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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

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p. XXXVII-XLII. Die westlichen Völker, Griechen und Römer, wußten, daß Magnetismus dem Eisen langdauernd mitgetheilt werden kann ("sola haec materia ferri vires a magnete lapide accipit retinetque longo tempore", Plin. XXXIV, 14). Die große Entdeckung der tellurischen Richtkraft hing also allein davon ab, daß man im Occident nicht durch Zufall ein längliches Fragment Magnetstein oder einen magnetisirten Eisenstab, mittelst Holz auf Wasser schwimmend oder an einem Faden hangend, in freier Bewegung beobachtet hatte.
20 (S. 188.) Ein sehr langsames seculäres Fortschreiten oder gar eine locale Unveränderlichkeit der Magnet-Declination hebt die Verwirrung auf, welche durch tellurische Einwirkungen in der Quantität des räumlichen Bodenbesitzes da entsteht, wo mit völliger Unbeachtung der Declinations-Correction das Grundeigenthum, zu sehr verschiedenen Zeitepochen, durch bloße Anwendung der Bussole vermessen worden ist. "The whole mass of West-India property", sagt Sir John Herschel, "has been saved from the bottomless pit of endless litigation by the invariability of the magnetic declination in Jamaica and the surrounding archipelago during the whole of the last century, all surveys of property there having been conducted solely by the compass." Vergl. Robertson in den Philos. Transact. for 1806 P. II. p. 348 on the permanency of the compass in Jamaica since 1660. In dem Mutterlande (England) hat sich die Magnet-Declination in derselben Zeit um volle 14° verändert.
21 (S. 188.) Ich habe an einem andern Orte gezeigt, daß man in den auf uns gekommenen Documenten über die Schiffahrten von Christoph Columbus mit vieler Sicherheit drei Ortsbestimmungen der atlantischen Linie ohne Abweichung für den 13 Sept. 1492, den 21 Mai 1496 und den 16 August 1498 erkennen kann. Die atlantische Curve ohne Abweichung war zu jenen Epochen NO--SW gerichtet. Sie berührte den südamerikanischen Continent etwas östlich vom Cap Codera, während jetzt die Berührung an der Nordküste von Brasilien beobachtet wird (Humboldt, Examen critique de l'hist. de la Geogr. T. III. p. 44-48). Aus Gilbert's Physiologia nova de Magnete sieht man deutlich (und diese Thatsache ist sehr auffallend), daß im Jahr 1600 die Abweichung noch null in der Gegend der Azoren
p. XXXVII–XLII. Die westlichen Völker, Griechen und Römer, wußten, daß Magnetismus dem Eisen langdauernd mitgetheilt werden kann („sola haec materia ferri vires a magnete lapide accipit retinetque longo tempore“, Plin. XXXIV, 14). Die große Entdeckung der tellurischen Richtkraft hing also allein davon ab, daß man im Occident nicht durch Zufall ein längliches Fragment Magnetstein oder einen magnetisirten Eisenstab, mittelst Holz auf Wasser schwimmend oder an einem Faden hangend, in freier Bewegung beobachtet hatte.
20 (S. 188.) Ein sehr langsames seculäres Fortschreiten oder gar eine locale Unveränderlichkeit der Magnet-Declination hebt die Verwirrung auf, welche durch tellurische Einwirkungen in der Quantität des räumlichen Bodenbesitzes da entsteht, wo mit völliger Unbeachtung der Declinations-Correction das Grundeigenthum, zu sehr verschiedenen Zeitepochen, durch bloße Anwendung der Bussole vermessen worden ist. „The whole mass of West-India property“, sagt Sir John Herschel, „has been saved from the bottomless pit of endless litigation by the invariability of the magnetic declination in Jamaica and the surrounding archipelago during the whole of the last century, all surveys of property there having been conducted solely by the compass.“ Vergl. Robertson in den Philos. Transact. for 1806 P. II. p. 348 on the permanency of the compass in Jamaica since 1660. In dem Mutterlande (England) hat sich die Magnet-Declination in derselben Zeit um volle 14° verändert.
21 (S. 188.) Ich habe an einem andern Orte gezeigt, daß man in den auf uns gekommenen Documenten über die Schiffahrten von Christoph Columbus mit vieler Sicherheit drei Ortsbestimmungen der atlantischen Linie ohne Abweichung für den 13 Sept. 1492, den 21 Mai 1496 und den 16 August 1498 erkennen kann. Die atlantische Curve ohne Abweichung war zu jenen Epochen NO—SW gerichtet. Sie berührte den südamerikanischen Continent etwas östlich vom Cap Codera, während jetzt die Berührung an der Nordküste von Brasilien beobachtet wird (Humboldt, Examen critique de l'hist. de la Géogr. T. III. p. 44–48). Aus Gilbert's Physiologia nova de Magnete sieht man deutlich (und diese Thatsache ist sehr auffallend), daß im Jahr 1600 die Abweichung noch null in der Gegend der Azoren
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[430/0449] ¹⁹ p. XXXVII–XLII. Die westlichen Völker, Griechen und Römer, wußten, daß Magnetismus dem Eisen langdauernd mitgetheilt werden kann („sola haec materia ferri vires a magnete lapide accipit retinetque longo tempore“, Plin. XXXIV, 14). Die große Entdeckung der tellurischen Richtkraft hing also allein davon ab, daß man im Occident nicht durch Zufall ein längliches Fragment Magnetstein oder einen magnetisirten Eisenstab, mittelst Holz auf Wasser schwimmend oder an einem Faden hangend, in freier Bewegung beobachtet hatte. ²⁰ (S. 188.) Ein sehr langsames seculäres Fortschreiten oder gar eine locale Unveränderlichkeit der Magnet-Declination hebt die Verwirrung auf, welche durch tellurische Einwirkungen in der Quantität des räumlichen Bodenbesitzes da entsteht, wo mit völliger Unbeachtung der Declinations-Correction das Grundeigenthum, zu sehr verschiedenen Zeitepochen, durch bloße Anwendung der Bussole vermessen worden ist. „The whole mass of West-India property“, sagt Sir John Herschel, „has been saved from the bottomless pit of endless litigation by the invariability of the magnetic declination in Jamaica and the surrounding archipelago during the whole of the last century, all surveys of property there having been conducted solely by the compass.“ Vergl. Robertson in den Philos. Transact. for 1806 P. II. p. 348 on the permanency of the compass in Jamaica since 1660. In dem Mutterlande (England) hat sich die Magnet-Declination in derselben Zeit um volle 14° verändert. ²¹ (S. 188.) Ich habe an einem andern Orte gezeigt, daß man in den auf uns gekommenen Documenten über die Schiffahrten von Christoph Columbus mit vieler Sicherheit drei Ortsbestimmungen der atlantischen Linie ohne Abweichung für den 13 Sept. 1492, den 21 Mai 1496 und den 16 August 1498 erkennen kann. Die atlantische Curve ohne Abweichung war zu jenen Epochen NO—SW gerichtet. Sie berührte den südamerikanischen Continent etwas östlich vom Cap Codera, während jetzt die Berührung an der Nordküste von Brasilien beobachtet wird (Humboldt, Examen critique de l'hist. de la Géogr. T. III. p. 44–48). Aus Gilbert's Physiologia nova de Magnete sieht man deutlich (und diese Thatsache ist sehr auffallend), daß im Jahr 1600 die Abweichung noch null in der Gegend der Azoren

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/449>, abgerufen am 22.11.2024.