Humboldt, Alexander von: [Neue Beobachtungen über die grüne Farbe unterirdischer Vegetabilien]. In: Chemische Annalen für die Freunde der Naturlehre, Arzneygelahrtheit, Haushaltungskunde und Manufacturen. Bd. 1 (1792) St. 3, S. 254-255.der Herren Priestley, Senebier und In- genhouß nicht zu widerstreiten. Ich vermuthe, daß die weiße Farbe, so wie in vielen Stoffen, (den Salzen, Erden, der sogenannten dephlogisti- schen Salzsäure etc. auch in den Vegetabilien aus einer Anhäufung des Oxygene entsteht, daß der Lichtstoff sich nicht mit dem Pflanzenkörper verbinde, sondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken u. s. f. Daher hauchen (bleichsüchtige) Pflanzen, wenn sie dem Lichte entzogen sind, keine dephlogi- stisirte Luft (Sauerstoffgas) aus. Daher die Wirkung des Lichtstoffs auf das Hornsilber, an die oxygenirte Salzsäure und Salpetersäure (acide ni- trique) u. a. Aber der Sonnenstrahl ist wohl nicht die einzige Substanz, welche durch ihre Verwandt- schaft zum Oxygene, die Anhäufung desselben in den Pflanzen hindert. Die Basen des brennbaren Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn zu entbinden, und sie wirken vielleicht im Innern der Erde (wo die Natur sie leider so reichlich an- gehäuft hat) wie der wohlthätige Lichtstoff auf der Oberfläche derselben. -- Diese Vorstellungsart weicht von der des Hrn. Senebier und anderer Physiker völlig ab. Mir ist sie nichts mehr, als eine Hypothese, durch die ich die sonderbaren Phänomene der unterirdischen Vegetation aufzuklären glaube; eine Vegetation, die schon darum die Aufmerk- samkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil Mangel an Licht und eine so verschieden gemischte Atmosphäre auch eine andere Organisation, als die überirdische, ahnden läßt. Vom
der Herren Prieſtley, Senebier und In- genhouß nicht zu widerſtreiten. Ich vermuthe, daß die weiße Farbe, ſo wie in vielen Stoffen, (den Salzen, Erden, der ſogenannten dephlogiſti- ſchen Salzſaͤure etc. auch in den Vegetabilien aus einer Anhaͤufung des Oxygene entſteht, daß der Lichtſtoff ſich nicht mit dem Pflanzenkoͤrper verbinde, ſondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken u. ſ. f. Daher hauchen (bleichſuͤchtige) Pflanzen, wenn ſie dem Lichte entzogen ſind, keine dephlogi- ſtiſirte Luft (Sauerſtoffgas) aus. Daher die Wirkung des Lichtſtoffs auf das Hornſilber, an die oxygenirte Salzſaͤure und Salpeterſaͤure (acide ni- trique) u. a. Aber der Sonnenſtrahl iſt wohl nicht die einzige Subſtanz, welche durch ihre Verwandt- ſchaft zum Oxygene, die Anhaͤufung deſſelben in den Pflanzen hindert. Die Baſen des brennbaren Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn zu entbinden, und ſie wirken vielleicht im Innern der Erde (wo die Natur ſie leider ſo reichlich an- gehaͤuft hat) wie der wohlthaͤtige Lichtſtoff auf der Oberflaͤche derſelben. — Dieſe Vorſtellungsart weicht von der des Hrn. Senebier und anderer Phyſiker voͤllig ab. Mir iſt ſie nichts mehr, als eine Hypotheſe, durch die ich die ſonderbaren Phaͤnomene der unterirdiſchen Vegetation aufzuklaͤren glaube; eine Vegetation, die ſchon darum die Aufmerk- ſamkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil Mangel an Licht und eine ſo verſchieden gemiſchte Atmoſphaͤre auch eine andere Organiſation, als die uͤberirdiſche, ahnden laͤßt. Vom
