Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.die Weiber bei ihrer abgeschlossenen Lebensweise sich Redens- 1 Cicero, De oratore. Lib. III, c. 12. 2 Ich gebe hier einige Beispiele von diesem Unterschiede zwischen
der Sprache der Männer (M) und der Weiber (W): Insel oubao (M), acaera (W); Mensch ouekelli (M), eyeri (W); Mais ichen (M), atica (W). die Weiber bei ihrer abgeſchloſſenen Lebensweiſe ſich Redens- 1 Cicero, De oratore. Lib. III, c. 12. 2 Ich gebe hier einige Beiſpiele von dieſem Unterſchiede zwiſchen
der Sprache der Männer (M) und der Weiber (W): Inſel oubao (M), acaera (W); Menſch ouekelli (M), eyeri (W); Mais ichen (M), atica (W). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0245" n="237"/> die Weiber bei ihrer abgeſchloſſenen Lebensweiſe ſich Redens-<lb/> arten bilden, welche die Männer nicht annehmen mögen.<lb/> Schon Cicero <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Cicero</hi>, De oratore. Lib. III, c.</hi> 12.</note> bemerkt, daß die alten Sprachformen ſich vor-<lb/> zugsweiſe im Munde der Weiber erhalten, weil ſie bei ihrer<lb/> Stellung in der Geſellſchaft nicht ſo ſehr den Lebenswechſeln<lb/> (dem Wechſel von Wohnort und Beſchäftigung) ausgeſetzt<lb/> ſind, wodurch bei den Männern die urſprüngliche Reinheit<lb/> der Sprache leicht leidet. Bei den karibiſchen Völkern iſt<lb/> aber der Unterſchied zwiſchen den Mundarten beider Geſchlechter<lb/> ſo groß und auffallend, daß man zur befriedigenden Erklä-<lb/> rung desſelben ſich nach einer anderen Quelle umſehen muß.<lb/> Dieſe glaubte man nun in dem barbariſchen Brauche zu fin-<lb/> den, die männlichen Gefangenen zu töten und die Weiber<lb/> der Beſiegten als Sklaven fortzuſchleppen. Als die Kariben<lb/> in den Archipel der Kleinen Antillen einfielen, kamen<lb/> ſie als eine kriegeriſche Horde, nicht als Koloniſten, die ihre<lb/> Familien bei ſich hatten. Die Weiberſprache bildete ſich nun<lb/> in dem Maße, als die Sieger ſich mit fremden Weibern ver-<lb/> banden. Damit kamen neue Elemente herein, Worte weſent-<lb/> lich verſchieden von den karibiſchen Worten, <note place="foot" n="2">Ich gebe hier einige Beiſpiele von dieſem Unterſchiede zwiſchen<lb/> der Sprache der Männer (<hi rendition="#aq">M</hi>) und der Weiber (<hi rendition="#aq">W</hi>): <hi rendition="#g">Inſel</hi> <hi rendition="#aq">oubao (M),<lb/> acaera (W);</hi> <hi rendition="#g">Menſch</hi> <hi rendition="#aq">ouekelli (M), eyeri (W);</hi> <hi rendition="#g">Mais</hi> <hi rendition="#aq">ichen (M),<lb/> atica (W).</hi></note> die ſich im<lb/> Frauengemach von Geſchlecht zu Geſchlecht fortpflanzten, doch<lb/> ſo, daß der Bau, die Kombinationen und die grammatiſchen<lb/> Formen der Männerſprache Einfluß darauf äußerten. So voll-<lb/> zog ſich hier in einem beſchränkten Verein von Individuen,<lb/> was wir an der ganzen Völkergruppe des neuen Kontinents<lb/> beobachten. Völlige Verſchiedenheit hinſichtlich der Worte<lb/> neben großer Aehnlichkeit im Bau, das iſt die Eigentümlich-<lb/> keit der amerikaniſchen Sprachen von der Hudſonsbai bis<lb/> zur Magelhaensſchen Meerenge. Es iſt verſchiedenes Material<lb/> in ähnlichen Formen. Bedenkt man nun, daß die Erſchei-<lb/> nung faſt von einem Pol zum anderen über die ganze Hälfte<lb/> unſeres Planeten reicht, betrachtet man die Eigentümlichkeiten<lb/> in den grammatiſchen Kombinationen (die Formen für die<lb/> Genera bei den drei Perſonen des Zeitwortes, die Redupli-<lb/> kationen, die Frequentative, die Duale), ſo kann man ſich<lb/> nicht genug wundern, wie einförmig bei einem ſo beträcht-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [237/0245]
die Weiber bei ihrer abgeſchloſſenen Lebensweiſe ſich Redens-
arten bilden, welche die Männer nicht annehmen mögen.
Schon Cicero 1 bemerkt, daß die alten Sprachformen ſich vor-
zugsweiſe im Munde der Weiber erhalten, weil ſie bei ihrer
Stellung in der Geſellſchaft nicht ſo ſehr den Lebenswechſeln
(dem Wechſel von Wohnort und Beſchäftigung) ausgeſetzt
ſind, wodurch bei den Männern die urſprüngliche Reinheit
der Sprache leicht leidet. Bei den karibiſchen Völkern iſt
aber der Unterſchied zwiſchen den Mundarten beider Geſchlechter
ſo groß und auffallend, daß man zur befriedigenden Erklä-
rung desſelben ſich nach einer anderen Quelle umſehen muß.
Dieſe glaubte man nun in dem barbariſchen Brauche zu fin-
den, die männlichen Gefangenen zu töten und die Weiber
der Beſiegten als Sklaven fortzuſchleppen. Als die Kariben
in den Archipel der Kleinen Antillen einfielen, kamen
ſie als eine kriegeriſche Horde, nicht als Koloniſten, die ihre
Familien bei ſich hatten. Die Weiberſprache bildete ſich nun
in dem Maße, als die Sieger ſich mit fremden Weibern ver-
banden. Damit kamen neue Elemente herein, Worte weſent-
lich verſchieden von den karibiſchen Worten, 2 die ſich im
Frauengemach von Geſchlecht zu Geſchlecht fortpflanzten, doch
ſo, daß der Bau, die Kombinationen und die grammatiſchen
Formen der Männerſprache Einfluß darauf äußerten. So voll-
zog ſich hier in einem beſchränkten Verein von Individuen,
was wir an der ganzen Völkergruppe des neuen Kontinents
beobachten. Völlige Verſchiedenheit hinſichtlich der Worte
neben großer Aehnlichkeit im Bau, das iſt die Eigentümlich-
keit der amerikaniſchen Sprachen von der Hudſonsbai bis
zur Magelhaensſchen Meerenge. Es iſt verſchiedenes Material
in ähnlichen Formen. Bedenkt man nun, daß die Erſchei-
nung faſt von einem Pol zum anderen über die ganze Hälfte
unſeres Planeten reicht, betrachtet man die Eigentümlichkeiten
in den grammatiſchen Kombinationen (die Formen für die
Genera bei den drei Perſonen des Zeitwortes, die Redupli-
kationen, die Frequentative, die Duale), ſo kann man ſich
nicht genug wundern, wie einförmig bei einem ſo beträcht-
1 Cicero, De oratore. Lib. III, c. 12.
2 Ich gebe hier einige Beiſpiele von dieſem Unterſchiede zwiſchen
der Sprache der Männer (M) und der Weiber (W): Inſel oubao (M),
acaera (W); Menſch ouekelli (M), eyeri (W); Mais ichen (M),
atica (W).
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