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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Tische noch Bänke darin, aber große gebratene, vom Rauch
geschwärzte Affen sah man symmetrisch an die Wand gelehnt.
Es waren Marimondas (Ateles Belzebuth) und die bär-
tigen sogenannten Kapuzineraffen, die man nicht mit dem Machi
oder Sai (Buffons Simia Capucina) verwechseln darf. Die
Art, wie diese menschenähnlichen Tiere gebraten werden, trägt
viel dazu bei, wenn ihr Anblick dem civilisierten Menschen so
widerwärtig ist. Ein kleiner rost oder Gitter aus sehr hartem
Holz wird einen Fuß über dem Boden befestigt. Der abge-
zogene Affe wird zusammengebogen, als säße er; meist legt
man ihn so, daß er sich auf seine langen, mageren Arme stützt,
zuweilen kreuzt man ihm die Hände auf dem Rücken. Ist
er auf dem Gitter befestigt, so zündet man ein helles Feuer
darunter an. Flammen und Rauch umspielen den Affen und
er wir zugleich gebraten und berußt. 1 Sieht man nun die
Eingeborenen Arm oder Bein eines gebratenen Affen verzehren,
so kann man sich kaum des Gedankens erwehren, die Gewohn-
heit, Tiere zu essen, die im Körperbau dem Menschen so nahe
stehen, möge in gewissem Grade dazu beitragen, daß die Wil-
den so wenig Abscheu vor dem Essen von Menschenfleisch haben.
Die gebratenen Affen, besonders die mit sehr rundem Kopf,
gleichen auf schauerliche Weise Kindern, daher auch Europäer.
wenn sie sich von Vierhändern nähren müssen, lieber Kopf
und Hände abschneiden und nur den Rumpf auftragen lassen.
Das Affenfleisch ist so mager und trocken, daß Bonpland in
seinen Sammlungen in Paris einen Arm und eine Hand
aufbewahrt hat, die in Esmeralda am Feuer geröstet worden;
nach vielen Jahren rochen die Teile nicht im geringsten.

Wir sahen die Indianer tanzen. Der Tanz ist um so
einförmiger, da die Weiber nicht daran teilnehmen dürfen.
Die Männer, alt und jung, fassen sich bei den Händen, bil-
den einen Kreis und drehen sich so, bald rechts, bald links,
stundenlang, in schweigsamem Ernst. Meist machen die Tänzer
selbst die Musik dazu. Schwache Töne auf einer Reihe von
Rohrstücken von verschiedener Länge geblasen, bilden eine lang-
same, melancholische Begleitung. Um den Takt anzugeben,
beugt der Vortänzer im Rhythmus beide Kniee. Zuweilen

1 Kurz nach unserer Rückkehr nach Europa kam in Deutsch-
land nach einer geistvollen Zeichnung Schicks in Rom ein Kupfer-
stich heraus, eines unserer Nachtlager am Orinoko vorstellend. Im
Vordergrunde sind Indianer beschäftigt, einen Affen zu braten.

Tiſche noch Bänke darin, aber große gebratene, vom Rauch
geſchwärzte Affen ſah man ſymmetriſch an die Wand gelehnt.
Es waren Marimondas (Ateles Belzebuth) und die bär-
tigen ſogenannten Kapuzineraffen, die man nicht mit dem Machi
oder Saï (Buffons Simia Capucina) verwechſeln darf. Die
Art, wie dieſe menſchenähnlichen Tiere gebraten werden, trägt
viel dazu bei, wenn ihr Anblick dem civiliſierten Menſchen ſo
widerwärtig iſt. Ein kleiner roſt oder Gitter aus ſehr hartem
Holz wird einen Fuß über dem Boden befeſtigt. Der abge-
zogene Affe wird zuſammengebogen, als ſäße er; meiſt legt
man ihn ſo, daß er ſich auf ſeine langen, mageren Arme ſtützt,
zuweilen kreuzt man ihm die Hände auf dem Rücken. Iſt
er auf dem Gitter befeſtigt, ſo zündet man ein helles Feuer
darunter an. Flammen und Rauch umſpielen den Affen und
er wir zugleich gebraten und berußt. 1 Sieht man nun die
Eingeborenen Arm oder Bein eines gebratenen Affen verzehren,
ſo kann man ſich kaum des Gedankens erwehren, die Gewohn-
heit, Tiere zu eſſen, die im Körperbau dem Menſchen ſo nahe
ſtehen, möge in gewiſſem Grade dazu beitragen, daß die Wil-
den ſo wenig Abſcheu vor dem Eſſen von Menſchenfleiſch haben.
Die gebratenen Affen, beſonders die mit ſehr rundem Kopf,
gleichen auf ſchauerliche Weiſe Kindern, daher auch Europäer.
wenn ſie ſich von Vierhändern nähren müſſen, lieber Kopf
und Hände abſchneiden und nur den Rumpf auftragen laſſen.
Das Affenfleiſch iſt ſo mager und trocken, daß Bonpland in
ſeinen Sammlungen in Paris einen Arm und eine Hand
aufbewahrt hat, die in Esmeralda am Feuer geröſtet worden;
nach vielen Jahren rochen die Teile nicht im geringſten.

