Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.der Nationalgewohnheiten und des einheimischen Cultus, -- alles bezeugt, daß der Plan zu einem großen organischen Ganzen gelegt war. Was vielleicht ursprünglich diesem Plane nicht angehörte, hat sich, wie es immer in dem Drange vielumfassender Weltbegebenheiten der Fall ist, später aus der Natur der Verhältnisse von selbst entwickelt. Erinnert man sich nun, daß von der Schlacht am Granicus bis zu dem zerstörenden Einbruch der Saker und Tocharer in Bactrien nur 52 Olympiaden verflossen sind, so bewundert man die Ausdauer und die zauberisch vermittelnde Macht der von Westen eingeführten hellenischen Bildung. Dem Wissen der Araber, der Neuperser und Inder beigemengt, hat diese Bildung ihre Wirksamkeit bis in das Mittelalter ausgeübt: so daß es oft zweifelhaft bleibt, was der griechischen Litteratur, was unvermischt dem Erfindungsgeiste jener asiatischen Völker ursprünglich zugehört. Das Princip der Einigung und Einheit oder vielmehr das Gefühl von dem wohlthätigen politischen Einflusse dieses Princips lag, wie alle seine Staatseinrichtungen beweisen, tief in dem Gemüth des kühnen Eroberers. Selbst auf Griechenland angewandt, war es ihm von seinem großen Lehrer schon früh eingeprägt worden. In der Politik des Aristoteles76 lesen wir: "den asiatischen Völkern fehlt es nicht an Thätigkeit des Geistes und Kunstgeschicklichkeit; doch muthlos leben sie in Unterwürfigkeit und Knechtschaft, während die Hellenen, kräftig und regsam, in Freiheit lebend und deshalb gut verwaltet, wären sie zu einem Staate vereinigt, alle Barbaren beherrschen könnten." So schrieb der Stagirite bei seinem zweiten Aufenthalte in Athen77, ehe noch Alexander der Nationalgewohnheiten und des einheimischen Cultus, — alles bezeugt, daß der Plan zu einem großen organischen Ganzen gelegt war. Was vielleicht ursprünglich diesem Plane nicht angehörte, hat sich, wie es immer in dem Drange vielumfassender Weltbegebenheiten der Fall ist, später aus der Natur der Verhältnisse von selbst entwickelt. Erinnert man sich nun, daß von der Schlacht am Granicus bis zu dem zerstörenden Einbruch der Saker und Tocharer in Bactrien nur 52 Olympiaden verflossen sind, so bewundert man die Ausdauer und die zauberisch vermittelnde Macht der von Westen eingeführten hellenischen Bildung. Dem Wissen der Araber, der Neuperser und Inder beigemengt, hat diese Bildung ihre Wirksamkeit bis in das Mittelalter ausgeübt: so daß es oft zweifelhaft bleibt, was der griechischen Litteratur, was unvermischt dem Erfindungsgeiste jener asiatischen Völker ursprünglich zugehört. Das Princip der Einigung und Einheit oder vielmehr das Gefühl von dem wohlthätigen politischen Einflusse dieses Princips lag, wie alle seine Staatseinrichtungen beweisen, tief in dem Gemüth des kühnen Eroberers. Selbst auf Griechenland angewandt, war es ihm von seinem großen Lehrer schon früh eingeprägt worden. In der Politik des Aristoteles76 lesen wir: „den asiatischen Völkern fehlt es nicht an Thätigkeit des Geistes und Kunstgeschicklichkeit; doch muthlos leben sie in Unterwürfigkeit und Knechtschaft, während die Hellenen, kräftig und regsam, in Freiheit lebend und deshalb gut verwaltet, wären sie zu einem Staate vereinigt, alle Barbaren beherrschen könnten." So schrieb der Stagirite bei seinem zweiten Aufenthalte in Athen77, ehe noch Alexander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0189" n="184"/> der Nationalgewohnheiten und des einheimischen Cultus, — alles bezeugt, daß der Plan zu einem großen organischen