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Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120.

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Über die Chinawälder in Südamerika.
Professor Zea hat in den Anales de ciencias naturales de Madrid*)
zu beweisen gewagt, dass fast alle von Ruiz und Pavon aufgeführte wirk-
same Species sich auf die von Mutis im Jahr 1793 in der Litteraturzei-
tung von Santa Fe de Bogota**) beschriebenen 4 Arten C. lancifolia,
C. oblongifolia, C. cordifolia
und C. ovalifolia zurückführen lassen.

In der That ist mir kaum ein Baum bekannt, der mehr in der Ge-
stalt seiner Blätter variirt, als die Cinchona. Wer einzelne trockene
Exemplare der Herbarien bestimmt, und nicht selbst Gelegenheit hat die
Pflanze in den Wäldern zu beobachten, wird fast wie bei der Brousso-
nettia papyrifera,
in Blättern, die von einem Zweige sind, verschiedene
Species zu erkennen glauben. Die gelbe Fieberrinde, C. pubescens Vahl,
haben wir zugleich foliis ovatis, oblongis, ovato-lanceolatis und ovato-
cordatis gefunden. Mutis nennt sie C. cordifolia, weil sie die einzige
Art ist, auf der man bisweilen herzförmige Blätter findet. Dieselbe Spe-
cies variirt wie die weisse China, C. ovalifolia Mut. (C. macrocarpa
Vahl)
foliis utrinque laevibus und foliis utrinque pubescentibus. Diese
Varietäten sind in den vortreflichen colorirten Zeichnungen dargestellt,
welche mir Herr Mutis bei meiner Anwesenheit in Santa Fe geschenkt
und welche, mit einem vollständigen Herbarium meiner Expedition nach
den Tropenländern, in dem Jardin des Plantes zu Paris deponirt sind.
Selbst die lorbeerblättrige C. Condaminea, die feinste China von Uritu-
singa, hat, je nachdem sie in Höhen wächst, die der des Gothard oder
des Aetna gleich sind, die verschiedenartigsten Blätter. Sie würde die
Chinaschäler (Cascarilleros) täuschen, wenn sie den Baum nicht an den
von den Botanikern so lange übersehenen Glandeln erkennten. Wir ha-
ben in Gonzanama unfern Loxa eine grosse Zahl dieser heterogenen
Blattformen sauber mit Buchdruckerschwärze abgedruckt, um zu bewei-
sen,***) wie schwankend alle bloss von den Blättern hergenommene Kenn-
zeichen sind. Zu diesen und ähnlichen Zwecken ist die längst bekannte,
aber noch sehr zu vervollkommnende Methode der Ectypa überaus nütz-
lich, da sie vielbeschäftigten Reisenden ein Mittel darbietet, sich in we-
nigen Minuten die treuesten Umrisse zu verschaffen.

Je mehr die Fieberrindenbäume nach Höhe des Standorts, Rauhheit
oder Milde des Klima's, nach Vereinzelung der Stämme oder dichter
Umgebung von anderen Pflanzen, nach Geilheit des Wuchses und grös-
serer oder geringerer Nässe des Bodens in der Gestalt und Glätte der
Blätter variiren, desto nothwendiger ist es bei den diagnostischen Kenn-

*) Anno 1801 No. 5.
**) Pupel periodico de Santafe 1793. n. 111.
***) Gegen Ruiz y Pavon Supplem. a la Quinologia p. 32.
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Über die Chinawälder in Südamerika.
Professor Zea hat in den Anales de ciencias naturales de Madrid*)
zu beweisen gewagt, daſs fast alle von Ruiz und Pavon aufgeführte wirk-
same Species sich auf die von Mutis im Jahr 1793 in der Litteraturzei-
tung von Santa Fe de Bogota**) beschriebenen 4 Arten C. lancifolia,
C. oblongifolia, C. cordifolia
und C. ovalifolia zurückführen lassen.

In der That ist mir kaum ein Baum bekannt, der mehr in der Ge-
stalt seiner Blätter variirt, als die Cinchona. Wer einzelne trockene
Exemplare der Herbarien bestimmt, und nicht selbst Gelegenheit hat die
Pflanze in den Wäldern zu beobachten, wird fast wie bei der Brousso-
nettia papyrifera,
in Blättern, die von einem Zweige sind, verschiedene
Species zu erkennen glauben. Die gelbe Fieberrinde, C. pubescens Vahl,
haben wir zugleich foliis ovatis, oblongis, ovato-lanceolatis und ovato-
cordatis gefunden. Mutis nennt sie C. cordifolia, weil sie die einzige
Art ist, auf der man bisweilen herzförmige Blätter findet. Dieselbe Spe-
cies variirt wie die weiſse China, C. ovalifolia Mut. (C. macrocarpa
Vahl)
foliis utrinque laevibus und foliis utrinque pubescentibus. Diese
Varietäten sind in den vortreflichen colorirten Zeichnungen dargestellt,
welche mir Herr Mutis bei meiner Anwesenheit in Santa Fe geschenkt
und welche, mit einem vollständigen Herbarium meiner Expedition nach
den Tropenländern, in dem Jardin des Plantes zu Paris deponirt sind.
Selbst die lorbeerblättrige C. Condaminea, die feinste China von Uritu-
singa, hat, je nachdem sie in Höhen wächst, die der des Gothard oder
des Aetna gleich sind, die verschiedenartigsten Blätter. Sie würde die
Chinaschäler (Cascarilleros) täuschen, wenn sie den Baum nicht an den
von den Botanikern so lange übersehenen Glandeln erkennten. Wir ha-
ben in Gonzanama unfern Loxa eine groſse Zahl dieser heterogenen
Blattformen sauber mit Buchdruckerschwärze abgedruckt, um zu bewei-
sen,***) wie schwankend alle bloſs von den Blättern hergenommene Kenn-
zeichen sind. Zu diesen und ähnlichen Zwecken ist die längst bekannte,
aber noch sehr zu vervollkommnende Methode der Ectypa überaus nütz-
lich, da sie vielbeschäftigten Reisenden ein Mittel darbietet, sich in we-
nigen Minuten die treuesten Umrisse zu verschaffen.

