Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845.noch übrig, unter den um die Sonne in eigenen Bahnen kreisenden und von ihr erleuchteten Weltkörpern die ungezählte Schaar der Cometen zu nennen. Wenn man eine gleichmäßige Vertheilung ihrer Bahnen, die Grenze ihrer Perihelien (Sonnennähen), und die Möglichkeit ihres Unsichtbarbleibens für die Erdbewohner nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits-Rechnung abwägt, so findet man eine Zahl von Myriaden, über welche die Einbildungskraft erstaunt. Schon Kepler sagte mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks: es gebe in den Welträumen mehr Cometen, als Fische in den Tiefen des Oceans. Indeß sind der berechneten Bahnen kaum noch 150, wenn die Zahl der Cometen, über deren Erscheinung und Lauf durch bekannte Sternbilder man mehr oder minder rohe Andeutungen hat, auf sechs- oder siebenhundert geschätzt werden kann. Während die sogenannten classischen Völker des Occidents, Griechen und Römer, wohl bisweilen den Ort angeben, wo ein Comet zuerst am Himmel gesehen ward, nie etwas über seine scheinbare Bahn, so bietet die reiche Litteratur der naturbeobachtenden, alles aufzeichnenden Chinesen umständliche Notizen über die Sternbilder dar, welche jeglicher Comet durchlief. Solche Notizen reichen bis mehr denn fünf Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung hinauf, und viele derselben werden noch heute12 von den Astronomen benutzt. Von allen planetarischen Weltkörpern erfüllen die Cometen, bei der kleinsten Masse (nach einzelnen bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich weit unter 1/5000 der Erdmasse), mit ihren oft viele Millionen Meilen langen und weit ausgebreiteten Schweifen den größten Raum. Der lichtreflectirende Dunstkegel, den sie ausstrahlen, ist noch übrig, unter den um die Sonne in eigenen Bahnen kreisenden und von ihr erleuchteten Weltkörpern die ungezählte Schaar der Cometen zu nennen. Wenn man eine gleichmäßige Vertheilung ihrer Bahnen, die Grenze ihrer Perihelien (Sonnennähen), und die Möglichkeit ihres Unsichtbarbleibens für die Erdbewohner nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits-Rechnung abwägt, so findet man eine Zahl von Myriaden, über welche die Einbildungskraft erstaunt. Schon Kepler sagte mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks: es gebe in den Welträumen mehr Cometen, als Fische in den Tiefen des Oceans. Indeß sind der berechneten Bahnen kaum noch 150, wenn die Zahl der Cometen, über deren Erscheinung und Lauf durch bekannte Sternbilder man mehr oder minder rohe Andeutungen hat, auf sechs- oder siebenhundert geschätzt werden kann. Während die sogenannten classischen Völker des Occidents, Griechen und Römer, wohl bisweilen den Ort angeben, wo ein Comet zuerst am Himmel gesehen ward, nie etwas über seine scheinbare Bahn, so bietet die reiche Litteratur der naturbeobachtenden, alles aufzeichnenden Chinesen umständliche Notizen über die Sternbilder dar, welche jeglicher Comet durchlief. Solche Notizen reichen bis mehr denn fünf Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung hinauf, und viele derselben werden noch heute12 von den Astronomen benutzt. Von allen planetarischen Weltkörpern erfüllen die Cometen, bei der kleinsten Masse (nach einzelnen bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich weit unter 1/5000 der Erdmasse), mit ihren oft viele Millionen Meilen langen und weit ausgebreiteten Schweifen den größten Raum. Der lichtreflectirende Dunstkegel, den sie ausstrahlen, ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="105"/> noch übrig, unter den um die Sonne in eigenen Bahnen kreisenden und von ihr erleuchteten Weltkörpern die ungezählte Schaar der <hi rendition="#g">Cometen</hi> zu nennen. Wenn man eine gleichmäßige Vertheilung ihrer Bahnen, die Grenze ihrer Perihelien (Sonnennähen), und die Möglichkeit ihres Unsichtbarbleibens für die Erdbewohner nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits-Rechnung abwägt, so findet man eine Zahl von Myriaden, über welche die Einbildungskraft erstaunt. Schon Kepler sagte mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks: es gebe in den Welträumen mehr Cometen, als Fische in den Tiefen des Oceans. Indeß sind der berechneten Bahnen kaum noch 150, wenn die Zahl der Cometen, über deren Erscheinung und Lauf durch bekannte Sternbilder man mehr oder minder rohe Andeutungen hat, auf sechs- oder siebenhundert geschätzt werden kann. Während die sogenannten classischen Völker des Occidents, Griechen und Römer, wohl bisweilen den Ort angeben, wo ein Comet zuerst am Himmel gesehen ward, nie etwas über seine scheinbare Bahn, so bietet die reiche Litteratur der naturbeobachtenden, alles aufzeichnenden Chinesen umständliche Notizen über die Sternbilder dar, welche jeglicher Comet durchlief. Solche Notizen reichen bis mehr denn fünf Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung hinauf, und viele derselben werden noch heute<note xml:id="ftn42" next="ftn42-text" place="end" n="12"/> von den Astronomen benutzt.</p> <p>Von allen planetarischen Weltkörpern erfüllen die Cometen, bei der kleinsten Masse (nach einzelnen bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich weit unter 1/5000 der Erdmasse), mit ihren oft viele Millionen Meilen langen und weit ausgebreiteten Schweifen den größten Raum. Der lichtreflectirende Dunstkegel, den sie ausstrahlen, ist </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [105/0124]
noch übrig, unter den um die Sonne in eigenen Bahnen kreisenden und von ihr erleuchteten Weltkörpern die ungezählte Schaar der Cometen zu nennen. Wenn man eine gleichmäßige Vertheilung ihrer Bahnen, die Grenze ihrer Perihelien (Sonnennähen), und die Möglichkeit ihres Unsichtbarbleibens für die Erdbewohner nach den Regeln der Wahrscheinlichkeits-Rechnung abwägt, so findet man eine Zahl von Myriaden, über welche die Einbildungskraft erstaunt. Schon Kepler sagte mit der ihm eigenen Lebendigkeit des Ausdrucks: es gebe in den Welträumen mehr Cometen, als Fische in den Tiefen des Oceans. Indeß sind der berechneten Bahnen kaum noch 150, wenn die Zahl der Cometen, über deren Erscheinung und Lauf durch bekannte Sternbilder man mehr oder minder rohe Andeutungen hat, auf sechs- oder siebenhundert geschätzt werden kann. Während die sogenannten classischen Völker des Occidents, Griechen und Römer, wohl bisweilen den Ort angeben, wo ein Comet zuerst am Himmel gesehen ward, nie etwas über seine scheinbare Bahn, so bietet die reiche Litteratur der naturbeobachtenden, alles aufzeichnenden Chinesen umständliche Notizen über die Sternbilder dar, welche jeglicher Comet durchlief. Solche Notizen reichen bis mehr denn fünf Jahrhunderte vor der christlichen Zeitrechnung hinauf, und viele derselben werden noch heute
¹²
von den Astronomen benutzt.
Von allen planetarischen Weltkörpern erfüllen die Cometen, bei der kleinsten Masse (nach einzelnen bisherigen Erfahrungen wahrscheinlich weit unter 1/5000 der Erdmasse), mit ihren oft viele Millionen Meilen langen und weit ausgebreiteten Schweifen den größten Raum. Der lichtreflectirende Dunstkegel, den sie ausstrahlen, ist
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/124 |
Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 1. Stuttgart u. a., 1845, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos01_1845/124>, abgerufen am 27.07.2024. |