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Humboldt, Alexander von: Mexicanische Alterthümer. In: Annalen der Erd-, Länder- und Völkerkunde. Bd. 11, H. 4 (1835), S. 321-325.

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Annalen, Januar 1834. -- Länder- u. Völkerkunde.
der das Jnteresse für die, sich entwickelnde, Kunst der Urvölker Ame-
rika's (eines vom übrigen Menschengeschlechte lange getrennten Stam-
mes) zu erwecken und an das zu erinnern, was man nie hätte vergessen
sollen, da es schon in dem classischen Zeitalter des Pomponius Laetus,
des Bembo und Anghiera, die Einbildungskraft vieler, mit römischer
und griechischer Kunst vertrauten, Männer lebhaft beschäftigt hatte.

Wenn ich heüte die Aufmerksamkeit der Leser auf alte amerikanische
Monumente zurückführe, so ist es, um ein Unternehmen bekannter zu machen
und zu empfehlen, welches den architektonischen und plastischen Werken
der Jngeborenen von Anahuac (dem Hochlande von Mexico) gewidmet
ist, und Alles verheißt, was man in archäologischer und pittoresker
Hinsicht von einem ausgezeichneten Künstler erwarten darf. Der Archi-
tekt Herr Nebel, aus Hamburg gebürtig, hat, nachdem er seine Stu-
dien in Jtalien vollendet, mit lobenswerthem Eifer, unter den manch-
faltigsten Beschwerden, fünf Jahre lang die Reste mexicanischer Bau-
werke und Sculpturen aufgesucht, von denen einige, z. B. die Treppen-
Pyramiden von Papantla, in dem Staate von Veracruz, und von
Xochicalco (zwischen Cuernavaca und Miacatlan, auf dem westlichen
Abhange der Cordillere), fast ganz unbekannt waren. Das erste dieser
merkwürdigen Denkmäler (ein Gotteshaus, teocalli) liegt, west-
lich vom Rio Tecolutla, gleichsam in dem Dickicht eines Waldes der
heißen und ewig feüchten Zone, am Fuße der östlichen Cordillere, ver-
borgen. Den Jndianern der Küstengegend allein bekannt, wurde die
Pyramide von Papantla von Jägern spanischer Abkunft, um das Jahr
1775, zufällig entdeckt. Herr Nebel mußte sich mehrere Tage damit
beschäftigen, die Stufen der Pyramide von den baumartigen Tropen-
gewächsen reinigen zu lassen, welche sie verdeckten und die Messungen
hinderten. Demselben Reisenden verdanken wir den Grundriß der son-
derbaren, von Säulen unterstützten Bauwerke, welche auf einem Hügel,
südöstlich von Zacatecas, zusammengedrängt sind, und für eine schon
weit entwickelte, viel bedürftige Civilisation zeügen.

Die bildende Kunst der Völker, die wir Barbaren nennen, kann
nicht Anmuth und Schönheit darbieten. Jhr Studium wird nicht
empfohlen, weil sie ein inneres höheres Leben in aüßern Formen wie-
dergiebt. Die bildende Kunst, selbst bei den rohesten Nationen, gewährt
ein Jnteresse anderer Art, ein historisches, das mit der Geschichte des
Menschengeschlechts, seinen Verzweigungen, der allmäligen Entwicke-
lung des Sinnes für Verhältniß und geometrische Formen, für wirk-
liche oder symbolisirende Nachbildung des Organischen, für Auffassung
des Bedeütungsvollen und Edeln in der menschlichen Gestalt innigst
zusammenhangt. Der Zweck eines solchen Studiums mag daher immer
ein aüßerer genannt werden, er umfaßt nicht minder, was in ewigem,


Annalen, Januar 1834. — Länder- u. Völkerkunde.
der das Jntereſſe für die, ſich entwickelnde, Kunſt der Urvölker Ame-
rika’s (eines vom übrigen Menſchengeſchlechte lange getrennten Stam-
mes) zu erwecken und an das zu erinnern, was man nie hätte vergeſſen
ſollen, da es ſchon in dem claſſiſchen Zeitalter des Pomponius Laetus,
des Bembo und Anghiera, die Einbildungskraft vieler, mit römiſcher
und griechiſcher Kunſt vertrauten, Männer lebhaft beſchäftigt hatte.

Wenn ich heüte die Aufmerkſamkeit der Leſer auf alte amerikaniſche
Monumente zurückführe, ſo iſt es, um ein Unternehmen bekannter zu machen
und zu empfehlen, welches den architektoniſchen und plaſtiſchen Werken
der Jngeborenen von Anahuac (dem Hochlande von Mexico) gewidmet
iſt, und Alles verheißt, was man in archäologiſcher und pittoresker
Hinſicht von einem ausgezeichneten Künſtler erwarten darf. Der Archi-
tekt Herr Nebel, aus Hamburg gebürtig, hat, nachdem er ſeine Stu-
dien in Jtalien vollendet, mit lobenswerthem Eifer, unter den manch-
faltigſten Beſchwerden, fünf Jahre lang die Reſte mexicaniſcher Bau-
werke und Sculpturen aufgeſucht, von denen einige, z. B. die Treppen-
Pyramiden von Papantla, in dem Staate von Veracruz, und von
Xochicalco (zwiſchen Cuernavaca und Miacatlan, auf dem weſtlichen
Abhange der Cordillere), faſt ganz unbekannt waren. Das erſte dieſer
merkwürdigen Denkmäler (ein Gotteshaus, teocalli) liegt, weſt-
lich vom Rio Tecolutla, gleichſam in dem Dickicht eines Waldes der
heißen und ewig feüchten Zone, am Fuße der öſtlichen Cordillere, ver-
borgen. Den Jndianern der Küſtengegend allein bekannt, wurde die
Pyramide von Papantla von Jägern ſpaniſcher Abkunft, um das Jahr
1775, zufällig entdeckt. Herr Nebel mußte ſich mehrere Tage damit
beſchäftigen, die Stufen der Pyramide von den baumartigen Tropen-
gewächſen reinigen zu laſſen, welche ſie verdeckten und die Meſſungen
hinderten. Demſelben Reiſenden verdanken wir den Grundriß der ſon-
derbaren, von Säulen unterſtützten Bauwerke, welche auf einem Hügel,
ſüdöſtlich von Zacatecas, zuſammengedrängt ſind, und für eine ſchon
weit entwickelte, viel bedürftige Civiliſation zeügen.

