Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.Präsidenten der Missionen Fray Gutierez de Aquilera von Wenn die Villa Esmeralda mit ihrer Bevölkerung von Präſidenten der Miſſionen Fray Gutierez de Aquilera von Wenn die Villa Esmeralda mit ihrer Bevölkerung von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="58"/> Präſidenten der Miſſionen Fray Gutierez de Aquilera von<lb/> einem Generalkapitel gewählt und vom König beſtätigt worden,<lb/> traten fünf oder ſechs Mönche vom oberen Orinoko, Caſſi-<lb/> quiare und Rio Negro in San Fernando de Atabapo zu-<lb/> ſammen, wählten in aller Eile und aus ihrer eigenen Mitte<lb/> einen neuen Superior und ließen den alten, der zu ſeinem<lb/> Unglück zur Viſitation ins Land kam, feſtnehmen. Man legte<lb/> ihm Fußſchellen an, warf ihn in ein Kanoe und führte ihn<lb/> nach Esmeralda als Verbannungsort. Da es von der Küſte<lb/> zum Schauplatz dieſer Empörung ſo weit war, ſo hofften die<lb/> Mönche, ihre Frevelthat werde jenſeits der großen Katarakte<lb/> lange nicht bekannt werden. Man wollte Zeit gewinnen, um<lb/> zu intrigieren, zu negoziieren, um Anklageakten aufzuſetzen<lb/> und all die kleinen Ränke ſpielen zu laſſen, durch die man<lb/> überall in der Welt die Ungültigkeit einer erſten Wahl dar-<lb/> thut. Der alte Superior ſeufzte in ſeinem Kerker zu Es-<lb/> meralda; ja er wurde von der furchtbaren Hitze und dem<lb/> beſtändigen Hautreiz durch die Moskiten ernſtlich krank. Zum<lb/> Glück für die geſtürzte Autorität blieben die meuteriſchen<lb/> Mönche nicht einig. Einem Miſſionär vom Caſſiquiare wurde<lb/> bange, wie dieſer Handel enden ſollte; er fürchtete verhaftet<lb/> und nach Cadiz geſchickt zu werden, oder, wie man in den<lb/> Kolonieen ſagt, <hi rendition="#aq">baxo partido de registro;</hi> aus Angſt wurde<lb/> er ſeiner Partei untreu und machte ſich unverſehens davon.<lb/> Man ſtellte an der Mündung des Atabapo, bei den großen<lb/> Katarakten, überall wo der Flüchtling auf dem Weg zum<lb/> unteren Orinoko vorbeikommen mußte, Indianer als Wachen<lb/> auf. Trotz dieſer Maßregeln kam er nach Angoſtura und<lb/> von da in das Miſſionskollegium von Piritu; er gab ſeine<lb/> Kollegen an und erhielt zum Lohn für ſeine Ausſage den<lb/> Auftrag, die zu verhaften, mit denen er ſich gegen den Prä-<lb/> ſidenten der Miſſionen verſchworen hatte. In Esmeralda,<lb/> wo man von den politiſchen Stürmen, die ſeit 30 Jahren<lb/> das alte Europa erſchüttern, noch gar nicht hat ſprechen<lb/> hören, iſt der ſogenannte <hi rendition="#aq">Alboroto de los frailes</hi> (die Meu-<lb/> terei der Mönche) noch immer eine wichtige Begebenheit. Hier-<lb/> zulande, wie im Orient, weiß man nur von Revolutionen,<lb/> die von den Gewalthabern ſelbſt ausgehen, und wir haben<lb/> geſehen, daß ſie in ihren Folgen eben nicht ſehr bedenk-<lb/> lich ſind.</p><lb/> <p>Wenn die <hi rendition="#g">Villa</hi> Esmeralda mit ihrer Bevölkerung von<lb/> 12 bis 15 Familien gegenwärtig für einen ſchrecklichen Auf-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
Präſidenten der Miſſionen Fray Gutierez de Aquilera von
einem Generalkapitel gewählt und vom König beſtätigt worden,
traten fünf oder ſechs Mönche vom oberen Orinoko, Caſſi-
quiare und Rio Negro in San Fernando de Atabapo zu-
ſammen, wählten in aller Eile und aus ihrer eigenen Mitte
einen neuen Superior und ließen den alten, der zu ſeinem
Unglück zur Viſitation ins Land kam, feſtnehmen. Man legte
ihm Fußſchellen an, warf ihn in ein Kanoe und führte ihn
nach Esmeralda als Verbannungsort. Da es von der Küſte
zum Schauplatz dieſer Empörung ſo weit war, ſo hofften die
Mönche, ihre Frevelthat werde jenſeits der großen Katarakte
lange nicht bekannt werden. Man wollte Zeit gewinnen, um
zu intrigieren, zu negoziieren, um Anklageakten aufzuſetzen
und all die kleinen Ränke ſpielen zu laſſen, durch die man
überall in der Welt die Ungültigkeit einer erſten Wahl dar-
thut. Der alte Superior ſeufzte in ſeinem Kerker zu Es-
meralda; ja er wurde von der furchtbaren Hitze und dem
beſtändigen Hautreiz durch die Moskiten ernſtlich krank. Zum
Glück für die geſtürzte Autorität blieben die meuteriſchen
Mönche nicht einig. Einem Miſſionär vom Caſſiquiare wurde
bange, wie dieſer Handel enden ſollte; er fürchtete verhaftet
und nach Cadiz geſchickt zu werden, oder, wie man in den
Kolonieen ſagt, baxo partido de registro; aus Angſt wurde
er ſeiner Partei untreu und machte ſich unverſehens davon.
Man ſtellte an der Mündung des Atabapo, bei den großen
Katarakten, überall wo der Flüchtling auf dem Weg zum
unteren Orinoko vorbeikommen mußte, Indianer als Wachen
auf. Trotz dieſer Maßregeln kam er nach Angoſtura und
von da in das Miſſionskollegium von Piritu; er gab ſeine
Kollegen an und erhielt zum Lohn für ſeine Ausſage den
Auftrag, die zu verhaften, mit denen er ſich gegen den Prä-
ſidenten der Miſſionen verſchworen hatte. In Esmeralda,
wo man von den politiſchen Stürmen, die ſeit 30 Jahren
das alte Europa erſchüttern, noch gar nicht hat ſprechen
hören, iſt der ſogenannte Alboroto de los frailes (die Meu-
terei der Mönche) noch immer eine wichtige Begebenheit. Hier-
zulande, wie im Orient, weiß man nur von Revolutionen,
die von den Gewalthabern ſelbſt ausgehen, und wir haben
geſehen, daß ſie in ihren Folgen eben nicht ſehr bedenk-
lich ſind.
Wenn die Villa Esmeralda mit ihrer Bevölkerung von
12 bis 15 Familien gegenwärtig für einen ſchrecklichen Auf-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |