Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
und der Vegetation. Sie stellen dar: Musaceen, Cactus, Palmen, Ficus-Arten mit den bekannten bretterartigen Auswüchsen am Fuß des Stammes, Rhizophora und baumartige Gräser. Die malerische brasilianische Reise endigt (Blatt LV) sonderbar genug mit einem deutschen Kiefernwalde, der das Schloß Dillenburg umgiebt. -- Die früher im Texte (S. 85) gemachte Bemerkung über den Einfluß, den die Gründung botanischer Gärten in Oberitalien gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts auf die physiognomische Kenntniß tropischer Pflanzengestaltung kann ausgeübt haben, veranlaßt mich in dieser Note an die wohlbegründete Thatsache zu erinnern, daß der für die Belebung der Aristotelischen Philosophie und der Naturkunde gleich verdiente Albertus Magnus im 13ten Jahrhunderte im Dominicaner-Kloster zu Cöln wahrscheinlich ein warmes Treibhaus besaß. Der berühmte, schon wegen seiner Sprechmaschine der Zauberkunst verdächtigte Mann gab nämlich am 6 Januar 1249 dem römischen Könige Wilhelm von Holland bei seiner Durchreise ein Fest in einem weiten Raume des Klostergartens, in dem er bei angenehmer Wärme Fruchtbäume und blühende Gewächse den Winter hindurch unterhielt. Die Erzählung dieses Gastmahls ins Wunderbare übertrieben findet sich in der Chronica Joannis de Beka aus der Mitte des 14ten Jahrhunderts. (Beka et Heda de Episcopis Ultrajectinis recogn. ab Arn. Buchelio 1643 p. 79; Jourdain, Recherches critiques sur l'age des traductions d'Aristote 1819 p. 331; Buhle, Gesch. der Philosophie Th. V. S. 296.) Obgleich die Alten, wie einzelne Beispiele aus den Pompejanischen Ausgrabungen lehren, Glasscheiben in Gebäuden anwendeten, so ist bisher doch wohl nichts aufgefunden worden, was in der antiken Kunstgärtnerei den Gebrauch von erwärmten Glas- und Treibhäusern bezeugte. Die Wärmeleitung der caldaria in Bädern hätte auf Anlegung solcher Treibereien und der Gewächshäuser leiten können, aber bei der Kürze des griechischen und italiänischen Winters wurde das Bedürfniß der künstlichen Wärme im Gartenbau weniger gefühlt. Die Adonisgärten (kepoi Adonidos), für den Sinn des Adonisfestes so bezeichnend, waren nach Böckh "Pflanzungen in kleinen Töpfen, die ohne Zweifel den Garten darstellen sollten, in welchem Aphrodite sich zum Adonis gesellte, dem Symbol der schnell hinwelkenden Jugendblüthe, des üppigen Wachsthums und des Vergehens. Die
und der Vegetation. Sie stellen dar: Musaceen, Cactus, Palmen, Ficus-Arten mit den bekannten bretterartigen Auswüchsen am Fuß des Stammes, Rhizophora und baumartige Gräser. Die malerische brasilianische Reise endigt (Blatt LV) sonderbar genug mit einem deutschen Kiefernwalde, der das Schloß Dillenburg umgiebt. — Die früher im Texte (S. 85) gemachte Bemerkung über den Einfluß, den die Gründung botanischer Gärten in Oberitalien gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts auf die physiognomische Kenntniß tropischer Pflanzengestaltung kann ausgeübt haben, veranlaßt mich in dieser Note an die wohlbegründete Thatsache zu erinnern, daß der für die Belebung der Aristotelischen Philosophie und der Naturkunde gleich verdiente Albertus Magnus im 13ten Jahrhunderte im Dominicaner-Kloster zu Cöln wahrscheinlich ein warmes Treibhaus besaß. Der berühmte, schon wegen seiner Sprechmaschine der Zauberkunst verdächtigte Mann gab nämlich am 6 Januar 1249 dem römischen