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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847.

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S. 217-224, wo das berühmte Psalterium der Pariser Bibliothek (aus dem 10ten Jahrhundert) beschrieben wird, welches beweist, wie lange in Constantinopel sich "die antike Auffassungsweise" erhalten hat. -- Den freundschaftlichen und leitenden Mittheilungen dieses tiefen Kunstkenners (des Professor Waagen, Directors der Gemälde-Gallerie in meiner Vaterstadt) habe ich zur Zeit meiner öffentlichen Vorträge im Jahr 1828 interessante Notizen über die Kunstgeschichte nach der römischen Kaiserzeit verdankt. Was ich später über die allmälige Entwickelung der Landschaftmalerei aufgeschrieben, theilte ich im Winter 1835 dem berühmten, leider uns so früh entrissenen Verfasser der italienischen Forschungen, Freiherrn von Rumohr in Dresden, mit. Ich erhielt von dem edel mittheilenden Manne eine große Zahl historischer Erläuterungen, die er mir sogar, wenn es nach der Form meines Werkes geschehen könnte, vollständig zu veröffentlichen erlaubte.
17 (S. 81.) Waagen a. a. O. Th. I. 1837 S. 59, Th. III. 1839 S. 352-359.
18 (S. 82.) "Im Belvedere des Vatican malte schon Pinturicchio Landschaften als selbstständige Verzierung; sie waren reich und componirt. Er hat auf Raphael eingewirkt, in dessen Bildern viele landschaftliche Seltsamkeiten nicht von Perugino abzuleiten sind. Bei Pinturicchio und bei dessen Freunden finden sich auch schon die sonderbaren spitzigen Bergformen, welche Sie früher in Ihren Vorlesungen geneigt waren von den durch Leopold von Buch so berühmt gewordenen tyroler Dolomitkegeln abzuleiten, die auf reisende Künstler bei dem steten Verkehr zwischen Italien und Deutschland könnten Eindruck gemacht haben. Ich glaube vielmehr, daß diese Kegelformen auf den frühesten italiänischen Landschaften entweder sehr alte conventionelle Uebertragungen sind aus Berg-Andeutungen in antiken Reliefs und musivischen Arbeiten, oder daß sie als ungeschickt verkürzte Ansichten des Soracte und ähnlicher isolirter Gebirge in der Campagna di Roma betrachtet werden müssen." (Aus einem Briefe von Carl Friedrich von Rumohr an mich im October 1832.) -- Um die Kegel- und Spitzberge näher zu bezeichnen, von denen hier die Rede ist, erinnere ich an die phantastische Landschaft, welche in Leonardo da Vinci's allgemein bewundertem Bilde der Mona Lisa (Gemahlinn des Francesco del Giocondo) den Hintergrund bildet. -- Unter denen, welche
S. 217–224, wo das berühmte Psalterium der Pariser Bibliothek (aus dem 10ten Jahrhundert) beschrieben wird, welches beweist, wie lange in Constantinopel sich „die antike Auffassungsweise" erhalten hat. — Den freundschaftlichen und leitenden Mittheilungen dieses tiefen Kunstkenners (des Professor Waagen, Directors der Gemälde-Gallerie in meiner Vaterstadt) habe ich zur Zeit meiner öffentlichen Vorträge im Jahr 1828 interessante Notizen über die Kunstgeschichte nach der römischen Kaiserzeit verdankt. Was ich später über die allmälige Entwickelung der Landschaftmalerei aufgeschrieben, theilte ich im Winter 1835 dem berühmten, leider uns so früh entrissenen Verfasser der italienischen Forschungen, Freiherrn von Rumohr in Dresden, mit. Ich erhielt von dem edel mittheilenden Manne eine große Zahl historischer Erläuterungen, die er mir sogar, wenn es nach der Form meines Werkes geschehen könnte, vollständig zu veröffentlichen erlaubte.
17 (S. 81.) Waagen a. a. O. Th. I. 1837 S. 59, Th. III. 1839 S. 352–359.
