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Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851.

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zu sagen, wenn es nicht die Klarheit der Hauptidee vermehrte,
sie auf alle einzelne Gegenstände nach und nach anzuwenden.
Allein diese Anwendung wird hier um so weniger unnütz sein,
als ich mich allein auf die Wirkung des Krieges auf den Cha-
rakter der Nation, und folglich auf den Gesichtspunkt beschrän-
ken werde, den ich in der ganzen Untersuchung, als den herr-
schenden, gewählt habe. Aus diesem nun die Sache betrachtet,
ist mir der Krieg eine der heilsamsten Erscheinungen zur Bil-
dung des Menschengeschlechts, und ungern seh' ich ihn nach
und nach immer mehr vom Schauplatz zurücktreten. Es ist
das freilich furchtbare Extrem, wodurch jeder thätige Muth
gegen Gefahr, Arbeit und Mühseligkeit geprüft und gestählt
wird, der sich nachher in so verschiedene Nüancen im Menschen-
leben modificirt, und welcher allein der ganzen Gestalt die
Stärke und Mannigfaltigkeit giebt, ohne welche Leichtigkeit
Schwäche, und Einheit Leere ist.

Man wird mir antworten, dass es, neben dem Kriege, noch
andere Mittel dieser Art giebt, physische Gefahren bei man-
cherlei Beschäftigungen, und -- wenn ich mich des Ausdrucks
bedienen darf -- moralische von verschiedener Gattung, welche
den festen, unerschütterten Staatsmann im Kabinet, wie den
freimüthigen Denker in seiner einsamen Zelle treffen können.
Allein es ist mir unmöglich, mich von der Vorstellung loszu-
reissen, dass, wie alles Geistige nur eine feinere Blüthe des
Körperlichen, so auch dieses es ist. Nun lebt zwar der Stamm,
auf dem sie hervorspriessen kann, in der Vergangenheit. Allein
das Andenken der Vergangenheit tritt immer weiter zurück,
die Zahl derer, auf welche es wirkt, vermindert sich immer in
der Nation, und selbst auf diese wird die Wirkung schwächer.
Andern, obschon gleich gefahrvollen Beschäftigungen, Seefahr-
ten, dem Bergbau u. s. f. fehlt, wenn gleich mehr und minder,
die Idee der Grösse und des Ruhms, die mit dem Kriege so eng
verbunden ist. Und diese Idee ist in der That nicht chimärisch.

zu sagen, wenn es nicht die Klarheit der Hauptidee vermehrte,
sie auf alle einzelne Gegenstände nach und nach anzuwenden.
Allein diese Anwendung wird hier um so weniger unnütz sein,
als ich mich allein auf die Wirkung des Krieges auf den Cha-
rakter der Nation, und folglich auf den Gesichtspunkt beschrän-
ken werde, den ich in der ganzen Untersuchung, als den herr-
schenden, gewählt habe. Aus diesem nun die Sache betrachtet,
ist mir der Krieg eine der heilsamsten Erscheinungen zur Bil-
dung des Menschengeschlechts, und ungern seh’ ich ihn nach
und nach immer mehr vom Schauplatz zurücktreten. Es ist
das freilich furchtbare Extrem, wodurch jeder thätige Muth
gegen Gefahr, Arbeit und Mühseligkeit geprüft und gestählt
wird, der sich nachher in so verschiedene Nüancen im Menschen-
leben modificirt, und welcher allein der ganzen Gestalt die
Stärke und Mannigfaltigkeit giebt, ohne welche Leichtigkeit
Schwäche, und Einheit Leere ist.

Man wird mir antworten, dass es, neben dem Kriege, noch
andere Mittel dieser Art giebt, physische Gefahren bei man-
cherlei Beschäftigungen, und — wenn ich mich des Ausdrucks
bedienen darf — moralische von verschiedener Gattung, welche
den festen, unerschütterten Staatsmann im Kabinet, wie den
freimüthigen Denker in seiner einsamen Zelle treffen können.
Allein es ist mir unmöglich, mich von der Vorstellung loszu-
reissen, dass, wie alles Geistige nur eine feinere Blüthe des
Körperlichen, so auch dieses es ist. Nun lebt zwar der Stamm,
auf dem sie hervorspriessen kann, in der Vergangenheit. Allein
das Andenken der Vergangenheit tritt immer weiter zurück,
die Zahl derer, auf welche es wirkt, vermindert sich immer in
der Nation, und selbst auf diese wird die Wirkung schwächer.
Andern, obschon gleich gefahrvollen Beschäftigungen, Seefahr-
ten, dem Bergbau u. s. f. fehlt, wenn gleich mehr und minder,
die Idee der Grösse und des Ruhms, die mit dem Kriege so eng
verbunden ist. Und diese Idee ist in der That nicht chimärisch.

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[48/0084] zu sagen, wenn es nicht die Klarheit der Hauptidee vermehrte, sie auf alle einzelne Gegenstände nach und nach anzuwenden. Allein diese Anwendung wird hier um so weniger unnütz sein, als ich mich allein auf die Wirkung des Krieges auf den Cha- rakter der Nation, und folglich auf den Gesichtspunkt beschrän- ken werde, den ich in der ganzen Untersuchung, als den herr- schenden, gewählt habe. Aus diesem nun die Sache betrachtet, ist mir der Krieg eine der heilsamsten Erscheinungen zur Bil- dung des Menschengeschlechts, und ungern seh’ ich ihn nach und nach immer mehr vom Schauplatz zurücktreten. Es ist das freilich furchtbare Extrem, wodurch jeder thätige Muth gegen Gefahr, Arbeit und Mühseligkeit geprüft und gestählt wird, der sich nachher in so verschiedene Nüancen im Menschen- leben modificirt, und welcher allein der ganzen Gestalt die Stärke und Mannigfaltigkeit giebt, ohne welche Leichtigkeit Schwäche, und Einheit Leere ist. Man wird mir antworten, dass es, neben dem Kriege, noch andere Mittel dieser Art giebt, physische Gefahren bei man- cherlei Beschäftigungen, und — wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf — moralische von verschiedener Gattung, welche den festen, unerschütterten Staatsmann im Kabinet, wie den freimüthigen Denker in seiner einsamen Zelle treffen können. Allein es ist mir unmöglich, mich von der Vorstellung loszu- reissen, dass, wie alles Geistige nur eine feinere Blüthe des Körperlichen, so auch dieses es ist. Nun lebt zwar der Stamm, auf dem sie hervorspriessen kann, in der Vergangenheit. Allein das Andenken der Vergangenheit tritt immer weiter zurück, die Zahl derer, auf welche es wirkt, vermindert sich immer in der Nation, und selbst auf diese wird die Wirkung schwächer. Andern, obschon gleich gefahrvollen Beschäftigungen, Seefahr- ten, dem Bergbau u. s. f. fehlt, wenn gleich mehr und minder, die Idee der Grösse und des Ruhms, die mit dem Kriege so eng verbunden ist. Und diese Idee ist in der That nicht chimärisch.

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/84>, abgerufen am 25.11.2024.