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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.

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Halbinsel Malakka und im Distrikt Menangkabau auf der
Insel Sumatra Autochthonen zu sein scheinen. 1 Der Archipel
der großen und der kleinen Antillen hat die Gestalt einer
schmalen, zerrissenen Landzunge, die der Landenge von Pa-
nama parallel läuft und nach der Annahme mancher Geo-
graphen einst Florida mit dem nordöstlichen Ende von Süd-
amerika verband. Es ist gleichsam das östliche Ufer eines
Binnenmeeres, das man ein Becken mit mehreren Ausgängen
nennen kann. Diese sonderbare Bildung des Landes hat den
verschiedenen Wandersystemen, nach denen man die Nieder-
lassung der karibischen Völker auf den Inseln und auf dem
benachbarten Festlande zu erklären suchte, zur Stütze gedient.
Die Kariben des Festlandes behaupten, die kleinen Antillen
seien vor Zeiten von den Aruaken bewohnt gewesen, einer
kriegerischen Nation, deren Hauptmasse noch jetzt an den un-
gesunden Ufern des Surinam und des Berbice lebt. Diese
Aruaken sollen, mit Ausnahme der Weiber, von den Kariben,
die von den Mündungen des Orinoko hinübergekommen, sämt-
lich ausgerottet worden sein, und sie berufen sich zur Bewahr-
heitung dieser Sage auf die Aehnlichkeit zwischen der Sprache
der Aruaken und der Weibersprache bei den Kariben. Man
muß aber bedenken, daß die Aruaken, wenn sie gleich Feinde
der Kariben sind, doch mit ihnen zur selben Völkerfamilie
gehören, und daß das Aruakische und das Karibische einander
so nahe stehen wie Griechisch und Persisch, Deutsch und Sans-
krit. Nach einer anderen Sage sind die Kariben auf den
Inseln von Süden hergekommen, nicht als Eroberer, sondern
aus Guyana von den Aruaken vertrieben, die ursprünglich
über alle benachbarten Völker das Uebergewicht hatten. End-
lich eine dritte, weit verbreitetere und auch wahrscheinlichere
Sage läßt die Kariben aus Nordamerika, namentlich aus
Florida kommen. Ein Reisender, der sich rühmt, alles zu-
sammengebracht zu haben, was auf diese Wanderungen von
Nord nach Süd Bezug hat, Bristok, behauptet, ein Stamm der
Confachiqui habe lange mit den Apalachiten im Kriege gelegen;
diese haben jenem Stamme den fruchtbaren Distrikt Amana

1 Wenn ich das Wort Autochthone brauche, so will ich da-
mit keineswegs aussprechen, daß die Völker hier geschaffen worden,
was gar nicht Sache der Geschichte ist, sondern nur so viel sagen,
daß wir von keinem anderen Volke wissen, das älter wäre als das
autochthone.

Halbinſel Malakka und im Diſtrikt Menangkabau auf der
Inſel Sumatra Autochthonen zu ſein ſcheinen. 1 Der Archipel
der großen und der kleinen Antillen hat die Geſtalt einer
ſchmalen, zerriſſenen Landzunge, die der Landenge von Pa-
nama parallel läuft und nach der Annahme mancher Geo-
graphen einſt Florida mit dem nordöſtlichen Ende von Süd-
amerika verband. Es iſt gleichſam das öſtliche Ufer eines
Binnenmeeres, das man ein Becken mit mehreren Ausgängen
nennen kann. Dieſe ſonderbare Bildung des Landes hat den
verſchiedenen Wanderſyſtemen, nach denen man die Nieder-
laſſung der karibiſchen Völker auf den Inſeln und auf dem
benachbarten Feſtlande zu erklären ſuchte, zur Stütze gedient.
Die Kariben des Feſtlandes behaupten, die kleinen Antillen
ſeien vor Zeiten von den Aruaken bewohnt geweſen, einer
kriegeriſchen Nation, deren Hauptmaſſe noch jetzt an den un-
geſunden Ufern des Surinam und des Berbice lebt. Dieſe
Aruaken ſollen, mit Ausnahme der Weiber, von den Kariben,
die von den Mündungen des Orinoko hinübergekommen, ſämt-
lich ausgerottet worden ſein, und ſie berufen ſich zur Bewahr-
heitung dieſer Sage auf die Aehnlichkeit zwiſchen der Sprache
der Aruaken und der Weiberſprache bei den Kariben. Man
muß aber bedenken, daß die Aruaken, wenn ſie gleich Feinde
der Kariben ſind, doch mit ihnen zur ſelben Völkerfamilie
gehören, und daß das Aruakiſche und das Karibiſche einander
ſo nahe ſtehen wie Griechiſch und Perſiſch, Deutſch und Sans-
krit. Nach einer anderen Sage ſind die Kariben auf den
Inſeln von Süden hergekommen, nicht als Eroberer, ſondern
aus Guyana von den Aruaken vertrieben, die urſprünglich
über alle benachbarten Völker das Uebergewicht hatten. End-
lich eine dritte, weit verbreitetere und auch wahrſcheinlichere
Sage läßt die Kariben aus Nordamerika, namentlich aus
Florida kommen. Ein Reiſender, der ſich rühmt, alles zu-
ſammengebracht zu haben, was auf dieſe Wanderungen von
Nord nach Süd Bezug hat, Briſtok, behauptet, ein Stamm der
Confachiqui habe lange mit den Apalachiten im Kriege gelegen;
dieſe haben jenem Stamme den fruchtbaren Diſtrikt Amana

