Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite
25 Astron. Nachr. 1844 Nr. 495. (Ueber die vermuthete Identität des Cometen von 1766 mit dem dritten Cometen von 1819 s. Astr. Nachr. 1833 Nr. 239; über die Identität des Cometen von 1743 und des vierten Cometen von 1819 s. ebendas. Nr. 237.)
26 (S. 116.) Laugier in den Comptes rendus des Seances de l'Acad. 1843 T. XVI. p. 1006.
27 (S. 119.) Fries, Vorlesungen über die Sternkunde 1833 S. 262-267. Ein nicht glücklicher Beweis von der Existenz heilbringender Cometen findet sich in Seneca, Nat. Quaest. VII, 17 und 21; der Philosoph spricht von dem Cometen, quem nos Neronis principatu laetissimo vidimus et qui cometis detraxit infamiam.
28 (S. 121.) Einer meiner Freunde, der an genaue trigonometrische Messungen gewöhnt war, sah in Popayan, einer Stadt, die in 2° 26' nördlicher Breite und in 5520 Fuß Höhe über dem Meere liegt, in der Mittagsstunde, bei hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, im Jahr 1788, sein ganzes Zimmer durch eine Feuerkugel erleuchtet. Er stand mit dem Rücken gegen das Fenster, und als er sich umdrehte, war noch ein großer Theil der von der Feuerkugel durchlaufenen Bahn vom hellsten Glanze. -- Ich würde mich gern in dem Naturgemälde, statt des widrigen Ausdruckes Sternschnuppe, der ebenfalls ächt deutschen Wörter Sternschuß oder Sternfall (schwed. stjernfall, engl. star-shoot, ital. stella cadente) bedient haben, wenn ich es mir nicht in allen meinen Schriften zum Gesetz gemacht hätte, da, wo etwas Bestimmtes und allgemein Bekanntes zu bezeichnen ist, das Ungewöhnlichere zu vermeiden. Nach der rohen Volksphysik schneuzen und putzen sich die Himmelslichter. In der Waldgegend des Orinoco, an den einsamen Ufern des Cassiquiare, vernahm ich aus dem Munde der Eingebornen in der Mission Vasiva (Relation historique du Voy. aux Regions equinox. T. II. p. 513) noch unangenehmere Benennungen. Sternschnuppen wurden von ihnen Harn der Sterne, und der Thau, welcher perlartig die schönen Blätter der Heliconien bedeckte, Speichel der Sterne genannt. Edeler und erfreulicher offenbart sich die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus von dem Wesen und der Bedeutung der Sternschnuppen. "Die Spinnerinn, werpeja, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am
25 Astron. Nachr. 1844 Nr. 495. (Ueber die vermuthete Identität des Cometen von 1766 mit dem dritten Cometen von 1819 s. Astr. Nachr. 1833 Nr. 239; über die Identität des Cometen von 1743 und des vierten Cometen von 1819 s. ebendas. Nr. 237.)
26 (S. 116.) Laugier in den Comptes rendus des Séances de l'Acad. 1843 T. XVI. p. 1006.
27 (S. 119.) Fries, Vorlesungen über die Sternkunde 1833 S. 262–267. Ein nicht glücklicher Beweis von der Existenz heilbringender Cometen findet sich in Seneca, Nat. Quaest. VII, 17 und 21; der Philosoph spricht von dem Cometen, quem nos Neronis principatu lætissimo vidimus et qui cometis detraxit infamiam.
28 (S. 121.) Einer meiner Freunde, der an genaue trigonometrische Messungen gewöhnt war, sah in Popayan, einer Stadt, die in 2° 26′ nördlicher Breite und in 5520 Fuß Höhe über dem Meere liegt, in der Mittagsstunde, bei hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, im Jahr 1788, sein ganzes Zimmer durch eine Feuerkugel erleuchtet. Er stand mit dem Rücken gegen das Fenster, und als er sich umdrehte, war noch ein großer Theil der von der Feuerkugel durchlaufenen Bahn vom hellsten Glanze. — Ich würde mich gern in dem Naturgemälde, statt des widrigen Ausdruckes Sternschnuppe, der ebenfalls ächt deutschen Wörter Sternschuß oder Sternfall (schwed. stjernfall, engl. star-shoot, ital. stella cadente) bedient haben, wenn ich es mir nicht in allen meinen Schriften zum Gesetz gemacht hätte, da, wo etwas Bestimmtes und allgemein Bekanntes zu bezeichnen ist, das Ungewöhnlichere zu vermeiden. Nach der rohen Volksphysik schneuzen und putzen sich die Himmelslichter. In der Waldgegend des Orinoco, an den einsamen Ufern des Cassiquiare, vernahm ich aus dem Munde der Eingebornen in der Mission Vasiva (Relation historique du Voy. aux Régions équinox. T. II. p. 513) noch unangenehmere Benennungen. Sternschnuppen wurden von ihnen Harn der Sterne, und der Thau, welcher perlartig die schönen Blätter der Heliconien bedeckte, Speichel der Sterne genannt. Edeler und erfreulicher offenbart sich die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus von dem Wesen und der Bedeutung der Sternschnuppen. „Die Spinnerinn, werpeja, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <note place="end" n="25" xml:id="ftn55-text" prev="#ftn55"><hi rendition="#g"><pb facs="#f0412" n="393"/>
Astron. Nachr.</hi> 1844 Nr. 495. (Ueber die vermuthete Identität des Cometen von 1766 mit dem dritten Cometen von 1819 s. <hi rendition="#g">Astr. Nachr.</hi> 1833 Nr. 239; über die Identität des Cometen von 1743 und des vierten Cometen von 1819 s. ebendas. Nr. 237.)</note>
