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Humboldt, Alexander von: Die Insel King. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 67 (1810), S. 265-267, 270-272.

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Die Fischer bedienen sich eines eben so einfachen als wohl-
feilen Mittels, sich die ungeheure Menge Fleisch zu verschaf-
fen, die sie verzehren. Auf den unbewohnten Jnseln, von
welchen hier die Rede ist, haben sich die verschiedenen Thier-
gattungen, welche die Natur dahin gesetzt hat, seit Jahr-
hunderten ungestört vermehren und anhäufen können; auch
zählt jede dieser Gattungen daselbst zahlreiche Stämme:
die wichtigsten sind auf der Jnsel King die Känguruhe
und die Kasuare, die beyde sehr schnell laufen können, und
die Wombate, welche weder fliehen, noch sich vertheidigen
können. Jede Art von Jagd ist hinreichend, um sich diese
letztern zu verschaffen; was die Kasuare und die Känguruhe
betrifft, so haben die Fischer, um ihnen beyzukommen,
Hunde abgerichtet, welche allein die Wälder durchstreichen, und,
mit seltenen Ausnahmen, täglich mehrere von diesen Thieren
erwürgen; wenn die Streiferey zu Ende ist, so lassen die
Hunde ihre Beute liegen, kommen zu ihren Herren gelaufen,
und melden durch unzweydeutige Zeichen den Erfolg ihrer Jagd.
Einige Mann brechen dann auf, geben diesen verständigen
Lieferanten nach, die, ohne zu irren, sie an die Oerter
führen, wo ihre Schlachtopfer liegen. Mit einem einzi-
gen von jenen Jagdhunden fingen wir in einigen Tagen eine
so große Menge großer Känguruhe, daß wir es für wahr-
scheinlich hielten, daß eine kleine Anzahl solcher Hunde,
die man auf der Jnsel liesse, hinreichen würde, das ganze
Geschlecht dieser unschädlichen Thiere auszurotten.

Diese Leichtigkeit, womit die englischen Fischer sich die
nöthigen Lebensmittel verschaffen können, macht den Han-
del, der sie beschäftigt, viel wichtiger. Mit einigen ge-
ringen Vorräthen von gesalzenem Fleische, von Mehl oder
von Zwieback, um gegen unvorgesehene Zufälle geschützt zu
seyn, können diese Menschen sich ganze Jahre lang erhal-
ten, ohne denen, von welchen sie ausgeschickt werden, et-
was zu kosten. Die meisten von ihnen wenden auch nicht
viel für Kleidung auf; denn sie geben den Häuten von
Känguruhen und Seehunden einige kunstlose, einfache Be-
reitung, und wissen dann sich Kleider daraus zu machen.
Alle diese Umstände, so kleinlich sie scheinen mögen, hän-
gen doch wesentlich mit der Geschichte der englischen Fi-
schereyen in den Südgegenden zusammen; dergleichen spar-
same Einrichtungen haben an dem ungeheuern Gewinn, wel-
chen die brittischen Seefahrer von ihren Fahrten nach diesen
fernen Gestaden ziehen, gewiß auch ihren Antheil.

Jndessen erschien der Geograph nicht wieder, obschon
der Sturm seit zwey Tagen aufgehört hatte; und unsre
Besorgnisse über das Schicksal dieses Schiffes wurden um
so heftiger, je besser wir alle Gefahren der Meerenge Baß
kannten. Ueberdies hatten die Engländer, welche bis jetzt
so sorgfältig für unsern Unterhalt gesorgt hatten, eben
einen von ihren Hunden verloren, der sich in den Wäldern
verlaufen hatte; und da wenige Tage vor unserer Ankunft
ein anderer Hund von dieser Gattung in fünf Minuten
an dem giftigen Bisse einer dreyeckigen Schlange gestor-
ben war, so war nur noch ein einziger übrig, um die ge-
meinschaftliche Verproviantirung zu besorgen. Jndem der
gute Cowper uns diese traurige Nachricht meldete, ver-
[Spaltenumbruch] sprach er uns höflicher Weise, Alles für uns aufzubehal-
ten, was ihm an seiner eigenen und seiner Leute Portion
abzubrechen möglich wäre; aber er verbarg uns seine Be-
sorgnisse über unser künftiges Schicksal nicht, auf den Fall,
daß unser Schiff gar nicht wieder erscheinen würde. ...

Damals besonders fühlten wir peinlicher, als jemals alle
schlimme Folgen der elenden Hartnäckigkeit, womit unser
Kommandant den Mannschaften, die er zum Aufenthalte
auf dem festen Lande ausschickte, Waffen und Munition
verweigerte.

Glücklicher Weise verließ das günstige Geschick, das uns
während der Reise so oft gedient hatte, uns auch in dieser
letzten Noth nicht; der Geograph kam am 23ten Abends
wieder zum Vorschein, und am Morgen des andern Tages
machte ein Boot, welches abgefertigt wurde, um uns ab-
zuholen, unserer Angst und unsern bangen Besorgnissen
ein Ende.



