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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.

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scheinbarem, mehr als hundertjährigem Frieden 1), selbst
wenn schon das Innere der Crater-Wände mit Vegeta-
tion bedeckt ist, urplötzlich wieder zu speien beginnen.
Speculationen über die Wanderung vulkanischer Thätig-
keit und die Richtung ihrer forschreitenden Kraft-Aeusse-
rungen sind daher so ungewiss, als für ächt vulkani-
sche Gruppen die Classification in thätige und erloschene
Feuerberge. Während dass jetzt die südlichsten Kegel-
berge des Hochlandes von Quito, Tunguragua und Co-
topaxi, zu ruhen scheinen (von dem letzten erlebte ich
den donnernden, weit in der Südsee vernehmbaren Aus-
bruch im Februar 1803), hat sich, gerade an dem ent-
gegengesetzten nördlichen Ende derselben Gruppe, der
Paramo de Ruiz entzündet. Seine hohe Rauchsäule wird
nun schon 9 Jahre lang ununterbrochen in Entfernun-
gen von 15 bis 16 geogr. Meilen gesehen. Dass aber
in solchen Gruppen von Reihen-Vulkanen, trotz ihrer
grossen Ausdehnung, die äussersten Glieder durch unter-
irdische Communicationen mit einander verbunden sind,
dass nach Seneca's 2) trefflichem alten Ausspruche: "der
Feuerberg nur der Weg der tiefer liegenden vulkani-
schen Kräfte ist," hat sich, wie ich an einem anderen Orte
gezeigt 3), in einer denkwürdigen Erscheinung zu Anfang
dieses Jahrhunderts manifestirt. In der Stadt Pasto sah
man am 4ten Februar 1797 an dem Morgen, wo 50 Meilen
südlicher die Stadt Riobamba durch ein furchtbares Erdbe-
ben zerstört wurde, die Rauchsäule plötzlich verschwinden,

1) Unter Nero (Seneca, Epist. 79) war man in Rom schon ge-
neigt, den Aetna in die Klasse allmälig verlöschender Vulkane zu setzen,
und später behauptete Aelian (hist. VIII, 11) sogar, die Seefah-
rer fingen an, den einsinkenden Gipfel weniger weit vom hohen
Meere aus zu sehen. Dennoch hat sich, seit jenen Zeiten, der Aetna
eben nicht mit abnehmender Kraft in seiner vulkanischen Thätigkeit
gezeigt.
2) Epist. l. c.
3) Rel. hist. Vol. II p. 16 und 19 (ed. in 4to).

scheinbarem, mehr als hundertjährigem Frieden 1), selbst
wenn schon das Innere der Crater-Wände mit Vegeta-
tion bedeckt ist, urplötzlich wieder zu speien beginnen.
Speculationen über die Wanderung vulkanischer Thätig-
keit und die Richtung ihrer forschreitenden Kraft-Aeuſse-
rungen sind daher so ungewiſs, als für ächt vulkani-
sche Gruppen die Classification in thätige und erloschene
Feuerberge. Während daſs jetzt die südlichsten Kegel-
berge des Hochlandes von Quito, Tunguragua und Co-
topaxi, zu ruhen scheinen (von dem letzten erlebte ich
den donnernden, weit in der Südsee vernehmbaren Aus-
bruch im Februar 1803), hat sich, gerade an dem ent-
gegengesetzten nördlichen Ende derselben Gruppe, der
Paramo de Ruiz entzündet. Seine hohe Rauchsäule wird
nun schon 9 Jahre lang ununterbrochen in Entfernun-
gen von 15 bis 16 geogr. Meilen gesehen. Daſs aber
in solchen Gruppen von Reihen-Vulkanen, trotz ihrer
groſsen Ausdehnung, die äuſsersten Glieder durch unter-
irdische Communicationen mit einander verbunden sind,
daſs nach Seneca's 2) trefflichem alten Ausspruche: »der
Feuerberg nur der Weg der tiefer liegenden vulkani-
schen Kräfte ist,« hat sich, wie ich an einem anderen Orte
gezeigt 3), in einer denkwürdigen Erscheinung zu Anfang
dieses Jahrhunderts manifestirt. In der Stadt Pasto sah
man am 4ten Februar 1797 an dem Morgen, wo 50 Meilen
südlicher die Stadt Riobamba durch ein furchtbares Erdbe-
ben zerstört wurde, die Rauchsäule plötzlich verschwinden,

1) Unter Nero (Seneca, Epist. 79) war man in Rom schon ge-
neigt, den Aetna in die Klasse allmälig verlöschender Vulkane zu setzen,
und später behauptete Aelian (hist. VIII, 11) sogar, die Seefah-
rer fingen an, den einsinkenden Gipfel weniger weit vom hohen
Meere aus zu sehen. Dennoch hat sich, seit jenen Zeiten, der Aetna
eben nicht mit abnehmender Kraft in seiner vulkanischen Thätigkeit
gezeigt.
2) Epist. l. c.
3) Rel. hist. Vol. II p. 16 und 19 (ed. in 4to).
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[201/0009] scheinbarem, mehr als hundertjährigem Frieden 1), selbst wenn schon das Innere der Crater-Wände mit Vegeta- tion bedeckt ist, urplötzlich wieder zu speien beginnen. Speculationen über die Wanderung vulkanischer Thätig- keit und die Richtung ihrer forschreitenden Kraft-Aeuſse- rungen sind daher so ungewiſs, als für ächt vulkani- sche Gruppen die Classification in thätige und erloschene Feuerberge. Während daſs jetzt die südlichsten Kegel- berge des Hochlandes von Quito, Tunguragua und Co- topaxi, zu ruhen scheinen (von dem letzten erlebte ich den donnernden, weit in der Südsee vernehmbaren Aus- bruch im Februar 1803), hat sich, gerade an dem ent- gegengesetzten nördlichen Ende derselben Gruppe, der Paramo de Ruiz entzündet. Seine hohe Rauchsäule wird nun schon 9 Jahre lang ununterbrochen in Entfernun- gen von 15 bis 16 geogr. Meilen gesehen. Daſs aber in solchen Gruppen von Reihen-Vulkanen, trotz ihrer groſsen Ausdehnung, die äuſsersten Glieder durch unter- irdische Communicationen mit einander verbunden sind, daſs nach Seneca's 2) trefflichem alten Ausspruche: »der Feuerberg nur der Weg der tiefer liegenden vulkani- schen Kräfte ist,« hat sich, wie ich an einem anderen Orte gezeigt 3), in einer denkwürdigen Erscheinung zu Anfang dieses Jahrhunderts manifestirt. In der Stadt Pasto sah man am 4ten Februar 1797 an dem Morgen, wo 50 Meilen südlicher die Stadt Riobamba durch ein furchtbares Erdbe- ben zerstört wurde, die Rauchsäule plötzlich verschwinden, 1) Unter Nero (Seneca, Epist. 79) war man in Rom schon ge- neigt, den Aetna in die Klasse allmälig verlöschender Vulkane zu setzen, und später behauptete Aelian (hist. VIII, 11) sogar, die Seefah- rer fingen an, den einsinkenden Gipfel weniger weit vom hohen Meere aus zu sehen. Dennoch hat sich, seit jenen Zeiten, der Aetna eben nicht mit abnehmender Kraft in seiner vulkanischen Thätigkeit gezeigt. 2) Epist. l. c. 3) Rel. hist. Vol. II p. 16 und 19 (ed. in 4to).

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219, hier S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1838/9>, abgerufen am 23.04.2024.