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Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219.

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gewölbt schien. Das ungeheure, tiefe, schwarze Becken
war wie ausgebreitet vor unseren Augen, in schaudervol-
ler Nähe. Ein Theil des hier senkrecht abgestürzten
Schlundes war mit wirbelnden Dampfsäulen erfüllt. Ge-
sichert über unsere Lage fingen wir bald an zu untersu-
chen, wo wir uns befanden. Wir erkannten, dass die
schneefreie Steinplatte, auf die wir uns geworfen, von
der schneebedeckten Masse, über die wir gekommen wa-
ren, durch eine, kaum zwei Fuss breite Spalte getrennt
wurde. Die Spalte war aber nicht ganz bis zu ihrem Ende
mit gefrorenem Schnee brückenartig überdeckt. Eine
Schneebrücke hatte uns, so lange wir in der Richtung der
Spalte gingen, mehrere Schritte weit getragen. Eine kleine
Zeichnung, die ich bei einer dritten Besteigung entwarf und
noch jetzt besitze, zeigt diesen sonderbaren Weg. Das
Licht, welches wir zuerst durch einen Theil der Kluft zwi-
schen der Schneedecke und dem eingeklemmten Steinblocke
gesehen, war nicht Täuschung. Wir sahen es wieder bei
der dritten Besteigung an demselben Punkte und durch
dieselbe Oeffnung. Es ist eine Region des Craters, in dem
damals in dem dunkeln Abgrund kleine Flammen, vielleicht
von brennendem Schwefelgas, am häufigsten aufloderten.
Sonnen-Reflexe auf der spiegelnden Oberfläche konnten an
diesen Lichterscheinungen keinen Theil haben; denn bei
der Beobachtung war die Sonne durch Gewölk verdeckt.
Es gelang uns, durch heftiges Klopfen mit einem Steine auf
die Schneebrücke, die kleine Oeffnung zu erweitern. Es
fiel eine beträchtliche Masse Eis und Schnee durch die Kluft
herab. Ihre Dicke schien an der Stelle wo wir klopften,
wieder nur acht Zoll. Wo die Eisbrücke uns getragen,
war sie gewiss dicker gewesen. Ich würde bei der Er-
zählung dieses kleinen Ereignisses 1) nicht verweilt haben,
wenn nicht die sonderbare Gestaltung eines Theils des Cra-
ter-Randes dadurch gewissermassen verdeutlicht würde.

Den chaotischen Anblick, den der Feuerschlund von

1) S. mein Recueil d'Observations astronomiques, T. I, p. 309
n. 184.

gewölbt schien. Das ungeheure, tiefe, schwarze Becken
war wie ausgebreitet vor unseren Augen, in schaudervol-
ler Nähe. Ein Theil des hier senkrecht abgestürzten
Schlundes war mit wirbelnden Dampfsäulen erfüllt. Ge-
sichert über unsere Lage fingen wir bald an zu untersu-
chen, wo wir uns befanden. Wir erkannten, daſs die
schneefreie Steinplatte, auf die wir uns geworfen, von
der schneebedeckten Masse, über die wir gekommen wa-
ren, durch eine, kaum zwei Fuſs breite Spalte getrennt
wurde. Die Spalte war aber nicht ganz bis zu ihrem Ende
mit gefrorenem Schnee brückenartig überdeckt. Eine
Schneebrücke hatte uns, so lange wir in der Richtung der
Spalte gingen, mehrere Schritte weit getragen. Eine kleine
Zeichnung, die ich bei einer dritten Besteigung entwarf und
noch jetzt besitze, zeigt diesen sonderbaren Weg. Das
Licht, welches wir zuerst durch einen Theil der Kluft zwi-
schen der Schneedecke und dem eingeklemmten Steinblocke
gesehen, war nicht Täuschung. Wir sahen es wieder bei
der dritten Besteigung an demselben Punkte und durch
dieselbe Oeffnung. Es ist eine Region des Craters, in dem
damals in dem dunkeln Abgrund kleine Flammen, vielleicht
von brennendem Schwefelgas, am häufigsten aufloderten.
Sonnen-Reflexe auf der spiegelnden Oberfläche konnten an
diesen Lichterscheinungen keinen Theil haben; denn bei
der Beobachtung war die Sonne durch Gewölk verdeckt.
Es gelang uns, durch heftiges Klopfen mit einem Steine auf
die Schneebrücke, die kleine Oeffnung zu erweitern. Es
fiel eine beträchtliche Masse Eis und Schnee durch die Kluft
herab. Ihre Dicke schien an der Stelle wo wir klopften,
wieder nur acht Zoll. Wo die Eisbrücke uns getragen,
war sie gewiſs dicker gewesen. Ich würde bei der Er-
zählung dieses kleinen Ereignisses 1) nicht verweilt haben,
wenn nicht die sonderbare Gestaltung eines Theils des Cra-
ter-Randes dadurch gewissermaſsen verdeutlicht würde.