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Die Fiſcher bedienen ſich eines eben ſo einfachen als wohl-
feilen Mittels, ſich die ungeheure Menge Fleiſch zu verſchaf-
fen, die ſie verzehren. Auf den unbewohnten Jnſeln, von
welchen hier die Rede iſt, haben ſich die verſchiedenen Thier-
gattungen, welche die Natur dahin geſetzt hat, ſeit Jahr-
hunderten ungeſtört vermehren und anhäufen können; auch
zählt jede dieſer Gattungen daſelbſt zahlreiche Stämme:
die wichtigſten ſind auf der Jnſel King die Känguruhe
und die Kaſuare, die beyde ſehr ſchnell laufen können, und
die Wombate, welche weder fliehen, noch ſich vertheidigen
können. Jede Art von Jagd iſt hinreichend, um ſich dieſe
letztern zu verſchaffen; was die Kaſuare und die Känguruhe
betrifft, ſo haben die Fiſcher, um ihnen beyzukommen,
Hunde abgerichtet, welche allein die Wälder durchſtreichen, und,
mit ſeltenen Ausnahmen, täglich mehrere von dieſen Thieren
erwürgen; wenn die Streiferey zu Ende iſt, ſo laſſen die
Hunde ihre Beute liegen, kommen zu ihren Herren gelaufen,
und melden durch unzweydeutige Zeichen den Erfolg ihrer Jagd.
Einige Mann brechen dann auf, geben dieſen verſtändigen
Lieferanten nach, die, ohne zu irren, ſie an die Oerter
führen, wo ihre Schlachtopfer liegen. Mit einem einzi-
gen von jenen Jagdhunden fingen wir in einigen Tagen eine
ſo große Menge großer Känguruhe, daß wir es für wahr-
ſcheinlich hielten, daß eine kleine Anzahl ſolcher Hunde,
die man auf der Jnſel lieſſe, hinreichen würde, das ganze
Geſchlecht dieſer unſchädlichen Thiere auszurotten.

Dieſe Leichtigkeit, womit die engliſchen Fiſcher ſich die
nöthigen Lebensmittel verſchaffen können, macht den Han-
del, der ſie beſchäftigt, viel wichtiger. Mit einigen ge-
ringen Vorräthen von geſalzenem Fleiſche, von Mehl oder
von Zwieback, um gegen unvorgeſehene Zufälle geſchützt zu
ſeyn, können dieſe Menſchen ſich ganze Jahre lang erhal-
ten, ohne denen, von welchen ſie ausgeſchickt werden, et-
was zu koſten. Die meiſten von ihnen wenden auch nicht
viel für Kleidung auf; denn ſie geben den Häuten von
Känguruhen und Seehunden einige kunſtloſe, einfache Be-
reitung, und wiſſen dann ſich Kleider daraus zu machen.
Alle dieſe Umſtände, ſo kleinlich ſie ſcheinen mögen, hän-
gen doch weſentlich mit der Geſchichte der engliſchen Fi-
ſchereyen in den Südgegenden zuſammen; dergleichen ſpar-
ſame Einrichtungen haben an dem ungeheuern Gewinn, wel-
chen die brittiſchen Seefahrer von ihren Fahrten nach dieſen
fernen Geſtaden ziehen, gewiß auch ihren Antheil.

Jndeſſen erſchien der Geograph nicht wieder, obſchon
der Sturm ſeit zwey Tagen aufgehört hatte; und unſre
Beſorgniſſe über das Schickſal dieſes Schiffes wurden um
ſo heftiger, je beſſer wir alle Gefahren der Meerenge Baß
kannten. Ueberdies hatten die Engländer, welche bis jetzt
ſo ſorgfältig für unſern Unterhalt geſorgt hatten, eben
einen von ihren Hunden verloren, der ſich in den Wäldern
verlaufen hatte; und da wenige Tage vor unſerer Ankunft
ein anderer Hund von dieſer Gattung in fünf Minuten
an dem giftigen Biſſe einer dreyeckigen Schlange geſtor-
ben war, ſo war nur noch ein einziger übrig, um die ge-
meinſchaftliche Verproviantirung zu beſorgen. Jndem der
gute Cowper uns dieſe traurige Nachricht meldete, ver-
[Spaltenumbruch] ſprach er uns höflicher Weiſe, Alles für uns aufzubehal-
ten, was ihm an ſeiner eigenen und ſeiner Leute Portion
abzubrechen möglich wäre; aber er verbarg uns ſeine Be-
ſorgniſſe über unſer künftiges Schickſal nicht, auf den Fall,
daß unſer Schiff gar nicht wieder erſcheinen würde. …

Damals beſonders fühlten wir peinlicher, als jemals alle
ſchlimme Folgen der elenden Hartnäckigkeit, womit unſer
Kommandant den Mannſchaften, die er zum Aufenthalte
auf dem feſten Lande ausſchickte, Waffen und Munition
verweigerte.

Glücklicher Weiſe verließ das günſtige Geſchick, das uns
während der Reiſe ſo oft gedient hatte, uns auch in dieſer
letzten Noth nicht; der Geograph kam am 23ten Abends
wieder zum Vorſchein, und am Morgen des andern Tages
machte ein Boot, welches abgefertigt wurde, um uns ab-
zuholen, unſerer Angſt und unſern bangen Beſorgniſſen
ein Ende.



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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Die Insel King. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 67 (1810), S. 265-267, 270-272, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_insel_1810/6>, abgerufen am 22.11.2024.