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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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flur ist oder mit Heiden bewachsen, wie im nördlichen Eu-
ropa, oder mit Cistus, Lentisken und Chamärops, wie in
Spanien, oder mit Kaktus, Argenome und Brathys, wie im
tropischen Amerika. Einen je größeren Raum der Pflanzen-
verein einnimmt, desto stärkeren Widerstand leisten die geselligen
Gewächse dem Anbau. Zu dieser allgemeinen Ursache kommt
in den Llanos von Venezuela der Umstand, daß die kleinen
Grasarten während der Reife der Samen den Boden aus-
saugen, ferner der gänzliche Mangel an Bäumen und Busch-
werk, die Sandwinde, deren Gluthitze gesteigert wird durch
die Berührung mit einem Boden, der zwölf Stunden lang
die Sonnenstrahlen einsaugt, ohne daß je ein anderer Schatten
als der der Aristiden, Cenchrus und Paspalum darauf fällt.
Die Fortschritte, welche der große Baumwuchs und der An-
bau dikotyledonischer Gewächse in der Umgebung der Städte,
zum Beispiel um Calabozo und Pao gemacht haben, beweisen,
daß man der Steppe Boden abgewinnen könnte, wenn man
sie in kleinen Stücken angriffe, sie nach und nach von der
Masse abschlösse, sie durch Einschnitte und Bewässerungskanäle
zerstückte. Vielleicht gelänge es, den Einfluß der den Boden
ausdörrenden Winde zu verringern, wenn man im großen,
auf 15 bis 20 Morgen, Psidium, Kroton, Kassia, Tamarin-
den ansäete, Pflanzen, welche trockene, offene Stellen lieben.
Ich bin weit entfernt zu glauben, daß der Mensch je die
Savannen ganz austilgen wird, und daß die Llanos, die ja
als Weiden und für den Viehhandel so nutzbar sind, jemals
angebaut sein werden wie die Thäler von Aragua oder andere
den Küsten von Caracas und Cumana nahe gelegene Land-
striche; aber ich bin überzeugt, daß ein beträchtliches Stück
dieser Ebenen im Laufe der Jahrhunderte, unter einer den
Gewerbfleiß fördernden Regierung, das wilde Aussehen ver-
lieren wird, das sie seit der ersten "Eroberung" durch die
Europäer behauptet haben.

Dieser allmähliche Wechsel, dieses Wachsen der Bevölke-
rung werden nicht nur den Wohlstand dieser Länder steigern, sie
werden auch auf die sittlichen und politischen Zustände gün-
stigen Einfluß äußern. Die Llanos machen über zwei Drit-
teile des Stücks von Venezuela oder der alten Capitania
general
von Caracas aus, das nördlich vom Orinoko und
Rio Apure liegt. Bei bürgerlichen Unruhen dienen nun aber
die Llanos durch ihre Oede und den Ueberfluß an Nahrungs-
mitteln, die ihre zahllosen Herden liefern, der Partei, welche

flur iſt oder mit Heiden bewachſen, wie im nördlichen Eu-
ropa, oder mit Ciſtus, Lentisken und Chamärops, wie in
Spanien, oder mit Kaktus, Argenome und Brathys, wie im
tropiſchen Amerika. Einen je größeren Raum der Pflanzen-
verein einnimmt, deſto ſtärkeren Widerſtand leiſten die geſelligen
Gewächſe dem Anbau. Zu dieſer allgemeinen Urſache kommt
in den Llanos von Venezuela der Umſtand, daß die kleinen
Grasarten während der Reife der Samen den Boden aus-
ſaugen, ferner der gänzliche Mangel an Bäumen und Buſch-
werk, die Sandwinde, deren Gluthitze geſteigert wird durch
die Berührung mit einem Boden, der zwölf Stunden lang
die Sonnenſtrahlen einſaugt, ohne daß je ein anderer Schatten
als der der Ariſtiden, Cenchrus und Paspalum darauf fällt.
Die Fortſchritte, welche der große Baumwuchs und der An-
bau dikotyledoniſcher Gewächſe in der Umgebung der Städte,
zum Beiſpiel um Calabozo und Pao gemacht haben, beweiſen,
daß man der Steppe Boden abgewinnen könnte, wenn man
ſie in kleinen Stücken angriffe, ſie nach und nach von der
Maſſe abſchlöſſe, ſie durch Einſchnitte und Bewäſſerungskanäle
zerſtückte. Vielleicht gelänge es, den Einfluß der den Boden
ausdörrenden Winde zu verringern, wenn man im großen,
auf 15 bis 20 Morgen, Pſidium, Kroton, Kaſſia, Tamarin-
den anſäete, Pflanzen, welche trockene, offene Stellen lieben.
Ich bin weit entfernt zu glauben, daß der Menſch je die
Savannen ganz austilgen wird, und daß die Llanos, die ja
als Weiden und für den Viehhandel ſo nutzbar ſind, jemals
angebaut ſein werden wie die Thäler von Aragua oder andere
den Küſten von Caracas und Cumana nahe gelegene Land-
ſtriche; aber ich bin überzeugt, daß ein beträchtliches Stück
dieſer Ebenen im Laufe der Jahrhunderte, unter einer den
Gewerbfleiß fördernden Regierung, das wilde Ausſehen ver-
lieren wird, das ſie ſeit der erſten „Eroberung“ durch die
Europäer behauptet haben.

