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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.

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auf dem ich mich befand, war nach einer später von
mir angestellten Barometer-Messung 14940 Fuss über dem
Meere. Rucu-Pichincha reicht kaum 35 T. hoch über
die ewige Schneegrenze hinaus, und einige Male habe ich
ihn von Chillo aus völlig schneefrei gesehen.

Der Indianer stieg von dem Felsthurme in die Sie-
nega herab, um meinen Begleiter, Hrn. Urquinanoa,
zu holen. Es bedurfte keiner Empfehlung, dass er die
Spalte überschreiten solle, ohne die schmale Schnee-
brücke zu betreten. Indem ich nun allein an dem Rande
des Craters sass, bemerkte ich, dass meine Fussbeklei-
dung, die wegen der früheren Ersteigungs-Versuche ganz
mit Schneewasser getränkt war, schnell durch den Zu-
drang warmer, aus dem Crater aufsteigender Luftströme
trocknete. Das Thermometer, welches in der Sienega
4° R. zeigte, stieg oben bisweilen auf 15° , wenn ich
es liegend über den Abgrund hielt. Dass an den Cra-
terrändern selbst, welche die drei Thürme verbinden,
der Schnee bis auf wenige Fusse vordringt, ist wohl eine
Folge der Dicke der Schichten und der sehr unglei-
chen Luftströmung. La Condamine behauptet sogar,
auf dem Gipfel der im Becken stehenden Hügel Schnee-
flecke zwischen schwarzen Schlacken deutlich erkannt
zu haben. Ich bemerkte nirgends Schnee im Inneren,
aber die mannichfaltigsten Färbungen weisser, gelber und
rother Massen, wie sie Metalloxyde in allen Cratern
darbieten. Als nach langem, einsamen Harren Hr. Ur-
quinaona
endlich erschien, wurden wir bald in den
dichtesten Nebel gehüllt, in einen Wasserdampf, den
wahrscheinlich die Mischung von Luftströmen sehr un-
gleicher Temperatur erzeugte. Es war nur noch eine
Stunde bis zum Untergang der Sonne. Wir eilten da-
her, zufrieden unseren Zweck erreicht zu haben, in das
mit Bimsstein gefüllte Thal der Sienega del Volcan zurück.
In diesem Bimsstein-Sande zeigte uns der Indianer Spu-
ren von der Tatze des kleinen ungemähnten Berglöwen

auf dem ich mich befand, war nach einer später von
mir angestellten Barometer-Messung 14940 Fuſs über dem
Meere. Rucu-Pichincha reicht kaum 35 T. hoch über
die ewige Schneegrenze hinaus, und einige Male habe ich
ihn von Chillo aus völlig schneefrei gesehen.

Der Indianer stieg von dem Felsthurme in die Sie-
nega herab, um meinen Begleiter, Hrn. Urquinanoa,
zu holen. Es bedurfte keiner Empfehlung, daſs er die
Spalte überschreiten solle, ohne die schmale Schnee-
brücke zu betreten. Indem ich nun allein an dem Rande
des Craters saſs, bemerkte ich, daſs meine Fuſsbeklei-
dung, die wegen der früheren Ersteigungs-Versuche ganz
mit Schneewasser getränkt war, schnell durch den Zu-
drang warmer, aus dem Crater aufsteigender Luftströme
trocknete. Das Thermometer, welches in der Sienega
4° R. zeigte, stieg oben bisweilen auf 15° , wenn ich
es liegend über den Abgrund hielt. Daſs an den Cra-
terrändern selbst, welche die drei Thürme verbinden,
der Schnee bis auf wenige Fuſse vordringt, ist wohl eine
Folge der Dicke der Schichten und der sehr unglei-
chen Luftströmung. La Condamine behauptet sogar,
auf dem Gipfel der im Becken stehenden Hügel Schnee-
flecke zwischen schwarzen Schlacken deutlich erkannt
zu haben. Ich bemerkte nirgends Schnee im Inneren,
aber die mannichfaltigsten Färbungen weiſser, gelber und
rother Massen, wie sie Metalloxyde in allen Cratern
darbieten. Als nach langem, einsamen Harren Hr. Ur-
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endlich erschien, wurden wir bald in den
dichtesten Nebel gehüllt, in einen Wasserdampf, den
wahrscheinlich die Mischung von Luftströmen sehr un-
gleicher Temperatur erzeugte. Es war nur noch eine
Stunde bis zum Untergang der Sonne. Wir eilten da-
her, zufrieden unseren Zweck erreicht zu haben, in das
mit Bimsstein gefüllte Thal der Sienega del Volcan zurück.
In diesem Bimsstein-Sande zeigte uns der Indianer Spu-
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[215/0023] auf dem ich mich befand, war nach einer später von mir angestellten Barometer-Messung 14940 Fuſs über dem Meere. Rucu-Pichincha reicht kaum 35 T. hoch über die ewige Schneegrenze hinaus, und einige Male habe ich ihn von Chillo aus völlig schneefrei gesehen. Der Indianer stieg von dem Felsthurme in die Sie- nega herab, um meinen Begleiter, Hrn. Urquinanoa, zu holen. Es bedurfte keiner Empfehlung, daſs er die Spalte überschreiten solle, ohne die schmale Schnee- brücke zu betreten. Indem ich nun allein an dem Rande des Craters saſs, bemerkte ich, daſs meine Fuſsbeklei- dung, die wegen der früheren Ersteigungs-Versuche ganz mit Schneewasser getränkt war, schnell durch den Zu- drang warmer, aus dem Crater aufsteigender Luftströme trocknete. Das Thermometer, welches in der Sienega 4° R. zeigte, stieg oben bisweilen auf 15° [FORMEL], wenn ich es liegend über den Abgrund hielt. Daſs an den Cra- terrändern selbst, welche die drei Thürme verbinden, der Schnee bis auf wenige Fuſse vordringt, ist wohl eine Folge der Dicke der Schichten und der sehr unglei- chen Luftströmung. La Condamine behauptet sogar, auf dem Gipfel der im Becken stehenden Hügel Schnee- flecke zwischen schwarzen Schlacken deutlich erkannt zu haben. Ich bemerkte nirgends Schnee im Inneren, aber die mannichfaltigsten Färbungen weiſser, gelber und rother Massen, wie sie Metalloxyde in allen Cratern darbieten. Als nach langem, einsamen Harren Hr. Ur- quinaona endlich erschien, wurden wir bald in den dichtesten Nebel gehüllt, in einen Wasserdampf, den wahrscheinlich die Mischung von Luftströmen sehr un- gleicher Temperatur erzeugte. Es war nur noch eine Stunde bis zum Untergang der Sonne. Wir eilten da- her, zufrieden unseren Zweck erreicht zu haben, in das mit Bimsstein gefüllte Thal der Sienega del Volcan zurück. In diesem Bimsstein-Sande zeigte uns der Indianer Spu- ren von der Tatze des kleinen ungemähnten Berglöwen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219, hier S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1838/23>, abgerufen am 23.04.2024.