1 Wenn ich das Wort Autochthone brauche, ſo will ich da-
mit keineswegs ausſprechen, daß die Völker hier geſchaffen worden,
was gar nicht Sache der Geſchichte iſt, ſondern nur ſo viel ſagen,
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autochthone.
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[240/0248] Halbinſel Malakka und im Diſtrikt Menangkabau auf der Inſel Sumatra Autochthonen zu ſein ſcheinen. 1 Der Archipel der großen und der kleinen Antillen hat die Geſtalt einer ſchmalen, zerriſſenen Landzunge, die der Landenge von Pa- nama parallel läuft und nach der Annahme mancher Geo- graphen einſt Florida mit dem nordöſtlichen Ende von Süd- amerika verband. Es iſt gleichſam das öſtliche Ufer eines Binnenmeeres, das man ein Becken mit mehreren Ausgängen nennen kann. Dieſe ſonderbare Bildung des Landes hat den verſchiedenen Wanderſyſtemen, nach denen man die Nieder- laſſung der karibiſchen Völker auf den Inſeln und auf dem benachbarten Feſtlande zu erklären ſuchte, zur Stütze gedient. Die Kariben des Feſtlandes behaupten, die kleinen Antillen ſeien vor Zeiten von den Aruaken bewohnt geweſen, einer kriegeriſchen Nation, deren Hauptmaſſe noch jetzt an den un- geſunden Ufern des Surinam und des Berbice lebt. Dieſe Aruaken ſollen, mit Ausnahme der Weiber, von den Kariben, die von den Mündungen des Orinoko hinübergekommen, ſämt- lich ausgerottet worden ſein, und ſie berufen ſich zur Bewahr- heitung dieſer Sage auf die Aehnlichkeit zwiſchen der Sprache der Aruaken und der Weiberſprache bei den Kariben. Man muß aber bedenken, daß die Aruaken, wenn ſie gleich Feinde der Kariben ſind, doch mit ihnen zur ſelben Völkerfamilie gehören, und daß das Aruakiſche und das Karibiſche einander ſo nahe ſtehen wie Griechiſch und Perſiſch, Deutſch und Sans- krit. Nach einer anderen Sage ſind die Kariben auf den Inſeln von Süden hergekommen, nicht als Eroberer, ſondern aus Guyana von den Aruaken vertrieben, die urſprünglich über alle benachbarten Völker das Uebergewicht hatten. End- lich eine dritte, weit verbreitetere und auch wahrſcheinlichere Sage läßt die Kariben aus Nordamerika, namentlich aus Florida kommen. Ein Reiſender, der ſich rühmt, alles zu- ſammengebracht zu haben, was auf dieſe Wanderungen von Nord nach Süd Bezug hat, Briſtok, behauptet, ein Stamm der Confachiqui habe lange mit den Apalachiten im Kriege gelegen; dieſe haben jenem Stamme den fruchtbaren Diſtrikt Amana 1 Wenn ich das Wort Autochthone brauche, ſo will ich da- mit keineswegs ausſprechen, daß die Völker hier geſchaffen worden, was gar nicht Sache der Geſchichte iſt, ſondern nur ſo viel ſagen, daß wir von keinem anderen Volke wiſſen, das älter wäre als das autochthone.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/248>, abgerufen am 23.11.2024.