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Humboldt, Alexander von: Die Insel King. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 67 (1810), S. 265-267, 270-272.

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Die Jnsel King.

(Beschluß.)

Wenn man die eben erwähnten zoologischen Produkte in
Rücksicht auf den Unterhalt des Menschen betrachtet, so
findet man, daß sie zahlreiche und wichtige Vortheile ge-
währen. Die Känguruhe der Jnsel King haben ein zarteres
und schmackhafteres Fleisch, als die Thiere von eben diesem
Geschlechte, welche auf dem nahen festen Lande verbreitet
sind. Schon ist der Wombat von den englischen Fischern in
den Hausstand versetzt; den Tag über sucht er die Nahrung,
deren er bedarf, in den Wäldern, und des Abends kommt
er wieder in die Hütte, die ihm zum Aufenthalte dient.
Er ist ein sanftes und dummes Thier, und schätzbar wegen
seines köstlichen Fleisches, welches uns vorzüglicher geschie-
nen hat, als das Fleisch von allen andern Thieren dieser
Gegenden. Die Zunge der ungeheuern Seehunde wird von
[Spaltenumbruch] den Fischern für ein gutes Essen gehalten. Der mächtige,
16 bis 22 Decimeter hohe, Kasuar gibt Eier so groß als
die Straussen-Eier, und zarter als diese letztern: das Fleisch
dieses Vogels vom Südpole hält gleichsam das Mittel zwi-
schen dem Fleische des Truthahns und des jungen Schweins,
und ist wahrhaft vortrefflich. Die unzähligen Haufen von
Seeraben, von Sturmvögeln, von Möwen und von Fett-
gänsen, die sich auf dem See-Elephanten-Felsen, und auf
der Jnsel, zu welcher er gehört, aufhalten, gewähren, einen
Theil des Jahres über, Eier zu Tausenden, und diese sind
fast eben so gut, als die von unsern Haushühnern. Endlich
machen die verschiedenen Crustaceen und die Schalthiere, von
welchen es in diesen Gegenden wimmelt, den ganzen Reich-
thum an Hülfsmitteln vollständig, welche die Natur hier
dem Menschen darbietet.

Hiermit habe ich die allgemeine Schilderung der Jnsel
King in Kürze entworfen; nun müssen auch die umständli-
chen Nachrichten von unsern Arbeiten und von unsern Ge-
fahren mitgetheilt werden. Jch habe bereits erzählt, daß
die Naturforscher, am 10ten Abends, abgereiset waren,
um ihren Aufenthalt in dem Hintergrunde der Elephanten-
Bay zu nehmen. Diese Bay ist an der östlichen Kuste der
Jnsel, hat eine Oeffnung von nicht mehr als zwey Meilen,
und endigt sich in Süden mit der Landspitze Plumier, in
Norden mit der Landspitze Cowper. Sie ist bey weitem
nicht so tief, als die ihr gegenüber liegende Hayenbay,
und hat den schätzbaren Vortheil, daß sie vor den Westwin-
den mehr gesichert ist; aber sie ist doch nicht viel weniger
gefährlich: was wir sogleich sagen werden, wird dieses hin-
länglich beweisen. Der ganze Hintergrund dieser Bay war,
als wir daselbst landeten, mit See-Elephanten bedeckt, wel-
che sich durch ihre braune Farbe auf dem weißlichen Sand-
Ufer stark auszeichneten, und von fern lauter große schwarze
Steine zu seyn schienen. Bey unserm Anblicke flohen einige
von diesen Thieren unter gräßlichem Brüllen davon; andre
hingegen blieben unbeweglich auf dem Sande, und sahen
uns gleichgültig und gelassen an.

Kaum fingen wir an unsre Zelte aufzuschlagen, als
wir sechs englische Fischer erscheinen sahen, welche uns auf
die verbindlichste Weise ihre Dienste anboten; unter diesen
waren zwey, wegen politischer Meinungen verbannte und
zu dem elendesten Zustande verurtheilte, Jrländer. Von
dem Oberhaupte dieser Fischer, Namens Cowper, hör-
ten wir, daß er sich mit zehn Mann seit dreizehn Monaten
auf der Jnsel aufhalte, um Seethiere zu fangen, um von
ihrem Thran und Pelzwerke die Ladung einiger nach Sina
bestimmten Schiffe zuzurüsten; daß er diese Schiffe mit de-
sto größerer Ungedult erwarte, da die Tonnen, die man ihm
übergeben habe, längst alle gefüllt seyen, und er sich zu ei-
ner, für ihn sehr nachtheiligen, Unthätigkeit gezwungen sehe.

Am 12 December, gegen 3 Uhr Nachmittags, sahen
wir, nach einem ungestümen Winde aus Südwesten, den

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Die Jnſel King.

(Beſchluß.)

