schicklichste aller Finanzsysteme nennt; so muss man indess auch nicht vergessen, dass der Staat, welchem so enge Gränzen der Wirksamkeit gesetzt sind, keiner grossen Einkünfte bedarf, und dass der Staat, der so gar kein eignes, von dem der Bür- ger getheiltes Interesse hat, der Hülfe einer freien d. i. nach der Erfahrung aller Zeitalter, wohlhabenden Nation gewisser versichert sein kann.
So wie die Einrichtung der Finanzen der Befolgung der im Vorigen aufgestellten Grundsätze Hindernisse in den Weg legen kann; ebenso, und vielleicht noch mehr, ist dies der Fall bei der inneren politischen Verfassung. Es muss nämlich ein Mittel vorhanden sein, welches den beherrschenden und den be- herrschten Theil der Nation mit einander verbindet, welches dem ersteren den Besitz der ihm anvertrauten Macht und dem letzteren den Genuss der ihm übriggelassenen Freiheit sichert. Diesen Zweck hat man in verschiedenen Staaten auf verschie- dene Weise zu erreichen versucht; bald durch Verstärkung der gleichsam physischen Gewalt der Regierung -- welches indess freilich für die Freiheit gefährlich ist -- bald durch die Gegen- einanderstellung mehrerer einander entgegengesetzter Mächte, bald durch Verbreitung eines, der Konstitution günstigen, Geistes unter der Nation. Dies letztere Mittel, wie schöne Gestalten es auch, vorzüglich im Alterthum, hervorgebracht hat, wird der Aus- bildung der Bürger in ihrer Individualitätleicht nachtheilig, bringt nicht selten Einseitigkeit hervor, und ist daher am wenigsten in dem hier aufgestellten Systeme rathsam. Vielmehr müsste, diesem zufolge, eine politische Verfassung gewählt werden, welche so wenig, als möglich, einen positiven speciellen Einfluss auf den Charakter der Bürger hätte, und nichts andres, als die höchste Achtung des fremden Rechts, verbunden mit der enthu- siastischsten Liebe der eigenen Freiheit, in ihnen hervorbrächte. Welche der denkbaren Verfassungen dies nun sein möchte? versuche ich hier nicht zu prüfen. Diese Prüfung gehört offen-
schicklichste aller Finanzsysteme nennt; so muss man indess auch nicht vergessen, dass der Staat, welchem so enge Gränzen der Wirksamkeit gesetzt sind, keiner grossen Einkünfte bedarf, und dass der Staat, der so gar kein eignes, von dem der Bür- ger getheiltes Interesse hat, der Hülfe einer freien d. i. nach der Erfahrung aller Zeitalter, wohlhabenden Nation gewisser versichert sein kann.
So wie die Einrichtung der Finanzen der Befolgung der im Vorigen aufgestellten Grundsätze Hindernisse in den Weg legen kann; ebenso, und vielleicht noch mehr, ist dies der Fall bei der inneren politischen Verfassung. Es muss nämlich ein Mittel vorhanden sein, welches den beherrschenden und den be- herrschten Theil der Nation mit einander verbindet, welches dem ersteren den Besitz der ihm anvertrauten Macht und dem letzteren den Genuss der ihm übriggelassenen Freiheit sichert. Diesen Zweck hat man in verschiedenen Staaten auf verschie- dene Weise zu erreichen versucht; bald durch Verstärkung der gleichsam physischen Gewalt der Regierung — welches indess freilich für die Freiheit gefährlich ist — bald durch die Gegen- einanderstellung mehrerer einander entgegengesetzter Mächte, bald durch Verbreitung eines, der Konstitution günstigen, Geistes unter der Nation. Dies letztere Mittel, wie schöne Gestalten es auch, vorzüglich im Alterthum, hervorgebracht hat, wird der Aus- bildung der Bürger in ihrer Individualitätleicht nachtheilig, bringt nicht selten Einseitigkeit hervor, und ist daher am wenigsten in dem hier aufgestellten Systeme rathsam. Vielmehr müsste, diesem zufolge, eine politische Verfassung gewählt werden, welche so wenig, als möglich, einen positiven speciellen Einfluss auf den Charakter der Bürger hätte, und nichts andres, als die höchste Achtung des fremden Rechts, verbunden mit der enthu- siastischsten Liebe der eigenen Freiheit, in ihnen hervorbrächte. Welche der denkbaren Verfassungen dies nun sein möchte? versuche ich hier nicht zu prüfen. Diese Prüfung gehört offen-
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schicklichste aller Finanzsysteme nennt; so muss man indess
auch nicht vergessen, dass der Staat, welchem so enge Gränzen
der Wirksamkeit gesetzt sind, keiner grossen Einkünfte bedarf,
und dass der Staat, der so gar kein eignes, von dem der Bür-
ger getheiltes Interesse hat, der Hülfe einer freien d. i. nach
der Erfahrung aller Zeitalter, wohlhabenden Nation gewisser
versichert sein kann.
So wie die Einrichtung der Finanzen der Befolgung der im
Vorigen aufgestellten Grundsätze Hindernisse in den Weg
legen kann; ebenso, und vielleicht noch mehr, ist dies der Fall
bei der inneren politischen Verfassung. Es muss nämlich ein
Mittel vorhanden sein, welches den beherrschenden und den be-
herrschten Theil der Nation mit einander verbindet, welches
dem ersteren den Besitz der ihm anvertrauten Macht und dem
letzteren den Genuss der ihm übriggelassenen Freiheit sichert.
Diesen Zweck hat man in verschiedenen Staaten auf verschie-
dene Weise zu erreichen versucht; bald durch Verstärkung der
gleichsam physischen Gewalt der Regierung — welches indess
freilich für die Freiheit gefährlich ist — bald durch die Gegen-
einanderstellung mehrerer einander entgegengesetzter Mächte,
bald durch Verbreitung eines, der Konstitution günstigen, Geistes
unter der Nation. Dies letztere Mittel, wie schöne Gestalten es
auch, vorzüglich im Alterthum, hervorgebracht hat, wird der Aus-
bildung der Bürger in ihrer Individualitätleicht nachtheilig, bringt
nicht selten Einseitigkeit hervor, und ist daher am wenigsten
in dem hier aufgestellten Systeme rathsam. Vielmehr müsste,
diesem zufolge, eine politische Verfassung gewählt werden,
welche so wenig, als möglich, einen positiven speciellen Einfluss
auf den Charakter der Bürger hätte, und nichts andres, als die
höchste Achtung des fremden Rechts, verbunden mit der enthu-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu eine… [mehr]
Wilhelm von Humboldt schrieb seine 'Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen' zwischen März und Mai des Jahres 1792 nieder. Einzelne Abschnitte wurden im selben Jahr in Friedrich Schillers Thalia bzw. in der Berlinischen Monatsschrift gedruckt. Der gesamte Text wurde jedoch erst postum, 1851, aus dem Nachlass publiziert (Wilhelm von Humboldt † 8. April 1835). Gemäß den Richtlinien des DTA wurde diese Ausgabe digitalisiert.
Humboldt, Wilhelm von: Ideen zu einem Versuch, die Gränzen der Wirksamkeit des Staats zu bestimmen. Breslau, 1851, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_grenzen_1851/209>, abgerufen am 16.07.2024.
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