            <note place="end" n="26" xml:id="ftn56-text" prev="#ftn56">(S. 116.) <hi rendition="#g">Laugier</hi> in den <hi rendition="#g">Comptes rendus des Séances de l'Acad.</hi> 1843 T. XVI. p. 1006.</note>
            <note place="end" n="27" xml:id="ftn57-text" prev="#ftn57">(S. 119.) <hi rendition="#g">Fries, Vorlesungen über die Sternkunde</hi> 1833 S. 262&#x2013;267. Ein nicht glücklicher Beweis von der Existenz heilbringender Cometen findet sich in <hi rendition="#g">Seneca, Nat. Quaest.</hi> VII, 17 und 21; der Philosoph spricht von dem Cometen, quem nos Neronis principatu lætissimo vidimus et qui cometis detraxit infamiam.</note>
            <note place="end" n="28" xml:id="ftn58-text" prev="#ftn58">(S. 121.) Einer meiner Freunde, der an genaue trigonometrische Messungen gewöhnt war, sah in Popayan, einer Stadt, die in 2° 26&#x2032; nördlicher Breite und in 5520 Fuß Höhe über dem Meere liegt, in der Mittagsstunde, bei hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, im Jahr 1788, sein ganzes Zimmer durch eine Feuerkugel erleuchtet. Er stand mit dem Rücken gegen das Fenster, und als er sich umdrehte, war noch ein großer Theil der von der Feuerkugel durchlaufenen Bahn vom hellsten Glanze. &#x2014; Ich würde mich gern in dem Naturgemälde, statt des widrigen Ausdruckes <hi rendition="#g">Sternschnuppe,</hi> der ebenfalls ächt deutschen Wörter <hi rendition="#g">Sternschuß</hi> oder <hi rendition="#g">Sternfall</hi> (schwed. stjernfall, engl. star-shoot, ital. stella cadente) bedient haben, wenn ich es mir nicht in allen meinen Schriften zum Gesetz gemacht hätte, da, wo etwas Bestimmtes und allgemein Bekanntes zu bezeichnen ist, das Ungewöhnlichere zu vermeiden. Nach der rohen Volksphysik <hi rendition="#g">schneuzen</hi> und <hi rendition="#g">putzen</hi> sich die <hi rendition="#g">Himmelslichter.</hi> In der Waldgegend des Orinoco, an den einsamen Ufern des Cassiquiare, vernahm ich aus dem Munde der Eingebornen in der Mission Vasiva <hi rendition="#g">(Relation historique du Voy. aux Régions équinox.</hi> T. II. p. 513) noch unangenehmere Benennungen. Sternschnuppen wurden von ihnen <hi rendition="#g">Harn der Sterne,</hi> und der Thau, welcher perlartig die schönen Blätter der Heliconien bedeckte, <hi rendition="#g">Speichel der Sterne</hi> genannt. Edeler und erfreulicher offenbart sich die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus von dem Wesen und der Bedeutung der Sternschnuppen. &#x201E;Die Spinnerinn, werpeja, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am
</note>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0412] ²⁵ Astron. Nachr. 1844 Nr. 495. (Ueber die vermuthete Identität des Cometen von 1766 mit dem dritten Cometen von 1819 s. Astr. Nachr. 1833 Nr. 239; über die Identität des Cometen von 1743 und des vierten Cometen von 1819 s. ebendas. Nr. 237.) ²⁶ (S. 116.) Laugier in den Comptes rendus des Séances de l'Acad. 1843 T. XVI. p. 1006. ²⁷ (S. 119.) Fries, Vorlesungen über die Sternkunde 1833 S. 262–267. Ein nicht glücklicher Beweis von der Existenz heilbringender Cometen findet sich in Seneca, Nat. Quaest. VII, 17 und 21; der Philosoph spricht von dem Cometen, quem nos Neronis principatu lætissimo vidimus et qui cometis detraxit infamiam. ²⁸ (S. 121.) Einer meiner Freunde, der an genaue trigonometrische Messungen gewöhnt war, sah in Popayan, einer Stadt, die in 2° 26′ nördlicher Breite und in 5520 Fuß Höhe über dem Meere liegt, in der Mittagsstunde, bei hellem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel, im Jahr 1788, sein ganzes Zimmer durch eine Feuerkugel erleuchtet. Er stand mit dem Rücken gegen das Fenster, und als er sich umdrehte, war noch ein großer Theil der von der Feuerkugel durchlaufenen Bahn vom hellsten Glanze. — Ich würde mich gern in dem Naturgemälde, statt des widrigen Ausdruckes Sternschnuppe, der ebenfalls ächt deutschen Wörter Sternschuß oder Sternfall (schwed. stjernfall, engl. star-shoot, ital. stella cadente) bedient haben, wenn ich es mir nicht in allen meinen Schriften zum Gesetz gemacht hätte, da, wo etwas Bestimmtes und allgemein Bekanntes zu bezeichnen ist, das Ungewöhnlichere zu vermeiden. Nach der rohen Volksphysik schneuzen und putzen sich die Himmelslichter. In der Waldgegend des Orinoco, an den einsamen Ufern des Cassiquiare, vernahm ich aus dem Munde der Eingebornen in der Mission Vasiva (Relation historique du Voy. aux Régions équinox. T. II. p. 513) noch unangenehmere Benennungen. Sternschnuppen wurden von ihnen Harn der Sterne, und der Thau, welcher perlartig die schönen Blätter der Heliconien bedeckte, Speichel der Sterne genannt. Edeler und erfreulicher offenbart sich die symbolisirende Einbildungskraft in dem litthauischen Mythus von dem Wesen und der Bedeutung der Sternschnuppen. „Die Spinnerinn, werpeja, beginnt den Schicksalsfaden des neugeborenen Kindes am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/412
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/412>, abgerufen am 03.10.2024.