Den chaotischen Anblick, den der Feuerschlund von

1) S. mein Recueil d'Observations astronomiques, T. I, p. 309
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[213/0021] gewölbt schien. Das ungeheure, tiefe, schwarze Becken war wie ausgebreitet vor unseren Augen, in schaudervol- ler Nähe. Ein Theil des hier senkrecht abgestürzten Schlundes war mit wirbelnden Dampfsäulen erfüllt. Ge- sichert über unsere Lage fingen wir bald an zu untersu- chen, wo wir uns befanden. Wir erkannten, daſs die schneefreie Steinplatte, auf die wir uns geworfen, von der schneebedeckten Masse, über die wir gekommen wa- ren, durch eine, kaum zwei Fuſs breite Spalte getrennt wurde. Die Spalte war aber nicht ganz bis zu ihrem Ende mit gefrorenem Schnee brückenartig überdeckt. Eine Schneebrücke hatte uns, so lange wir in der Richtung der Spalte gingen, mehrere Schritte weit getragen. Eine kleine Zeichnung, die ich bei einer dritten Besteigung entwarf und noch jetzt besitze, zeigt diesen sonderbaren Weg. Das Licht, welches wir zuerst durch einen Theil der Kluft zwi- schen der Schneedecke und dem eingeklemmten Steinblocke gesehen, war nicht Täuschung. Wir sahen es wieder bei der dritten Besteigung an demselben Punkte und durch dieselbe Oeffnung. Es ist eine Region des Craters, in dem damals in dem dunkeln Abgrund kleine Flammen, vielleicht von brennendem Schwefelgas, am häufigsten aufloderten. Sonnen-Reflexe auf der spiegelnden Oberfläche konnten an diesen Lichterscheinungen keinen Theil haben; denn bei der Beobachtung war die Sonne durch Gewölk verdeckt. Es gelang uns, durch heftiges Klopfen mit einem Steine auf die Schneebrücke, die kleine Oeffnung zu erweitern. Es fiel eine beträchtliche Masse Eis und Schnee durch die Kluft herab. Ihre Dicke schien an der Stelle wo wir klopften, wieder nur acht Zoll. Wo die Eisbrücke uns getragen, war sie gewiſs dicker gewesen. Ich würde bei der Er- zählung dieses kleinen Ereignisses 1) nicht verweilt haben, wenn nicht die sonderbare Gestaltung eines Theils des Cra- ter-Randes dadurch gewissermaſsen verdeutlicht würde. Den chaotischen Anblick, den der Feuerschlund von 1) S. mein Recueil d'Observations astronomiques, T. I, p. 309 n. 184.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Geognostische und physikalische Beobachtungen über die Vulkane des Hochlandes von Quito. Zweite Abhandlung. In: Annalen der Physik und Chemie, Bd. 44 (1838), S. 193-219, hier S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_geognostisch_1838/21>, abgerufen am 28.03.2024.