Ganzen gelegt war. Was vielleicht ursprünglich diesem Plane nicht angehörte, hat sich, wie es immer in dem Drange vielumfassender Weltbegebenheiten der Fall ist, später aus der Natur der Verhältnisse von selbst entwickelt. Erinnert man sich nun, daß von der Schlacht am Granicus bis zu dem zerstörenden Einbruch der Saker und Tocharer in Bactrien nur 52 Olympiaden verflossen sind, so bewundert man die Ausdauer und die zauberisch vermittelnde Macht der von Westen eingeführten hellenischen Bildung. Dem Wissen der Araber, der Neuperser und Inder beigemengt, hat diese Bildung ihre Wirksamkeit bis in das Mittelalter ausgeübt: so daß es oft zweifelhaft bleibt, was der griechischen Litteratur, was unvermischt dem Erfindungsgeiste jener asiatischen Völker ursprünglich zugehört.</p> <p>Das Princip der Einigung und Einheit oder vielmehr das Gefühl von dem wohlthätigen politischen Einflusse dieses Princips lag, wie alle seine Staatseinrichtungen beweisen, tief in dem Gemüth des kühnen Eroberers. Selbst auf Griechenland angewandt, war es ihm von seinem großen Lehrer schon früh eingeprägt worden. In der Politik des Aristoteles<note xml:id="ftn215" next="#ftn215-text" place="end" n="76"/> lesen wir: „den asiatischen Völkern fehlt es nicht an Thätigkeit des Geistes und Kunstgeschicklichkeit; doch muthlos leben sie in Unterwürfigkeit und Knechtschaft, während die Hellenen, kräftig und regsam, in Freiheit lebend und deshalb gut verwaltet, <hi rendition="#g">wären sie zu einem Staate vereinigt, alle Barbaren beherrschen könnten."</hi> So schrieb der Stagirite bei seinem zweiten Aufenthalte in Athen<note xml:id="ftn216" next="#ftn216-text" place="end" n="77"/>, ehe noch Alexander </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0189]
der Nationalgewohnheiten und des einheimischen Cultus, — alles bezeugt, daß der Plan zu einem großen organischen Ganzen gelegt war. Was vielleicht ursprünglich diesem Plane nicht angehörte, hat sich, wie es immer in dem Drange vielumfassender Weltbegebenheiten der Fall ist, später aus der Natur der Verhältnisse von selbst entwickelt. Erinnert man sich nun, daß von der Schlacht am Granicus bis zu dem zerstörenden Einbruch der Saker und Tocharer in Bactrien nur 52 Olympiaden verflossen sind, so bewundert man die Ausdauer und die zauberisch vermittelnde Macht der von Westen eingeführten hellenischen Bildung. Dem Wissen der Araber, der Neuperser und Inder beigemengt, hat diese Bildung ihre Wirksamkeit bis in das Mittelalter ausgeübt: so daß es oft zweifelhaft bleibt, was der griechischen Litteratur, was unvermischt dem Erfindungsgeiste jener asiatischen Völker ursprünglich zugehört.
Das Princip der Einigung und Einheit oder vielmehr das Gefühl von dem wohlthätigen politischen Einflusse dieses Princips lag, wie alle seine Staatseinrichtungen beweisen, tief in dem Gemüth des kühnen Eroberers. Selbst auf Griechenland angewandt, war es ihm von seinem großen Lehrer schon früh eingeprägt worden. In der Politik des Aristoteles
⁷⁶
lesen wir: „den asiatischen Völkern fehlt es nicht an Thätigkeit des Geistes und Kunstgeschicklichkeit; doch muthlos leben sie in Unterwürfigkeit und Knechtschaft, während die Hellenen, kräftig und regsam, in Freiheit lebend und deshalb gut verwaltet, wären sie zu einem Staate vereinigt, alle Barbaren beherrschen könnten." So schrieb der Stagirite bei seinem zweiten Aufenthalte in Athen
⁷⁷
, ehe noch Alexander
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen
(2013-04-18T11:04:31Z)
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |