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Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806].

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ken Felsmassen, der Granit in sanftrundlichen
Kuppen. Auch ähnliche Pflanzenformen, Tan-
nen und Eichen, bekränzen die Berggehänge in
Schweden, wie die des südlichsten Theils von Me-
xiko
. Und bei aller dieser Uebereinstimmung in
den Gestalten, bei dieser Gleichheit der einzelnen
Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben zu
einem Ganzen doch den verschiedensten Cha-
rakter an.

So wie die Kenntniß der Fossilien sich von
der Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der in-
dividuellen Naturbeschreibung die allgemeine,
oder die Physiognomik der Natur, verschieden.
Georg Forster in seinen Reisen und in seinen
kleinen Schriften; Göthe in den Naturschilderun-
gen, welche so manche seiner unsterblichen Wer-
ke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin de St.
Pierre
, und selbst Chateaubriand, haben mit un-
nachahmlicher Wahrheit den Charakter einzelner
Himmelsstriche geschildert. Solche Schilderun-
gen sind aber nicht bloß dazu geeignet, dem Ge-
müth einen Genuß der edelsten Art zu verschaf-
fen; nein, die Kenntniß von dem Naturcharak-
ter verschiedener Weltgegenden ist mit der Ge-
schichte des Menschengeschlechts, und mit der sei-
ner Kultur, aufs innigste verknüpft. Denn wenn
auch der Anfang dieser Kultur nicht durch phy-
sische Einflüsse allein bestimmt wird; so hängt
doch die Richtung derselben, so hängen Volks-
charakter, düstere oder heitere Stimmung der
Menschheit, großentheils von klimatischen Ver-

ken Felsmassen, der Granit in sanftrundlichen
Kuppen. Auch ähnliche Pflanzenformen, Tan-
nen und Eichen, bekränzen die Berggehänge in
Schweden, wie die des südlichsten Theils von Me-
xiko
. Und bei aller dieser Uebereinstimmung in
den Gestalten, bei dieser Gleichheit der einzelnen
Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben zu
einem Ganzen doch den verschiedensten Cha-
rakter an.

So wie die Kenntniß der Fossilien sich von
der Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der in-
dividuellen Naturbeschreibung die allgemeine,
oder die Physiognomik der Natur, verschieden.
Georg Forster in seinen Reisen und in seinen
kleinen Schriften; Göthe in den Naturschilderun-
gen, welche so manche seiner unsterblichen Wer-
ke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin de St.
Pierre
, und selbst Chateaubriand, haben mit un-
nachahmlicher Wahrheit den Charakter einzelner
Himmelsstriche geschildert. Solche Schilderun-
gen sind aber nicht bloß dazu geeignet, dem Ge-
müth einen Genuß der edelsten Art zu verschaf-
fen; nein, die Kenntniß von dem Naturcharak-
ter verschiedener Weltgegenden ist mit der Ge-
schichte des Menschengeschlechts, und mit der sei-
ner Kultur, aufs innigste verknüpft. Denn wenn
auch der Anfang dieser Kultur nicht durch phy-
sische Einflüsse allein bestimmt wird; so hängt
doch die Richtung derselben, so hängen Volks-
charakter, düstere oder heitere Stimmung der
Menschheit, großentheils von klimatischen Ver-

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[13/0012] ken Felsmassen, der Granit in sanftrundlichen Kuppen. Auch ähnliche Pflanzenformen, Tan- nen und Eichen, bekränzen die Berggehänge in Schweden, wie die des südlichsten Theils von Me- xiko. Und bei aller dieser Uebereinstimmung in den Gestalten, bei dieser Gleichheit der einzelnen Umrisse, nimmt die Gruppirung derselben zu einem Ganzen doch den verschiedensten Cha- rakter an. So wie die Kenntniß der Fossilien sich von der Gebirgslehre unterscheidet; so ist von der in- dividuellen Naturbeschreibung die allgemeine, oder die Physiognomik der Natur, verschieden. Georg Forster in seinen Reisen und in seinen kleinen Schriften; Göthe in den Naturschilderun- gen, welche so manche seiner unsterblichen Wer- ke enthalten; Herder, Büffon, Bernardin de St. Pierre, und selbst Chateaubriand, haben mit un- nachahmlicher Wahrheit den Charakter einzelner Himmelsstriche geschildert. Solche Schilderun- gen sind aber nicht bloß dazu geeignet, dem Ge- müth einen Genuß der edelsten Art zu verschaf- fen; nein, die Kenntniß von dem Naturcharak- ter verschiedener Weltgegenden ist mit der Ge- schichte des Menschengeschlechts, und mit der sei- ner Kultur, aufs innigste verknüpft. Denn wenn auch der Anfang dieser Kultur nicht durch phy- sische Einflüsse allein bestimmt wird; so hängt doch die Richtung derselben, so hängen Volks- charakter, düstere oder heitere Stimmung der Menschheit, großentheils von klimatischen Ver-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ideen zu einer Physiognomik der Gewächse. [Tübingen], [1806], S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_ideen_1806/12>, abgerufen am 23.04.2024.