzählungen von Thorfinn Karlsefne und dem isländischen Landnama-Buche sind diese südlichen Küsten zwischen Virginien und Florida durch den Namen des Weißmännerlandes
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/277>, abgerufen am 16.07.2024. |