Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.schon im sechsten Jahrhundert in der Steppe, in welcher ich sie gesehen. Der Byzantiner Menander (p. 380-382 ed. Nieb.) erzählt ausdrücklich, wie der Chakan der Türken (Thu-khiu) im Jahr 569 dem vom Kaiser Justinus II. abgesandten Zemarchus eine Kirghisen-Sklavinn schenkte: er nennt sie eine kherkhis , und auch bei Abulgasi (Historia Mongolorum et Tatarorum) heißen die Kirghisen Kirkiz. Die Aehnlichkeit der Sitten ist, wo die Natur des Landes den Hauptcharakter der Sitten hervorruft, ein sehr unsicherer Beweis der Stammähnlichkeit. Das Leben in der Steppe erzeugt bei Türken (Ti, Tukiu), bei Baschkiren (Finnen), bei Kirghisen, bei Torgod und Dsungaren (Mongolen) dieselben Gewohnheiten des nomadischen Lebens, denselben Gebrauch von Filzzelten, die auf Wagen fortgeführt und bei den Viehheerden aufgeschlagen werden. 11 (S. 384.) Wilhelm von Humboldt über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues, in dem großen Werke über die Kawi-Sprache auf der Insel Java Bd. I. S. XXI, XLVIII und CCXIV. 12 (S. 385.) Das Unerfreulichste und in späteren Zeiten so oft Wiederholte über die ungleiche Berechtigung der Menschen zur Freiheit und über Sklaverei als eine naturgemäße Einrichtung findet sich leider! sehr systematisch entwickelt in Aristoteles Politica I. 3, 5, 6. 13 (S. 386.) Wilhelm von Humboldt über die Kawi-Sprache Bd. III. S. 426. Ich füge aus demselben Werke noch folgendes hinzu: "Die stürmenden Eroberungen Alexanders, die staatsklug bedächtigen der Römer, die wild grausamen der Mexicaner, die despotischen Ländervereinigungen der Incas haben in beiden Welten dazu beigetragen das vereinzelte Dasein der Völker aufzuheben und weitere Verbindungen zu stiften. Große und starke Gemüther, ganze Nationen handelten unter der Macht einer Idee, die ihnen in ihrer Reinheit gänzlich fremd war. In der Wahrheit ihrer tiefen Milde sprach sie zuerst, ob es ihr gleich nur langsam Eingang verschaffen konnte, das Christenthum aus. Früher kommen nur einzelne Anklänge vor. Die neuere Zeit hat den Begriff der Civilisation lebendiger aufgefaßt, und das Bedürfniß erregt, Verbindungen der Völker und Cultur weiter zu verbreiten; auch die Selbstsucht gewinnt die Ueberzeugung, daß sie auf diesem Wege schon im sechsten Jahrhundert in der Steppe, in welcher ich sie gesehen. Der Byzantiner Menander (p. 380–382 ed. Nieb.) erzählt ausdrücklich, wie der Chakan der Türken (Thu-khiu) im Jahr 569 dem vom Kaiser Justinus II. abgesandten Zemarchus eine Kirghisen-Sklavinn schenkte: er nennt sie eine χερχίς , und auch bei Abulgasi (Historia Mongolorum et Tatarorum) heißen die Kirghisen Kirkiz. Die Aehnlichkeit der Sitten ist, wo die Natur des Landes den Hauptcharakter der Sitten hervorruft, ein sehr unsicherer Beweis der Stammähnlichkeit. Das Leben in der Steppe erzeugt bei Türken (Ti, Tukiu), bei Baschkiren (Finnen), bei Kirghisen, bei Torgod und Dsungaren (Mongolen) dieselben Gewohnheiten des nomadischen Lebens, denselben Gebrauch von Filzzelten, die auf Wagen fortgeführt und bei den Viehheerden aufgeschlagen werden. 11 (S. 384.) Wilhelm von Humboldt über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues, in dem großen Werke über die Kawi-Sprache auf der Insel Java Bd. I. S. XXI, XLVIII und CCXIV. 12 (S. 385.) Das Unerfreulichste und in späteren Zeiten so oft Wiederholte über die ungleiche Berechtigung der Menschen zur Freiheit und über Sklaverei als eine naturgemäße Einrichtung findet sich leider! sehr systematisch entwickelt in Aristoteles Politica I. 3, 5, 6. 