Wenn man die eben erwähnten zoologiſchen Produkte in
Rückſicht auf den Unterhalt des Menſchen betrachtet, ſo
findet man, daß ſie zahlreiche und wichtige Vortheile ge-
währen. Die Känguruhe der Jnſel King haben ein zarteres
und ſchmackhafteres Fleiſch, als die Thiere von eben dieſem
Geſchlechte, welche auf dem nahen feſten Lande verbreitet
ſind. Schon iſt der Wombat von den engliſchen Fiſchern in
den Hausſtand verſetzt; den Tag über ſucht er die Nahrung,
deren er bedarf, in den Wäldern, und des Abends kommt
er wieder in die Hütte, die ihm zum Aufenthalte dient.
Er iſt ein ſanftes und dummes Thier, und ſchätzbar wegen
ſeines köſtlichen Fleiſches, welches uns vorzüglicher geſchie-
nen hat, als das Fleiſch von allen andern Thieren dieſer
Gegenden. Die Zunge der ungeheuern Seehunde wird von
[Spaltenumbruch] den Fiſchern für ein gutes Eſſen gehalten. Der mächtige,
16 bis 22 Decimeter hohe, Kaſuar gibt Eier ſo groß als
die Strauſſen-Eier, und zarter als dieſe letztern: das Fleiſch
dieſes Vogels vom Südpole hält gleichſam das Mittel zwi-
ſchen dem Fleiſche des Truthahns und des jungen Schweins,
und iſt wahrhaft vortrefflich. Die unzähligen Haufen von
Seeraben, von Sturmvögeln, von Möwen und von Fett-
gänſen, die ſich auf dem See-Elephanten-Felſen, und auf
der Jnſel, zu welcher er gehört, aufhalten, gewähren, einen
Theil des Jahres über, Eier zu Tauſenden, und dieſe ſind
faſt eben ſo gut, als die von unſern Haushühnern. Endlich
machen die verſchiedenen Cruſtaceen und die Schalthiere, von
welchen es in dieſen Gegenden wimmelt, den ganzen Reich-
thum an Hülfsmitteln vollſtändig, welche die Natur hier
dem Menſchen darbietet.

Hiermit habe ich die allgemeine Schilderung der Jnſel
King in Kürze entworfen; nun müſſen auch die umſtändli-
chen Nachrichten von unſern Arbeiten und von unſern Ge-
fahren mitgetheilt werden. Jch habe bereits erzählt, daß
die Naturforſcher, am 10ten Abends, abgereiſet waren,
um ihren Aufenthalt in dem Hintergrunde der Elephanten-
Bay zu nehmen. Dieſe Bay iſt an der öſtlichen Kuſte der
Jnſel, hat eine Oeffnung von nicht mehr als zwey Meilen,
und endigt ſich in Süden mit der Landſpitze Plumier, in
Norden mit der Landſpitze Cowper. Sie iſt bey weitem
nicht ſo tief, als die ihr gegenüber liegende Hayenbay,
und hat den ſchätzbaren Vortheil, daß ſie vor den Weſtwin-
den mehr geſichert iſt; aber ſie iſt doch nicht viel weniger
gefährlich: was wir ſogleich ſagen werden, wird dieſes hin-
länglich beweiſen. Der ganze Hintergrund dieſer Bay war,
als wir daſelbſt landeten, mit See-Elephanten bedeckt, wel-
che ſich durch ihre braune Farbe auf dem weißlichen Sand-
Ufer ſtark auszeichneten, und von fern lauter große ſchwarze
Steine zu ſeyn ſchienen. Bey unſerm Anblicke flohen einige
von dieſen Thieren unter gräßlichem Brüllen davon; andre
hingegen blieben unbeweglich auf dem Sande, und ſahen
uns gleichgültig und gelaſſen an.

Kaum fingen wir an unſre Zelte aufzuſchlagen, als
wir ſechs engliſche Fiſcher erſcheinen ſahen, welche uns auf
die verbindlichſte Weiſe ihre Dienſte anboten; unter dieſen
waren zwey, wegen politiſcher Meinungen verbannte und
zu dem elendeſten Zuſtande verurtheilte, Jrländer. Von
dem Oberhaupte dieſer Fiſcher, Namens Cowper, hör-
ten wir, daß er ſich mit zehn Mann ſeit dreizehn Monaten
auf der Jnſel aufhalte, um Seethiere zu fangen, um von
ihrem Thran und Pelzwerke die Ladung einiger nach Sina
beſtimmten Schiffe zuzurüſten; daß er dieſe Schiffe mit de-
ſto größerer Ungedult erwarte, da die Tonnen, die man ihm
übergeben habe, längſt alle gefüllt ſeyen, und er ſich zu ei-
ner, für ihn ſehr nachtheiligen, Unthätigkeit gezwungen ſehe.

