Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].Hand löst sich (wenn ich den Ausdruk wagen Am glühenden Sonnenstral des tropischen In den Tropen sind die Gewächse saftstrot- Hand löst sich (wenn ich den Ausdruk wagen Am glühenden Sonnenstral des tropischen In den Tropen sind die Gewächse saftstrot- <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0026" n="27"/> Hand löst sich (wenn ich den Ausdruk wagen<lb/> darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den<lb/> geschriebenen Werken der Menschen, in wenige<lb/> einfache Züge auf!</p><lb/> <p>Am glühenden Sonnenstral des tropischen<lb/> Himmels gedeihen die herrlichsten Gestalten der<lb/> Pflanzen. Wie im kalten Norden die Baumrinde<lb/> mit dürren Flechten und Laubmoosen bedekt ist,<lb/> so beleben dort Cymbidium und duftende Vanille<lb/> den Stamm der Anacardien und der riesenmäßigen<lb/> Feigenbäume. Das frische Grün der Pothosblätter<lb/> und der Dracontien kontrastirt mit den vielfarbi-<lb/> gen Blüthen der Orchideen. Rankende Bauhi-<lb/> nien, Passifloren und gelbblühende Banisterien<lb/> umschlingen den Stamm der Waldbäume. Zarte<lb/> Blumen entfalten sich aus den Wurzeln der <hi rendition="#i">Theo-<lb/> broma</hi>, wie aus der dichten und rauhen Rinde der<lb/> Crescentien und der <hi rendition="#i">Gustavia</hi>. Bei dieser Fülle<lb/> von Blüthen und Blättern, bei diesem üppigen<lb/> Wuchse und der Verwirrung rankender Gewächse,<lb/> wird es dem Naturforscher oft schwer zu erkennen,<lb/> welchem Stamme Blüthen und Blätter zugehören.<lb/> Ein einziger Baum mit Paullinien, Bignonien<lb/> und Dendrobium geschmükt, bildet eine Gruppe<lb/> von Pflanzen, welche, von einander getrennt,<lb/> einen beträchtlichen Erdraum bedekken würden.</p><lb/> <p>In den Tropen sind die Gewächse saftstrot-<lb/> zender, von frischerem Grün, mit größeren und<lb/> glänzenderen Blättern geziert, als in den nördli-<lb/> chern Erdstrichen. Gesellschaftlich lebende Pflan-<lb/> zen, welche die europäische Vegetation so ein-<lb/></p> </body> </text> </TEI> [27/0026]
Hand löst sich (wenn ich den Ausdruk wagen
darf) das große Zauberbild der Natur, gleich den
geschriebenen Werken der Menschen, in wenige
einfache Züge auf!
Am glühenden Sonnenstral des tropischen
Himmels gedeihen die herrlichsten Gestalten der
Pflanzen. Wie im kalten Norden die Baumrinde
mit dürren Flechten und Laubmoosen bedekt ist,
so beleben dort Cymbidium und duftende Vanille
den Stamm der Anacardien und der riesenmäßigen
Feigenbäume. Das frische Grün der Pothosblätter
und der Dracontien kontrastirt mit den vielfarbi-
gen Blüthen der Orchideen. Rankende Bauhi-
nien, Passifloren und gelbblühende Banisterien
umschlingen den Stamm der Waldbäume. Zarte
Blumen entfalten sich aus den Wurzeln der Theo-
broma, wie aus der dichten und rauhen Rinde der
Crescentien und der Gustavia. Bei dieser Fülle
von Blüthen und Blättern, bei diesem üppigen
Wuchse und der Verwirrung rankender Gewächse,
wird es dem Naturforscher oft schwer zu erkennen,
welchem Stamme Blüthen und Blätter zugehören.
Ein einziger Baum mit Paullinien, Bignonien
und Dendrobium geschmükt, bildet eine Gruppe
von Pflanzen, welche, von einander getrennt,
einen beträchtlichen Erdraum bedekken würden.
In den Tropen sind die Gewächse saftstrot-
zender, von frischerem Grün, mit größeren und
glänzenderen Blättern geziert, als in den nördli-
chern Erdstrichen. Gesellschaftlich lebende Pflan-
zen, welche die europäische Vegetation so ein-
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