Könige Wilhelm von Holland bei seiner Durchreise ein Fest in einem weiten Raume des Klostergartens, in dem er bei angenehmer Wärme Fruchtbäume und blühende Gewächse den Winter hindurch unterhielt. Die Erzählung dieses Gastmahls ins Wunderbare übertrieben findet sich in der Chronica Joannis de Beka aus der Mitte des 14ten Jahrhunderts. (Beka et Heda de Episcopis Ultrajectinis recogn. ab Arn. Buchelio 1643 p. 79; Jourdain, Recherches critiques sur l'age des traductions d'Aristote 1819 p. 331; Buhle, Gesch. der Philosophie Th. V. S. 296.) Obgleich die Alten, wie einzelne Beispiele aus den Pompejanischen Ausgrabungen lehren, Glasscheiben in Gebäuden anwendeten, so ist bisher doch wohl nichts aufgefunden worden, was in der antiken Kunstgärtnerei den Gebrauch von erwärmten Glas- und Treibhäusern bezeugte. Die Wärmeleitung der caldaria in Bädern hätte auf Anlegung solcher Treibereien und der Gewächshäuser leiten können, aber bei der Kürze des griechischen und italiänischen Winters wurde das Bedürfniß der künstlichen Wärme im Gartenbau weniger gefühlt. Die Adonisgärten (κῆποι Ἀδώνιδος), für den Sinn des Adonisfestes so bezeichnend, waren nach Böckh „Pflanzungen in kleinen Töpfen, die ohne Zweifel den Garten darstellen sollten, in welchem Aphrodite sich zum Adonis gesellte, dem Symbol der schnell hinwelkenden Jugendblüthe, des üppigen Wachsthums und des Vergehens. Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note xml:id="ftn123-text" prev="ftn123" place="end" n="24"><pb facs="#f0135" n="130"/>
und der Vegetation. Sie stellen dar: Musaceen, Cactus, Palmen, Ficus-Arten mit den bekannten bretterartigen Auswüchsen am Fuß des Stammes, Rhizophora und baumartige Gräser. Die malerische brasilianische Reise endigt (Blatt LV) sonderbar genug mit einem deutschen Kiefernwalde, der das Schloß Dillenburg umgiebt. &#x2014; Die früher im Texte (S. 85) gemachte Bemerkung über den Einfluß, den die Gründung botanischer Gärten in Oberitalien gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts auf die physiognomische Kenntniß tropischer Pflanzengestaltung kann ausgeübt haben, veranlaßt mich in dieser Note an die wohlbegründete Thatsache zu erinnern, daß der für die Belebung der Aristotelischen Philosophie und der Naturkunde gleich verdiente Albertus Magnus im 13ten Jahrhunderte im Dominicaner-Kloster zu Cöln wahrscheinlich ein warmes Treibhaus besaß. Der berühmte, schon wegen seiner Sprechmaschine der Zauberkunst verdächtigte Mann gab nämlich am 6 Januar 1249 dem römischen Könige Wilhelm von Holland bei seiner Durchreise ein Fest in einem weiten Raume des Klostergartens, in dem er bei angenehmer Wärme Fruchtbäume und blühende Gewächse den Winter hindurch unterhielt. Die Erzählung dieses Gastmahls ins Wunderbare übertrieben findet sich in der <hi rendition="#g">Chronica Joannis de Beka</hi> aus der Mitte des 14ten Jahrhunderts. <hi rendition="#g">(Beka et Heda de Episcopis Ultrajectinis</hi> recogn. ab Arn. <hi rendition="#g">Buchelio</hi> 1643 p. 79; <hi rendition="#g">Jourdain, Recherches critiques sur l'age des traductions d'Aristote</hi> 1819 p. 331; <hi rendition="#g">Buhle, Gesch. der Philosophie</hi> Th. V. S. 296.) Obgleich die Alten, wie einzelne Beispiele aus den Pompejanischen Ausgrabungen lehren, Glasscheiben in Gebäuden anwendeten, so ist bisher doch wohl nichts aufgefunden worden, was in der antiken Kunstgärtnerei den Gebrauch von erwärmten Glas- und Treibhäusern bezeugte. Die Wärmeleitung der caldaria in Bädern hätte auf Anlegung solcher <hi rendition="#g">Treibereien</hi> und der Gewächshäuser leiten können, aber bei der Kürze des griechischen und italiänischen Winters wurde das Bedürfniß der künstlichen Wärme im Gartenbau weniger gefühlt. Die Adonisgärten (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BA;&#x1FC6;&#x03C0;&#x03BF;&#x03B9; &#x1F08;&#x03B4;&#x03CE;&#x03BD;&#x03B9;&#x03B4;&#x03BF;&#x03C2;</foreign></hi>), für den <hi rendition="#g">Sinn</hi> des Adonisfestes so bezeichnend, waren nach <hi rendition="#g">Böckh</hi> &#x201E;Pflanzungen in kleinen Töpfen, die ohne Zweifel den Garten darstellen sollten, in welchem Aphrodite sich zum Adonis gesellte, dem Symbol der schnell hinwelkenden Jugendblüthe, des üppigen Wachsthums und des Vergehens. Die
</note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0135] ²⁴ und der Vegetation. Sie stellen dar: Musaceen, Cactus, Palmen, Ficus-Arten mit den bekannten bretterartigen Auswüchsen am Fuß des Stammes, Rhizophora und baumartige Gräser. Die malerische brasilianische Reise endigt (Blatt LV) sonderbar genug mit einem deutschen Kiefernwalde, der das Schloß Dillenburg umgiebt. — Die früher im Texte (S. 85) gemachte Bemerkung über den Einfluß, den die Gründung botanischer Gärten in Oberitalien gegen die Mitte des 16ten Jahrhunderts auf die physiognomische Kenntniß tropischer Pflanzengestaltung kann ausgeübt haben, veranlaßt mich in dieser Note an die wohlbegründete Thatsache zu erinnern, daß der für die Belebung der Aristotelischen Philosophie und der Naturkunde gleich verdiente Albertus Magnus im 13ten Jahrhunderte im Dominicaner-Kloster zu Cöln wahrscheinlich ein warmes Treibhaus besaß. Der berühmte, schon wegen seiner Sprechmaschine der Zauberkunst verdächtigte Mann gab nämlich am 6 Januar 1249 dem römischen Könige Wilhelm von Holland bei seiner Durchreise ein Fest in einem weiten Raume des Klostergartens, in dem er bei angenehmer Wärme Fruchtbäume und blühende Gewächse den Winter hindurch unterhielt. Die Erzählung dieses Gastmahls ins Wunderbare übertrieben findet sich in der Chronica Joannis de Beka aus der Mitte des 14ten Jahrhunderts. (Beka et Heda de Episcopis Ultrajectinis recogn. ab Arn. Buchelio 1643 p. 79; Jourdain, Recherches critiques sur l'age des traductions d'Aristote 1819 p. 331; Buhle, Gesch. der Philosophie Th. V. S. 296.) Obgleich die Alten, wie einzelne Beispiele aus den Pompejanischen Ausgrabungen lehren, Glasscheiben in Gebäuden anwendeten, so ist bisher doch wohl nichts aufgefunden worden, was in der antiken Kunstgärtnerei den Gebrauch von erwärmten Glas- und Treibhäusern bezeugte. Die Wärmeleitung der caldaria in Bädern hätte auf Anlegung solcher Treibereien und der Gewächshäuser leiten können, aber bei der Kürze des griechischen und italiänischen Winters wurde das Bedürfniß der künstlichen Wärme im Gartenbau weniger gefühlt. Die Adonisgärten (κῆποι Ἀδώνιδος), für den Sinn des Adonisfestes so bezeichnend, waren nach Böckh „Pflanzungen in kleinen Töpfen, die ohne Zweifel den Garten darstellen sollten, in welchem Aphrodite sich zum Adonis gesellte, dem Symbol der schnell hinwelkenden Jugendblüthe, des üppigen Wachsthums und des Vergehens. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/135
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/135>, abgerufen am 08.05.2024.