Am 12 December, gegen 3 Uhr Nachmittags, ſahen
wir, nach einem ungeſtümen Winde aus Südweſten, den

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[270/0004] __________________________________ Die Jnſel King. (Beſchluß.) Wenn man die eben erwähnten zoologiſchen Produkte in Rückſicht auf den Unterhalt des Menſchen betrachtet, ſo findet man, daß ſie zahlreiche und wichtige Vortheile ge- währen. Die Känguruhe der Jnſel King haben ein zarteres und ſchmackhafteres Fleiſch, als die Thiere von eben dieſem Geſchlechte, welche auf dem nahen feſten Lande verbreitet ſind. Schon iſt der Wombat von den engliſchen Fiſchern in den Hausſtand verſetzt; den Tag über ſucht er die Nahrung, deren er bedarf, in den Wäldern, und des Abends kommt er wieder in die Hütte, die ihm zum Aufenthalte dient. Er iſt ein ſanftes und dummes Thier, und ſchätzbar wegen ſeines köſtlichen Fleiſches, welches uns vorzüglicher geſchie- nen hat, als das Fleiſch von allen andern Thieren dieſer Gegenden. Die Zunge der ungeheuern Seehunde wird von den Fiſchern für ein gutes Eſſen gehalten. Der mächtige, 16 bis 22 Decimeter hohe, Kaſuar gibt Eier ſo groß als die Strauſſen-Eier, und zarter als dieſe letztern: das Fleiſch dieſes Vogels vom Südpole hält gleichſam das Mittel zwi- ſchen dem Fleiſche des Truthahns und des jungen Schweins, und iſt wahrhaft vortrefflich. Die unzähligen Haufen von Seeraben, von Sturmvögeln, von Möwen und von Fett- gänſen, die ſich auf dem See-Elephanten-Felſen, und auf der Jnſel, zu welcher er gehört, aufhalten, gewähren, einen Theil des Jahres über, Eier zu Tauſenden, und dieſe ſind faſt eben ſo gut, als die von unſern Haushühnern. Endlich machen die verſchiedenen Cruſtaceen und die Schalthiere, von welchen es in dieſen Gegenden wimmelt, den ganzen Reich- thum an Hülfsmitteln vollſtändig, welche die Natur hier dem Menſchen darbietet. Hiermit habe ich die allgemeine Schilderung der Jnſel King in Kürze entworfen; nun müſſen auch die umſtändli- chen Nachrichten von unſern Arbeiten und von unſern Ge- fahren mitgetheilt werden. Jch habe bereits erzählt, daß die Naturforſcher, am 10ten Abends, abgereiſet waren, um ihren Aufenthalt in dem Hintergrunde der Elephanten- Bay zu nehmen. Dieſe Bay iſt an der öſtlichen Kuſte der Jnſel, hat eine Oeffnung von nicht mehr als zwey Meilen, und endigt ſich in Süden mit der Landſpitze Plumier, in Norden mit der Landſpitze Cowper. Sie iſt bey weitem nicht ſo tief, als die ihr gegenüber liegende Hayenbay, und hat den ſchätzbaren Vortheil, daß ſie vor den Weſtwin- den mehr geſichert iſt; aber ſie iſt doch nicht viel weniger gefährlich: was wir ſogleich ſagen werden, wird dieſes hin- länglich beweiſen. Der ganze Hintergrund dieſer Bay war, als wir daſelbſt landeten, mit See-Elephanten bedeckt, wel- che ſich durch ihre braune Farbe auf dem weißlichen Sand- Ufer ſtark auszeichneten, und von fern lauter große ſchwarze Steine zu ſeyn ſchienen. Bey unſerm Anblicke flohen einige von dieſen Thieren unter gräßlichem Brüllen davon; andre hingegen blieben unbeweglich auf dem Sande, und ſahen uns gleichgültig und gelaſſen an. Kaum fingen wir an unſre Zelte aufzuſchlagen, als wir ſechs engliſche Fiſcher erſcheinen ſahen, welche uns auf die verbindlichſte Weiſe ihre Dienſte anboten; unter dieſen waren zwey, wegen politiſcher Meinungen verbannte und zu dem elendeſten Zuſtande verurtheilte, Jrländer. Von dem Oberhaupte dieſer Fiſcher, Namens Cowper, hör- ten wir, daß er ſich mit zehn Mann ſeit dreizehn Monaten auf der Jnſel aufhalte, um Seethiere zu fangen, um von ihrem Thran und Pelzwerke die Ladung einiger nach Sina beſtimmten Schiffe zuzurüſten; daß er dieſe Schiffe mit de- ſto größerer Ungedult erwarte, da die Tonnen, die man ihm übergeben habe, längſt alle gefüllt ſeyen, und er ſich zu ei- ner, für ihn ſehr nachtheiligen, Unthätigkeit gezwungen ſehe. Am 12 December, gegen 3 Uhr Nachmittags, ſahen wir, nach einem ungeſtümen Winde aus Südweſten, den

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Die Insel King. In: Morgenblatt für gebildete Stände, Nr. 67 (1810), S. 265-267, 270-272, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_insel_1810/4>, abgerufen am 22.11.2024.