Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern umgeben hatte. Aristoteles wirkte aber nicht bloß durch das, was er selbst hervorgebracht; er wirkte auch durch die geistreichen Männer seiner Schule, welche den Feldzug begleiteten. Unter diesen glänzte vor allen des Stagiriten naher Verwandter, Callisthenes aus Olynth, der schon vor dem Heerzuge botanische Werke und eine feine anatomische Untersuchung über das Gesichtsorgan geliefert hatte. Durch die ernste Strenge seiner Sitten und die ungemessene Freiheit seiner Rede ward er dem, schon von seiner edeln und hohen Sinnesart herabgesunkenen Fürsten, wie dessen Schmeichlern, verhaßt. Callisthenes zog unerschrocken die Freiheit dem Leben vor, und als man ihn zu Bactra in die Verschwörung des Hermolaus und der Edelknaben schuldlos verwickelte, ward er die unglückliche Veranlassung zu der Erbitterung Alexanders gegen seinen früheren Lehrer. Theophrast, des Olynthiers gemüthlicher Freund und Mitschüler, hatte den Biedersinn ihn nach seinem Sturze öffentlich zu vertheidigen; von Aristoteles wissen wir nur, daß er ihn vor seiner Abreise zur Vorsicht gemahnt und, durch den langen Aufenthalt bei Philipp von Macedonien des Hoflebens, wie es scheint, sehr kundig, ihm gerathen habe: "mit dem König so wenig als möglich, und wenn es sein müßte, immer beifällig zu reden".100 Von auserwählten Männern aus der Schule des Stagiriten unterstützt, hatte Callisthenes, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertrauter Philosoph, in den neu aufgeschlossenen weiteren Erdkreisen die Forschungen seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle und das mächtige Thierreich, nicht die Gestaltung des Bodens Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern umgeben hatte. Aristoteles wirkte aber nicht bloß durch das, was er selbst hervorgebracht; er wirkte auch durch die geistreichen Männer seiner Schule, welche den Feldzug begleiteten. Unter diesen glänzte vor allen des Stagiriten naher Verwandter, Callisthenes aus Olynth, der schon vor dem Heerzuge botanische Werke und eine feine anatomische Untersuchung über das Gesichtsorgan geliefert hatte. Durch die ernste Strenge seiner Sitten und die ungemessene Freiheit seiner Rede ward er dem, schon von seiner edeln und hohen Sinnesart herabgesunkenen Fürsten, wie dessen Schmeichlern, verhaßt. Callisthenes zog unerschrocken die Freiheit dem Leben vor, und als man ihn zu Bactra in die Verschwörung des Hermolaus und der Edelknaben schuldlos verwickelte, ward er die unglückliche Veranlassung zu der Erbitterung Alexanders gegen seinen früheren Lehrer. Theophrast, des Olynthiers gemüthlicher Freund und Mitschüler, hatte den Biedersinn ihn nach seinem Sturze öffentlich zu vertheidigen; von Aristoteles wissen wir nur, daß er ihn vor seiner Abreise zur Vorsicht gemahnt und, durch den langen Aufenthalt bei Philipp von Macedonien des Hoflebens, wie es scheint, sehr kundig, ihm gerathen habe: „mit dem König so wenig als möglich, und wenn es sein müßte, immer beifällig zu reden".100 Von auserwählten Männern aus der Schule des Stagiriten unterstützt, hatte Callisthenes, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertrauter Philosoph, in den neu aufgeschlossenen weiteren Erdkreisen die Forschungen seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle und das mächtige Thierreich, nicht die Gestaltung des Bodens <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0198" n="193"/> Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern umgeben hatte. Aristoteles wirkte aber nicht bloß durch das, was er selbst hervorgebracht; er wirkte auch durch die geistreichen Männer seiner Schule, welche den Feldzug begleiteten. Unter diesen glänzte vor allen des Stagiriten naher Verwandter, Callisthenes aus Olynth, der schon vor dem Heerzuge botanische Werke und eine feine anatomische Untersuchung über das Gesichtsorgan geliefert hatte. Durch die ernste Strenge seiner Sitten und die ungemessene Freiheit seiner Rede ward er dem, schon von seiner edeln und hohen Sinnesart herabgesunkenen Fürsten, wie dessen Schmeichlern, verhaßt. Callisthenes zog unerschrocken die Freiheit dem Leben vor, und als man ihn zu Bactra in die Verschwörung des Hermolaus und der Edelknaben schuldlos verwickelte, ward er die unglückliche Veranlassung zu der Erbitterung Alexanders gegen seinen früheren Lehrer. Theophrast, des Olynthiers gemüthlicher Freund und Mitschüler, hatte den Biedersinn ihn nach seinem Sturze öffentlich zu vertheidigen; von Aristoteles wissen wir nur, daß er ihn vor seiner Abreise zur Vorsicht gemahnt und, durch den langen Aufenthalt bei Philipp von Macedonien des Hoflebens, wie es scheint, sehr kundig, ihm gerathen habe: „mit dem König so wenig als möglich, und wenn es sein müßte, immer beifällig zu reden".<note xml:id="ftn239" next="ftn239-text" place="end" n="100"/> </p> <p>Von auserwählten Männern aus der Schule des Stagiriten unterstützt, hatte Callisthenes, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertrauter Philosoph, in den neu aufgeschlossenen weiteren Erdkreisen die Forschungen seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle und das mächtige Thierreich, nicht die Gestaltung des Bodens </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [193/0198]
Geschichtsschreibern, Philosophen und Künstlern umgeben hatte. Aristoteles wirkte aber nicht bloß durch das, was er selbst hervorgebracht; er wirkte auch durch die geistreichen Männer seiner Schule, welche den Feldzug begleiteten. Unter diesen glänzte vor allen des Stagiriten naher Verwandter, Callisthenes aus Olynth, der schon vor dem Heerzuge botanische Werke und eine feine anatomische Untersuchung über das Gesichtsorgan geliefert hatte. Durch die ernste Strenge seiner Sitten und die ungemessene Freiheit seiner Rede ward er dem, schon von seiner edeln und hohen Sinnesart herabgesunkenen Fürsten, wie dessen Schmeichlern, verhaßt. Callisthenes zog unerschrocken die Freiheit dem Leben vor, und als man ihn zu Bactra in die Verschwörung des Hermolaus und der Edelknaben schuldlos verwickelte, ward er die unglückliche Veranlassung zu der Erbitterung Alexanders gegen seinen früheren Lehrer. Theophrast, des Olynthiers gemüthlicher Freund und Mitschüler, hatte den Biedersinn ihn nach seinem Sturze öffentlich zu vertheidigen; von Aristoteles wissen wir nur, daß er ihn vor seiner Abreise zur Vorsicht gemahnt und, durch den langen Aufenthalt bei Philipp von Macedonien des Hoflebens, wie es scheint, sehr kundig, ihm gerathen habe: „mit dem König so wenig als möglich, und wenn es sein müßte, immer beifällig zu reden".
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Von auserwählten Männern aus der Schule des Stagiriten unterstützt, hatte Callisthenes, als ein schon in Griechenland mit der Natur vertrauter Philosoph, in den neu aufgeschlossenen weiteren Erdkreisen die Forschungen seiner Mitarbeiter zu höheren Ansichten geleitet. Nicht die Pflanzenfülle und das mächtige Thierreich, nicht die Gestaltung des Bodens
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/198>, abgerufen am 16.07.2024. |