Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.

Bild:
<< vorherige Seite

Steinkohlen) in den oberen Erdschichten vergraben wurde. Auch die Schicksale der Menschheit erkennen wir als theilweise abhängig von der Gestaltung der äußeren Erdrinde, von der Richtung der Gebirgszüge und Hochländer, von der Gliederung der gehobenen Continente. Dem forschenden Geiste ist es gegeben, in der Kette der Erscheinungen von Glied zu Glied bis dahin aufzusteigen, wo bei Erstarrung des Planeten, bei dem ersten Uebergange der geballten Materie aus der Dunstform, sich die innere Erdwärme entwickelte, welche nicht der Wirkung der Sonne zugehört.

Um den Causalzusammenhang der geognostischen Erscheinungen übersichtlich zu schildern, beginnen wir mit denen, deren Hauptcharakter dynamisch ist, in Bewegung und räumlicher Veränderung besteht. Erdbeben, Erderschütterungen zeichnen sich aus durch schnell auf einander folgende senkrechte, oder horizontale, oder rotatorische Schwingungen. Bei der nicht unbeträchtlichen Zahl derselben, die ich in beiden Welttheilen, auf dem festen Lande und zur See erlebt, haben die zwei ersten Arten der Bewegung mir sehr oft gleichzeitig geschienen. Die minenartige Explosion, senkrechte Wirkung von unten nach oben, hat sich am auffallendsten bei dem Umsturze der Stadt Riobamba (1797) gezeigt, wo viele Leichname der Einwohner auf den mehrere hundert Fuß hohen Hügel la Cullca, jenseits des Flüßchens von Lican, geschleudert wurden. Die Fortpflanzung geschieht meist in lineärer Richtung wellenförmig, mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 7 geographischen Meilen in der Minute; theils in Erschütterungskreisen oder großen Ellipsen, in denen wie aus einem

Steinkohlen) in den oberen Erdschichten vergraben wurde. Auch die Schicksale der Menschheit erkennen wir als theilweise abhängig von der Gestaltung der äußeren Erdrinde, von der Richtung der Gebirgszüge und Hochländer, von der Gliederung der gehobenen Continente. Dem forschenden Geiste ist es gegeben, in der Kette der Erscheinungen von Glied zu Glied bis dahin aufzusteigen, wo bei Erstarrung des Planeten, bei dem ersten Uebergange der geballten Materie aus der Dunstform, sich die innere Erdwärme entwickelte, welche nicht der Wirkung der Sonne zugehört.

Um den Causalzusammenhang der geognostischen Erscheinungen übersichtlich zu schildern, beginnen wir mit denen, deren Hauptcharakter dynamisch ist, in Bewegung und räumlicher Veränderung besteht. Erdbeben, Erderschütterungen zeichnen sich aus durch schnell auf einander folgende senkrechte, oder horizontale, oder rotatorische Schwingungen. Bei der nicht unbeträchtlichen Zahl derselben, die ich in beiden Welttheilen, auf dem festen Lande und zur See erlebt, haben die zwei ersten Arten der Bewegung mir sehr oft gleichzeitig geschienen. Die minenartige Explosion, senkrechte Wirkung von unten nach oben, hat sich am auffallendsten bei dem Umsturze der Stadt Riobamba (1797) gezeigt, wo viele Leichname der Einwohner auf den mehrere hundert Fuß hohen Hügel la Cullca, jenseits des Flüßchens von Lican, geschleudert wurden. Die Fortpflanzung geschieht meist in lineärer Richtung wellenförmig, mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 7 geographischen Meilen in der Minute; theils in Erschütterungskreisen oder großen Ellipsen, in denen wie aus einem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="210"/>
Steinkohlen) in den oberen Erdschichten vergraben wurde. Auch die Schicksale der Menschheit erkennen wir als theilweise abhängig von der Gestaltung der äußeren Erdrinde, von der Richtung der Gebirgszüge und Hochländer, von der Gliederung der gehobenen Continente. Dem forschenden Geiste ist es gegeben, in der Kette der Erscheinungen von Glied zu Glied bis dahin aufzusteigen, wo bei Erstarrung des Planeten, bei dem ersten Uebergange der geballten Materie aus der Dunstform, sich die innere Erdwärme entwickelte, welche nicht der Wirkung der Sonne zugehört.</p>
          <p>Um den Causalzusammenhang der geognostischen Erscheinungen übersichtlich zu schildern, beginnen wir mit denen, deren Hauptcharakter dynamisch ist, in Bewegung und räumlicher Veränderung besteht. <hi rendition="#g">Erdbeben, Erderschütterungen</hi> zeichnen sich aus durch schnell auf einander folgende senkrechte, oder horizontale, oder rotatorische Schwingungen. Bei der nicht unbeträchtlichen Zahl derselben, die ich in beiden Welttheilen, auf dem festen Lande und zur See erlebt, haben die zwei ersten Arten der Bewegung mir sehr oft gleichzeitig geschienen. Die minenartige Explosion, senkrechte Wirkung von unten nach oben, hat sich am auffallendsten bei dem Umsturze der Stadt Riobamba (1797) gezeigt, wo viele Leichname der Einwohner auf den mehrere hundert Fuß hohen Hügel la Cullca, jenseits des Flüßchens von Lican, geschleudert wurden. Die Fortpflanzung geschieht meist in lineärer Richtung wellenförmig, mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 7 geographischen Meilen in der Minute; theils in Erschütterungskreisen oder großen Ellipsen, in denen wie aus einem
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0229] Steinkohlen) in den oberen Erdschichten vergraben wurde. Auch die Schicksale der Menschheit erkennen wir als theilweise abhängig von der Gestaltung der äußeren Erdrinde, von der Richtung der Gebirgszüge und Hochländer, von der Gliederung der gehobenen Continente. Dem forschenden Geiste ist es gegeben, in der Kette der Erscheinungen von Glied zu Glied bis dahin aufzusteigen, wo bei Erstarrung des Planeten, bei dem ersten Uebergange der geballten Materie aus der Dunstform, sich die innere Erdwärme entwickelte, welche nicht der Wirkung der Sonne zugehört. Um den Causalzusammenhang der geognostischen Erscheinungen übersichtlich zu schildern, beginnen wir mit denen, deren Hauptcharakter dynamisch ist, in Bewegung und räumlicher Veränderung besteht. Erdbeben, Erderschütterungen zeichnen sich aus durch schnell auf einander folgende senkrechte, oder horizontale, oder rotatorische Schwingungen. Bei der nicht unbeträchtlichen Zahl derselben, die ich in beiden Welttheilen, auf dem festen Lande und zur See erlebt, haben die zwei ersten Arten der Bewegung mir sehr oft gleichzeitig geschienen. Die minenartige Explosion, senkrechte Wirkung von unten nach oben, hat sich am auffallendsten bei dem Umsturze der Stadt Riobamba (1797) gezeigt, wo viele Leichname der Einwohner auf den mehrere hundert Fuß hohen Hügel la Cullca, jenseits des Flüßchens von Lican, geschleudert wurden. Die Fortpflanzung geschieht meist in lineärer Richtung wellenförmig, mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 7 geographischen Meilen in der Minute; theils in Erschütterungskreisen oder großen Ellipsen, in denen wie aus einem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/229
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/229>, abgerufen am 24.11.2024.