zwischen dem Rio Branco, den Quellen des Essequibo und den Gebirgen von Portugiesisch-Guyana. Acunda spricht vom Golde, das die nördlichen Nebenflüsse des Amazonenstromes führen, wie der Rio Trombetas (Oriximina), der Curupatuba und der Ginipape (Rio de Paru). Alle diese Flüsse, und dieser Umstand scheint mir bemerkenswert, kommen von der- selben Hochebene herab, auf deren nördlichem Abhange der See Amucu, der Dorado Raleghs und der Holländer, der Isthmus zwischen dem Rupunuri (Rupunuwini) und dem Rio Mahu liegen. Nichts streitet wider die Annahme, daß auf- geschwemmtes goldhaltiges Land weit von den Kordilleren der Anden nördlich vom Amazonenstrome vorkommt, wie südlich von demselben in den Gebirgen Brasiliens. Die Kariben am Carony, Cuyuni und Essequibo haben von jeher im auf- geschwemmten Lande Goldwäscherei im kleinen getrieben. Das Becken des Orinoko, des Rio Negro und des Amazonenstromes wird nordwärts von den Gebirgen der Parime, südwärts von denen von Minas Geraes und Matogrosso begrenzt. Häufig stimmen die einander gegenüberliegenden Abhänge desselben Thales im geologischen Verhalten überein.
Ich habe in diesem Bande die großen Provinzen Vene- zuela und Spanisch-Guyana beschrieben. Die Untersuchung ihrer natürlichen Grenzen, ihrer klimatischen Verhältnisse und ihrer Produkte hat mich dazu geführt, den Einfluß der Boden- bildung auf den Ackerbau, den Handel und den mehr oder weniger langsamen Gang der gesellschaftlichen Entwickelung zu erörtern. Ich habe nacheinander die drei Zonen durch- wandert, die von Nord nach Süd, vom Mittelmeer der An- tillen bis in die Wälder am oberen Orinoko und am Ama- zonenstrom hintereinander liegen. Hinter dem fruchtbaren Uferstriche, dem Mittelpunkte des auf den Ackerbau gegrün- deten Wohlstandes, kommen die von Hirtenvölkern bewohnten Steppen. Diese Steppen sind wiederum begrenzt von der Waldregion, wo der Mensch, ich sage nicht der Freiheit, die immer eine Frucht der Kultur ist, aber einer wilden Unab- hängigkeit genießt. Die Grenze dieser zwei letzteren Zonen ist gegenwärtig der Schauplatz des Kampfes, der über die Unabhängigkeit und das Wohl Amerikas entscheiden soll. Die Umwandlungen, die bevorstehen, können den eigentümlichen Charakter jeder Region nicht verwischen; aber die Sitten und die ganzen Zustände der Einwohner müssen sich gleichförmiger färben. Durch diese Rücksicht mag eine zu Anfang des
A. v. Humboldt, Reise. IV. 15
zwiſchen dem Rio Branco, den Quellen des Eſſequibo und den Gebirgen von Portugieſiſch-Guyana. Acuña ſpricht vom Golde, das die nördlichen Nebenflüſſe des Amazonenſtromes führen, wie der Rio Trombetas (Oriximina), der Curupatuba und der Ginipape (Rio de Paru). Alle dieſe Flüſſe, und dieſer Umſtand ſcheint mir bemerkenswert, kommen von der- ſelben Hochebene herab, auf deren nördlichem Abhange der See Amucu, der Dorado Raleghs und der Holländer, der Iſthmus zwiſchen dem Rupunuri (Rupunuwini) und dem Rio Mahu liegen. Nichts ſtreitet wider die Annahme, daß auf- geſchwemmtes goldhaltiges Land weit von den Kordilleren der Anden nördlich vom Amazonenſtrome vorkommt, wie ſüdlich von demſelben in den Gebirgen Braſiliens. Die Kariben am Carony, Cuyuni und Eſſequibo haben von jeher im auf- geſchwemmten Lande Goldwäſcherei im kleinen getrieben. Das Becken des Orinoko, des Rio Negro und des Amazonenſtromes wird nordwärts von den Gebirgen der Parime, ſüdwärts von denen von Minas Geraes und Matogroſſo begrenzt. Häufig ſtimmen die einander gegenüberliegenden Abhänge desſelben Thales im geologiſchen Verhalten überein.