13 (S. 386.) Wilhelm von Humboldt über die Kawi-Sprache Bd. III. S. 426. Ich füge aus demselben Werke noch folgendes hinzu: „Die stürmenden Eroberungen Alexanders, die staatsklug bedächtigen der Römer, die wild grausamen der Mexicaner, die despotischen Ländervereinigungen der Incas haben in beiden Welten dazu beigetragen das vereinzelte Dasein der Völker aufzuheben und weitere Verbindungen zu stiften. Große und starke Gemüther, ganze Nationen handelten unter der Macht einer Idee, die ihnen in ihrer Reinheit gänzlich fremd war. In der Wahrheit ihrer tiefen Milde sprach sie zuerst, ob es ihr gleich nur langsam Eingang verschaffen konnte, das Christenthum aus. Früher kommen nur einzelne Anklänge vor. 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In der Wahrheit ihrer tiefen Milde sprach sie zuerst, ob es ihr gleich nur langsam Eingang verschaffen konnte, das Christenthum aus. Früher kommen nur einzelne Anklänge vor. Die neuere Zeit hat den Begriff der Civilisation lebendiger aufgefaßt, und das Bedürfniß erregt, Verbindungen der Völker und Cultur weiter zu verbreiten; auch die Selbstsucht gewinnt die Ueberzeugung, daß sie auf diesem Wege </note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [492/0511]
¹⁰ schon im sechsten Jahrhundert in der Steppe, in welcher ich sie gesehen. Der Byzantiner Menander (p. 380–382 ed. Nieb.) erzählt ausdrücklich, wie der Chakan der Türken (Thu-khiu) im Jahr 569 dem vom Kaiser Justinus II. abgesandten Zemarchus eine Kirghisen-Sklavinn schenkte: er nennt sie eine χερχίς , und auch bei Abulgasi (Historia Mongolorum et Tatarorum) heißen die Kirghisen Kirkiz. Die Aehnlichkeit der Sitten ist, wo die Natur des Landes den Hauptcharakter der Sitten hervorruft, ein sehr unsicherer Beweis der Stammähnlichkeit. Das Leben in der Steppe erzeugt bei Türken (Ti, Tukiu), bei Baschkiren (Finnen), bei Kirghisen, bei Torgod und Dsungaren (Mongolen) dieselben Gewohnheiten des nomadischen Lebens, denselben Gebrauch von Filzzelten, die auf Wagen fortgeführt und bei den Viehheerden aufgeschlagen werden.
¹¹ (S. 384.) Wilhelm von Humboldt über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues, in dem großen Werke über die Kawi-Sprache auf der Insel Java Bd. I. S. XXI, XLVIII und CCXIV.
¹² (S. 385.) Das Unerfreulichste und in späteren Zeiten so oft Wiederholte über die ungleiche Berechtigung der Menschen zur Freiheit und über Sklaverei als eine naturgemäße Einrichtung findet sich leider! sehr systematisch entwickelt in Aristoteles Politica I. 3, 5, 6.
¹³ (S. 386.) Wilhelm von Humboldt über die Kawi-Sprache Bd. III. S. 426. Ich füge aus demselben Werke noch folgendes hinzu: „Die stürmenden Eroberungen Alexanders, die staatsklug bedächtigen der Römer, die wild grausamen der Mexicaner, die despotischen Ländervereinigungen der Incas haben in beiden Welten dazu beigetragen das vereinzelte Dasein der Völker aufzuheben und weitere Verbindungen zu stiften. Große und starke Gemüther, ganze Nationen handelten unter der Macht einer Idee, die ihnen in ihrer Reinheit gänzlich fremd war. In der Wahrheit ihrer tiefen Milde sprach sie zuerst, ob es ihr gleich nur langsam Eingang verschaffen konnte, das Christenthum aus. Früher kommen nur einzelne Anklänge vor. Die neuere Zeit hat den Begriff der Civilisation lebendiger aufgefaßt, und das Bedürfniß erregt, Verbindungen der Völker und Cultur weiter zu verbreiten; auch die Selbstsucht gewinnt die Ueberzeugung, daß sie auf diesem Wege
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