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0005" n="255"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> der Herren <hi rendition="#g">Prieſtley, Senebier</hi> und <hi rendition="#g">In-<lb/> genhouß</hi> nicht zu widerſtreiten. Ich vermuthe,<lb/> daß die weiße Farbe, ſo wie in vielen Stoffen,<lb/> (den Salzen, Erden, der ſogenannten dephlogiſti-<lb/> ſchen Salzſaͤure etc. auch in den Vegetabilien aus<lb/> einer Anhaͤufung des Oxygene entſteht, daß der<lb/> Lichtſtoff ſich nicht mit dem Pflanzenkoͤrper verbinde,<lb/> ſondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken<lb/> u. ſ. f. Daher hauchen (bleichſuͤchtige) Pflanzen,<lb/> wenn ſie dem Lichte entzogen ſind, keine dephlogi-<lb/> ſtiſirte Luft (Sauerſtoffgas) aus. Daher die<lb/> Wirkung des Lichtſtoffs auf das Hornſilber, an die<lb/> oxygenirte Salzſaͤure und Salpeterſaͤure (<hi rendition="#aq">acide ni-<lb/> trique</hi>) u. a. Aber der Sonnenſtrahl iſt wohl nicht<lb/> die einzige Subſtanz, welche durch ihre Verwandt-<lb/> ſchaft zum Oxygene, die Anhaͤufung deſſelben in<lb/> den Pflanzen hindert. Die Baſen des brennbaren<lb/> Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn<lb/> zu entbinden, und ſie wirken vielleicht im Innern<lb/> der Erde (wo die Natur ſie leider ſo reichlich an-<lb/> gehaͤuft hat) wie der wohlthaͤtige Lichtſtoff auf der<lb/> Oberflaͤche derſelben. — Dieſe Vorſtellungsart<lb/> weicht von der des Hrn. <hi rendition="#g">Senebier</hi> und anderer<lb/> Phyſiker voͤllig ab. Mir iſt ſie nichts mehr, als eine<lb/> Hypotheſe, durch die ich die ſonderbaren Phaͤnomene<lb/> der unterirdiſchen Vegetation aufzuklaͤren glaube;<lb/> eine Vegetation, die <hi rendition="#g">ſchon darum</hi> die Aufmerk-<lb/> ſamkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil<lb/> Mangel an Licht und eine ſo verſchieden gemiſchte<lb/> Atmoſphaͤre auch eine andere Organiſation, als die<lb/> uͤberirdiſche, ahnden laͤßt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p> <fw place="bottom" type="catch">Vom</fw> </p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [255/0005]
der Herren Prieſtley, Senebier und In-
genhouß nicht zu widerſtreiten. Ich vermuthe,
daß die weiße Farbe, ſo wie in vielen Stoffen,
(den Salzen, Erden, der ſogenannten dephlogiſti-
ſchen Salzſaͤure etc. auch in den Vegetabilien aus
einer Anhaͤufung des Oxygene entſteht, daß der
Lichtſtoff ſich nicht mit dem Pflanzenkoͤrper verbinde,
ſondern bloß dazu diene, das Oxygene hervorzulocken
u. ſ. f. Daher hauchen (bleichſuͤchtige) Pflanzen,
wenn ſie dem Lichte entzogen ſind, keine dephlogi-
ſtiſirte Luft (Sauerſtoffgas) aus. Daher die
Wirkung des Lichtſtoffs auf das Hornſilber, an die
oxygenirte Salzſaͤure und Salpeterſaͤure (acide ni-
trique) u. a. Aber der Sonnenſtrahl iſt wohl nicht
die einzige Subſtanz, welche durch ihre Verwandt-
ſchaft zum Oxygene, die Anhaͤufung deſſelben in
den Pflanzen hindert. Die Baſen des brennbaren
Gas und der Stickluft dienen ebenfalls dazu, ihn
zu entbinden, und ſie wirken vielleicht im Innern
der Erde (wo die Natur ſie leider ſo reichlich an-
gehaͤuft hat) wie der wohlthaͤtige Lichtſtoff auf der
Oberflaͤche derſelben. — Dieſe Vorſtellungsart
weicht von der des Hrn. Senebier und anderer
Phyſiker voͤllig ab. Mir iſt ſie nichts mehr, als eine
Hypotheſe, durch die ich die ſonderbaren Phaͤnomene
der unterirdiſchen Vegetation aufzuklaͤren glaube;
eine Vegetation, die ſchon darum die Aufmerk-
ſamkeit eines Pflanzenkundigen verdient, weil
Mangel an Licht und eine ſo verſchieden gemiſchte
Atmoſphaͤre auch eine andere Organiſation, als die
uͤberirdiſche, ahnden laͤßt.
Vom
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Weitere Informationen:Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |