Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpf- Ungleich ist der Teppich gewebt, den die Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpf- Ungleich ist der Teppich gewebt, den die <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0005" n="6"/> <p>Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpf-<lb/> wasser verbergen zahllose Gewürme von wunder-<lb/> barer Gestalt. Unserem Auge fast unerkennbar<lb/> sind die Cyclidien, die gefranzten Trichoden und<lb/> das Heer der Naiden, theilbar durch Aeste, wie<lb/> die Lemna, deren Schatten sie suchen. Von<lb/> mannichfaltigen Luftgemengen umgeben, und<lb/> mit dem Lichte unbekannt, athmen: die geflekte<lb/> Askaris, welche die Haut des Regenwurms, die<lb/> silberglänzende Leukophra, welche das Innere<lb/> der Ufer-Naide, und der Echynorynchus, welcher<lb/> die weitzellige Lunge der tropischen Klapper-<lb/> schlange bewohnt. So sind auch die verborgen-<lb/> sten Räume der Schöpfung mit Leben erfüllt.<lb/> Wir wollen hier bescheiden bei den Geschlech-<lb/> tern der Pflanzen verweilen; denn auf ihrem Da-<lb/> sein beruht das Dasein der thierischen Schöpfung.<lb/> Unablässig sind sie bemüht, den rohen Stof der<lb/> Erde organisch an einander zu reihen, und vor-<lb/> bereitend, durch lebendige Kraft, zu mischen, was<lb/> nach tausend Umwandlungen zur regsamen Ner-<lb/> venfaser veredelt wird. Derselbe Blick, den wir<lb/> auf die Verbreitung der Pflanzendekke heften,<lb/> enthüllt uns die Fülle des thierischen Lebens, das<lb/> von jener genährt und erhalten wird.</p><lb/> <p>Ungleich ist der Teppich gewebt, den die<lb/> blüthenreiche Flora über den nakten Erdkörper<lb/> ausbreitet; dichter, wo die Sonne höher an dem<lb/> nie bewölkten Himmel emporsteigt; lokkerer ge-<lb/> gen die trägen Pole hin, wo der wiederkehrende<lb/> Frost bald die entwikkelte Knospe tödtet, bald die<lb/></p> </body> </text> </TEI> [6/0005]
Aber nicht der Ozean allein, auch die Sumpf-
wasser verbergen zahllose Gewürme von wunder-
barer Gestalt. Unserem Auge fast unerkennbar
sind die Cyclidien, die gefranzten Trichoden und
das Heer der Naiden, theilbar durch Aeste, wie
die Lemna, deren Schatten sie suchen. Von
mannichfaltigen Luftgemengen umgeben, und
mit dem Lichte unbekannt, athmen: die geflekte
Askaris, welche die Haut des Regenwurms, die
silberglänzende Leukophra, welche das Innere
der Ufer-Naide, und der Echynorynchus, welcher
die weitzellige Lunge der tropischen Klapper-
schlange bewohnt. So sind auch die verborgen-
sten Räume der Schöpfung mit Leben erfüllt.
Wir wollen hier bescheiden bei den Geschlech-
tern der Pflanzen verweilen; denn auf ihrem Da-
sein beruht das Dasein der thierischen Schöpfung.
Unablässig sind sie bemüht, den rohen Stof der
Erde organisch an einander zu reihen, und vor-
bereitend, durch lebendige Kraft, zu mischen, was
nach tausend Umwandlungen zur regsamen Ner-
venfaser veredelt wird. Derselbe Blick, den wir
auf die Verbreitung der Pflanzendekke heften,
enthüllt uns die Fülle des thierischen Lebens, das
von jener genährt und erhalten wird.
Ungleich ist der Teppich gewebt, den die
blüthenreiche Flora über den nakten Erdkörper
ausbreitet; dichter, wo die Sonne höher an dem
nie bewölkten Himmel emporsteigt; lokkerer ge-
gen die trägen Pole hin, wo der wiederkehrende
Frost bald die entwikkelte Knospe tödtet, bald die
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