Je mehr die Fieberrindenbäume nach Höhe des Standorts, Rauhheit
oder Milde des Klima's, nach Vereinzelung der Stämme oder dichter
Umgebung von anderen Pflanzen, nach Geilheit des Wuchses und grös-
serer oder geringerer Nässe des Bodens in der Gestalt und Glätte der
Blätter variiren, desto nothwendiger ist es bei den diagnostischen Kenn-

*) Anno 1801 No. 5.
**) Pupel periodico de Santafe 1793. n. 111.
***) Gegen Ruiz y Pavon Supplem. a la Quinologia p. 32.
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[105/0015] Über die Chinawälder in Südamerika. Professor Zea hat in den Anales de ciencias naturales de Madrid *) zu beweisen gewagt, daſs fast alle von Ruiz und Pavon aufgeführte wirk- same Species sich auf die von Mutis im Jahr 1793 in der Litteraturzei- tung von Santa Fe de Bogota **) beschriebenen 4 Arten C. lancifolia, C. oblongifolia, C. cordifolia und C. ovalifolia zurückführen lassen. In der That ist mir kaum ein Baum bekannt, der mehr in der Ge- stalt seiner Blätter variirt, als die Cinchona. Wer einzelne trockene Exemplare der Herbarien bestimmt, und nicht selbst Gelegenheit hat die Pflanze in den Wäldern zu beobachten, wird fast wie bei der Brousso- nettia papyrifera, in Blättern, die von einem Zweige sind, verschiedene Species zu erkennen glauben. Die gelbe Fieberrinde, C. pubescens Vahl, haben wir zugleich foliis ovatis, oblongis, ovato-lanceolatis und ovato- cordatis gefunden. Mutis nennt sie C. cordifolia, weil sie die einzige Art ist, auf der man bisweilen herzförmige Blätter findet. Dieselbe Spe- cies variirt wie die weiſse China, C. ovalifolia Mut. (C. macrocarpa Vahl) foliis utrinque laevibus und foliis utrinque pubescentibus. Diese Varietäten sind in den vortreflichen colorirten Zeichnungen dargestellt, welche mir Herr Mutis bei meiner Anwesenheit in Santa Fe geschenkt und welche, mit einem vollständigen Herbarium meiner Expedition nach den Tropenländern, in dem Jardin des Plantes zu Paris deponirt sind. Selbst die lorbeerblättrige C. Condaminea, die feinste China von Uritu- singa, hat, je nachdem sie in Höhen wächst, die der des Gothard oder des Aetna gleich sind, die verschiedenartigsten Blätter. Sie würde die Chinaschäler (Cascarilleros) täuschen, wenn sie den Baum nicht an den von den Botanikern so lange übersehenen Glandeln erkennten. Wir ha- ben in Gonzanama unfern Loxa eine groſse Zahl dieser heterogenen Blattformen sauber mit Buchdruckerschwärze abgedruckt, um zu bewei- sen, ***) wie schwankend alle bloſs von den Blättern hergenommene Kenn- zeichen sind. Zu diesen und ähnlichen Zwecken ist die längst bekannte, aber noch sehr zu vervollkommnende Methode der Ectypa überaus nütz- lich, da sie vielbeschäftigten Reisenden ein Mittel darbietet, sich in we- nigen Minuten die treuesten Umrisse zu verschaffen. Je mehr die Fieberrindenbäume nach Höhe des Standorts, Rauhheit oder Milde des Klima's, nach Vereinzelung der Stämme oder dichter Umgebung von anderen Pflanzen, nach Geilheit des Wuchses und grös- serer oder geringerer Nässe des Bodens in der Gestalt und Glätte der Blätter variiren, desto nothwendiger ist es bei den diagnostischen Kenn- *) Anno 1801 No. 5. **) Pupel periodico de Santafe 1793. n. 111. ***) Gegen Ruiz y Pavon Supplem. a la Quinologia p. 32. 14

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Über die Chinawälder in Südamerika. In: Magazin für die neusten Entdeckungen in der gesammten Naturkunde, 1. Jg. (1807), S. 57-68, 104-120, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_chinawaelder_1807/15>, abgerufen am 29.03.2024.