Wir ſahen die Indianer tanzen. Der Tanz iſt um ſo
einförmiger, da die Weiber nicht daran teilnehmen dürfen.
Die Männer, alt und jung, faſſen ſich bei den Händen, bil-
den einen Kreis und drehen ſich ſo, bald rechts, bald links,
ſtundenlang, in ſchweigſamem Ernſt. Meiſt machen die Tänzer
ſelbſt die Muſik dazu. Schwache Töne auf einer Reihe von
Rohrſtücken von verſchiedener Länge geblaſen, bilden eine lang-
ſame, melancholiſche Begleitung. Um den Takt anzugeben,
beugt der Vortänzer im Rhythmus beide Kniee. Zuweilen

1 Kurz nach unſerer Rückkehr nach Europa kam in Deutſch-
land nach einer geiſtvollen Zeichnung Schicks in Rom ein Kupfer-
ſtich heraus, eines unſerer Nachtlager am Orinoko vorſtellend. Im
Vordergrunde ſind Indianer beſchäftigt, einen Affen zu braten.
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[70/0078] Tiſche noch Bänke darin, aber große gebratene, vom Rauch geſchwärzte Affen ſah man ſymmetriſch an die Wand gelehnt. Es waren Marimondas (Ateles Belzebuth) und die bär- tigen ſogenannten Kapuzineraffen, die man nicht mit dem Machi oder Saï (Buffons Simia Capucina) verwechſeln darf. Die Art, wie dieſe menſchenähnlichen Tiere gebraten werden, trägt viel dazu bei, wenn ihr Anblick dem civiliſierten Menſchen ſo widerwärtig iſt. Ein kleiner roſt oder Gitter aus ſehr hartem Holz wird einen Fuß über dem Boden befeſtigt. Der abge- zogene Affe wird zuſammengebogen, als ſäße er; meiſt legt man ihn ſo, daß er ſich auf ſeine langen, mageren Arme ſtützt, zuweilen kreuzt man ihm die Hände auf dem Rücken. Iſt er auf dem Gitter befeſtigt, ſo zündet man ein helles Feuer darunter an. Flammen und Rauch umſpielen den Affen und er wir zugleich gebraten und berußt. 1 Sieht man nun die Eingeborenen Arm oder Bein eines gebratenen Affen verzehren, ſo kann man ſich kaum des Gedankens erwehren, die Gewohn- heit, Tiere zu eſſen, die im Körperbau dem Menſchen ſo nahe ſtehen, möge in gewiſſem Grade dazu beitragen, daß die Wil- den ſo wenig Abſcheu vor dem Eſſen von Menſchenfleiſch haben. Die gebratenen Affen, beſonders die mit ſehr rundem Kopf, gleichen auf ſchauerliche Weiſe Kindern, daher auch Europäer. wenn ſie ſich von Vierhändern nähren müſſen, lieber Kopf und Hände abſchneiden und nur den Rumpf auftragen laſſen. Das Affenfleiſch iſt ſo mager und trocken, daß Bonpland in ſeinen Sammlungen in Paris einen Arm und eine Hand aufbewahrt hat, die in Esmeralda am Feuer geröſtet worden; nach vielen Jahren rochen die Teile nicht im geringſten. Wir ſahen die Indianer tanzen. Der Tanz iſt um ſo einförmiger, da die Weiber nicht daran teilnehmen dürfen. Die Männer, alt und jung, faſſen ſich bei den Händen, bil- den einen Kreis und drehen ſich ſo, bald rechts, bald links, ſtundenlang, in ſchweigſamem Ernſt. Meiſt machen die Tänzer ſelbſt die Muſik dazu. Schwache Töne auf einer Reihe von Rohrſtücken von verſchiedener Länge geblaſen, bilden eine lang- ſame, melancholiſche Begleitung. Um den Takt anzugeben, beugt der Vortänzer im Rhythmus beide Kniee. Zuweilen 1 Kurz nach unſerer Rückkehr nach Europa kam in Deutſch- land nach einer geiſtvollen Zeichnung Schicks in Rom ein Kupfer- ſtich heraus, eines unſerer Nachtlager am Orinoko vorſtellend. Im Vordergrunde ſind Indianer beſchäftigt, einen Affen zu braten.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/78>, abgerufen am 06.05.2024.