18 (S. 82.) „Im Belvedere des Vatican malte schon Pinturicchio Landschaften als selbstständige Verzierung; sie waren reich und componirt. Er hat auf Raphael eingewirkt, in dessen Bildern viele landschaftliche Seltsamkeiten nicht von Perugino abzuleiten sind. Bei Pinturicchio und bei dessen Freunden finden sich auch schon die sonderbaren spitzigen Bergformen, welche Sie früher in Ihren Vorlesungen geneigt waren von den durch Leopold von Buch so berühmt gewordenen tyroler Dolomitkegeln abzuleiten, die auf reisende Künstler bei dem steten Verkehr zwischen Italien und Deutschland könnten Eindruck gemacht haben. Ich glaube vielmehr, daß diese Kegelformen auf den frühesten italiänischen Landschaften entweder sehr alte conventionelle Uebertragungen sind aus Berg-Andeutungen in antiken Reliefs und musivischen Arbeiten, oder daß sie als ungeschickt verkürzte Ansichten des Soracte und ähnlicher isolirter Gebirge in der Campagna di Roma betrachtet werden müssen." (Aus einem Briefe von Carl Friedrich von Rumohr an mich im October 1832.) — Um die Kegel- und Spitzberge näher zu bezeichnen, von denen hier die Rede ist, erinnere ich an die phantastische Landschaft, welche in Leonardo da Vinci's allgemein bewundertem Bilde der Mona Lisa (Gemahlinn des Francesco del Giocondo) den Hintergrund bildet. — Unter denen, welche
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[128/0133] ¹⁶ S. 217–224, wo das berühmte Psalterium der Pariser Bibliothek (aus dem 10ten Jahrhundert) beschrieben wird, welches beweist, wie lange in Constantinopel sich „die antike Auffassungsweise" erhalten hat. — Den freundschaftlichen und leitenden Mittheilungen dieses tiefen Kunstkenners (des Professor Waagen, Directors der Gemälde-Gallerie in meiner Vaterstadt) habe ich zur Zeit meiner öffentlichen Vorträge im Jahr 1828 interessante Notizen über die Kunstgeschichte nach der römischen Kaiserzeit verdankt. Was ich später über die allmälige Entwickelung der Landschaftmalerei aufgeschrieben, theilte ich im Winter 1835 dem berühmten, leider uns so früh entrissenen Verfasser der italienischen Forschungen, Freiherrn von Rumohr in Dresden, mit. Ich erhielt von dem edel mittheilenden Manne eine große Zahl historischer Erläuterungen, die er mir sogar, wenn es nach der Form meines Werkes geschehen könnte, vollständig zu veröffentlichen erlaubte. ¹⁷ (S. 81.) Waagen a. a. O. Th. I. 1837 S. 59, Th. III. 1839 S. 352–359. ¹⁸ (S. 82.) „Im Belvedere des Vatican malte schon Pinturicchio Landschaften als selbstständige Verzierung; sie waren reich und componirt. Er hat auf Raphael eingewirkt, in dessen Bildern viele landschaftliche Seltsamkeiten nicht von Perugino abzuleiten sind. Bei Pinturicchio und bei dessen Freunden finden sich auch schon die sonderbaren spitzigen Bergformen, welche Sie früher in Ihren Vorlesungen geneigt waren von den durch Leopold von Buch so berühmt gewordenen tyroler Dolomitkegeln abzuleiten, die auf reisende Künstler bei dem steten Verkehr zwischen Italien und Deutschland könnten Eindruck gemacht haben. Ich glaube vielmehr, daß diese Kegelformen auf den frühesten italiänischen Landschaften entweder sehr alte conventionelle Uebertragungen sind aus Berg-Andeutungen in antiken Reliefs und musivischen Arbeiten, oder daß sie als ungeschickt verkürzte Ansichten des Soracte und ähnlicher isolirter Gebirge in der Campagna di Roma betrachtet werden müssen." (Aus einem Briefe von Carl Friedrich von Rumohr an mich im October 1832.) — Um die Kegel- und Spitzberge näher zu bezeichnen, von denen hier die Rede ist, erinnere ich an die phantastische Landschaft, welche in Leonardo da Vinci's allgemein bewundertem Bilde der Mona Lisa (Gemahlinn des Francesco del Giocondo) den Hintergrund bildet. — Unter denen, welche

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 2. Stuttgart u. a., 1847, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos02_1847/133>, abgerufen am 22.11.2024.