Dieſer allmähliche Wechſel, dieſes Wachſen der Bevölke-
rung werden nicht nur den Wohlſtand dieſer Länder ſteigern, ſie
werden auch auf die ſittlichen und politiſchen Zuſtände gün-
ſtigen Einfluß äußern. Die Llanos machen über zwei Drit-
teile des Stücks von Venezuela oder der alten Capitania
general
von Caracas aus, das nördlich vom Orinoko und
Rio Apure liegt. Bei bürgerlichen Unruhen dienen nun aber
die Llanos durch ihre Oede und den Ueberfluß an Nahrungs-
mitteln, die ihre zahlloſen Herden liefern, der Partei, welche

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[261/0269] flur iſt oder mit Heiden bewachſen, wie im nördlichen Eu- ropa, oder mit Ciſtus, Lentisken und Chamärops, wie in Spanien, oder mit Kaktus, Argenome und Brathys, wie im tropiſchen Amerika. Einen je größeren Raum der Pflanzen- verein einnimmt, deſto ſtärkeren Widerſtand leiſten die geſelligen Gewächſe dem Anbau. Zu dieſer allgemeinen Urſache kommt in den Llanos von Venezuela der Umſtand, daß die kleinen Grasarten während der Reife der Samen den Boden aus- ſaugen, ferner der gänzliche Mangel an Bäumen und Buſch- werk, die Sandwinde, deren Gluthitze geſteigert wird durch die Berührung mit einem Boden, der zwölf Stunden lang die Sonnenſtrahlen einſaugt, ohne daß je ein anderer Schatten als der der Ariſtiden, Cenchrus und Paspalum darauf fällt. Die Fortſchritte, welche der große Baumwuchs und der An- bau dikotyledoniſcher Gewächſe in der Umgebung der Städte, zum Beiſpiel um Calabozo und Pao gemacht haben, beweiſen, daß man der Steppe Boden abgewinnen könnte, wenn man ſie in kleinen Stücken angriffe, ſie nach und nach von der Maſſe abſchlöſſe, ſie durch Einſchnitte und Bewäſſerungskanäle zerſtückte. Vielleicht gelänge es, den Einfluß der den Boden ausdörrenden Winde zu verringern, wenn man im großen, auf 15 bis 20 Morgen, Pſidium, Kroton, Kaſſia, Tamarin- den anſäete, Pflanzen, welche trockene, offene Stellen lieben. Ich bin weit entfernt zu glauben, daß der Menſch je die Savannen ganz austilgen wird, und daß die Llanos, die ja als Weiden und für den Viehhandel ſo nutzbar ſind, jemals angebaut ſein werden wie die Thäler von Aragua oder andere den Küſten von Caracas und Cumana nahe gelegene Land- ſtriche; aber ich bin überzeugt, daß ein beträchtliches Stück dieſer Ebenen im Laufe der Jahrhunderte, unter einer den Gewerbfleiß fördernden Regierung, das wilde Ausſehen ver- lieren wird, das ſie ſeit der erſten „Eroberung“ durch die Europäer behauptet haben. Dieſer allmähliche Wechſel, dieſes Wachſen der Bevölke- rung werden nicht nur den Wohlſtand dieſer Länder ſteigern, ſie werden auch auf die ſittlichen und politiſchen Zuſtände gün- ſtigen Einfluß äußern. Die Llanos machen über zwei Drit- teile des Stücks von Venezuela oder der alten Capitania general von Caracas aus, das nördlich vom Orinoko und Rio Apure liegt. Bei bürgerlichen Unruhen dienen nun aber die Llanos durch ihre Oede und den Ueberfluß an Nahrungs- mitteln, die ihre zahlloſen Herden liefern, der Partei, welche

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/269>, abgerufen am 22.11.2024.