Die bildende Kunſt der Völker, die wir Barbaren nennen, kann
nicht Anmuth und Schönheit darbieten. Jhr Studium wird nicht
empfohlen, weil ſie ein inneres höheres Leben in aüßern Formen wie-
dergiebt. Die bildende Kunſt, ſelbſt bei den roheſten Nationen, gewährt
ein Jntereſſe anderer Art, ein hiſtoriſches, das mit der Geſchichte des
Menſchengeſchlechts, ſeinen Verzweigungen, der allmäligen Entwicke-
lung des Sinnes für Verhältniß und geometriſche Formen, für wirk-
liche oder ſymboliſirende Nachbildung des Organiſchen, für Auffaſſung
des Bedeütungsvollen und Edeln in der menſchlichen Geſtalt innigſt
zuſammenhangt. Der Zweck eines ſolchen Studiums mag daher immer
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[322/0002] Annalen, Januar 1834. — Länder- u. Völkerkunde. der das Jntereſſe für die, ſich entwickelnde, Kunſt der Urvölker Ame- rika’s (eines vom übrigen Menſchengeſchlechte lange getrennten Stam- mes) zu erwecken und an das zu erinnern, was man nie hätte vergeſſen ſollen, da es ſchon in dem claſſiſchen Zeitalter des Pomponius Laetus, des Bembo und Anghiera, die Einbildungskraft vieler, mit römiſcher und griechiſcher Kunſt vertrauten, Männer lebhaft beſchäftigt hatte. Wenn ich heüte die Aufmerkſamkeit der Leſer auf alte amerikaniſche Monumente zurückführe, ſo iſt es, um ein Unternehmen bekannter zu machen und zu empfehlen, welches den architektoniſchen und plaſtiſchen Werken der Jngeborenen von Anahuac (dem Hochlande von Mexico) gewidmet iſt, und Alles verheißt, was man in archäologiſcher und pittoresker Hinſicht von einem ausgezeichneten Künſtler erwarten darf. Der Archi- tekt Herr Nebel, aus Hamburg gebürtig, hat, nachdem er ſeine Stu- dien in Jtalien vollendet, mit lobenswerthem Eifer, unter den manch- faltigſten Beſchwerden, fünf Jahre lang die Reſte mexicaniſcher Bau- werke und Sculpturen aufgeſucht, von denen einige, z. B. die Treppen- Pyramiden von Papantla, in dem Staate von Veracruz, und von Xochicalco (zwiſchen Cuernavaca und Miacatlan, auf dem weſtlichen Abhange der Cordillere), faſt ganz unbekannt waren. Das erſte dieſer merkwürdigen Denkmäler (ein Gotteshaus, teocalli) liegt, weſt- lich vom Rio Tecolutla, gleichſam in dem Dickicht eines Waldes der heißen und ewig feüchten Zone, am Fuße der öſtlichen Cordillere, ver- borgen. Den Jndianern der Küſtengegend allein bekannt, wurde die Pyramide von Papantla von Jägern ſpaniſcher Abkunft, um das Jahr 1775, zufällig entdeckt. Herr Nebel mußte ſich mehrere Tage damit beſchäftigen, die Stufen der Pyramide von den baumartigen Tropen- gewächſen reinigen zu laſſen, welche ſie verdeckten und die Meſſungen hinderten. Demſelben Reiſenden verdanken wir den Grundriß der ſon- derbaren, von Säulen unterſtützten Bauwerke, welche auf einem Hügel, ſüdöſtlich von Zacatecas, zuſammengedrängt ſind, und für eine ſchon weit entwickelte, viel bedürftige Civiliſation zeügen. Die bildende Kunſt der Völker, die wir Barbaren nennen, kann nicht Anmuth und Schönheit darbieten. Jhr Studium wird nicht empfohlen, weil ſie ein inneres höheres Leben in aüßern Formen wie- dergiebt. Die bildende Kunſt, ſelbſt bei den roheſten Nationen, gewährt ein Jntereſſe anderer Art, ein hiſtoriſches, das mit der Geſchichte des Menſchengeſchlechts, ſeinen Verzweigungen, der allmäligen Entwicke- lung des Sinnes für Verhältniß und geometriſche Formen, für wirk- liche oder ſymboliſirende Nachbildung des Organiſchen, für Auffaſſung des Bedeütungsvollen und Edeln in der menſchlichen Geſtalt innigſt zuſammenhangt. Der Zweck eines ſolchen Studiums mag daher immer ein aüßerer genannt werden, er umfaßt nicht minder, was in ewigem,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Mexicanische Alterthümer. In: Annalen der Erd-, Länder- und Völkerkunde. Bd. 11, H. 4 (1835), S. 321-325, hier S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_alterthuemer_1835/2>, abgerufen am 23.11.2024.