Ich habe in dieſem Bande die großen Provinzen Vene- zuela und Spaniſch-Guyana beſchrieben. Die Unterſuchung ihrer natürlichen Grenzen, ihrer klimatiſchen Verhältniſſe und ihrer Produkte hat mich dazu geführt, den Einfluß der Boden- bildung auf den Ackerbau, den Handel und den mehr oder weniger langſamen Gang der geſellſchaftlichen Entwickelung zu erörtern. Ich habe nacheinander die drei Zonen durch- wandert, die von Nord nach Süd, vom Mittelmeer der An- tillen bis in die Wälder am oberen Orinoko und am Ama- zonenſtrom hintereinander liegen. Hinter dem fruchtbaren Uferſtriche, dem Mittelpunkte des auf den Ackerbau gegrün- deten Wohlſtandes, kommen die von Hirtenvölkern bewohnten Steppen. Dieſe Steppen ſind wiederum begrenzt von der Waldregion, wo der Menſch, ich ſage nicht der Freiheit, die immer eine Frucht der Kultur iſt, aber einer wilden Unab- hängigkeit genießt. Die Grenze dieſer zwei letzteren Zonen iſt gegenwärtig der Schauplatz des Kampfes, der über die Unabhängigkeit und das Wohl Amerikas entſcheiden ſoll. Die Umwandlungen, die bevorſtehen, können den eigentümlichen Charakter jeder Region nicht verwiſchen; aber die Sitten und die ganzen Zuſtände der Einwohner müſſen ſich gleichförmiger färben. Durch dieſe Rückſicht mag eine zu Anfang des
A. v. Humboldt, Reiſe. IV. 15
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zwiſchen dem Rio Branco, den Quellen des Eſſequibo und
den Gebirgen von Portugieſiſch-Guyana. Acuña ſpricht vom
Golde, das die nördlichen Nebenflüſſe des Amazonenſtromes
führen, wie der Rio Trombetas (Oriximina), der Curupatuba
und der Ginipape (Rio de Paru). Alle dieſe Flüſſe, und
dieſer Umſtand ſcheint mir bemerkenswert, kommen von der-
ſelben Hochebene herab, auf deren nördlichem Abhange der
See Amucu, der Dorado Raleghs und der Holländer, der
Iſthmus zwiſchen dem Rupunuri (Rupunuwini) und dem Rio
Mahu liegen. Nichts ſtreitet wider die Annahme, daß auf-
geſchwemmtes goldhaltiges Land weit von den Kordilleren der
Anden nördlich vom Amazonenſtrome vorkommt, wie ſüdlich
von demſelben in den Gebirgen Braſiliens. Die Kariben am
Carony, Cuyuni und Eſſequibo haben von jeher im auf-
geſchwemmten Lande Goldwäſcherei im kleinen getrieben. Das
Becken des Orinoko, des Rio Negro und des Amazonenſtromes
wird nordwärts von den Gebirgen der Parime, ſüdwärts von
denen von Minas Geraes und Matogroſſo begrenzt. Häufig
ſtimmen die einander gegenüberliegenden Abhänge desſelben
Thales im geologiſchen Verhalten überein.
Ich habe in dieſem Bande die großen Provinzen Vene-
zuela und Spaniſch-Guyana beſchrieben. Die Unterſuchung
ihrer natürlichen Grenzen, ihrer klimatiſchen Verhältniſſe und
ihrer Produkte hat mich dazu geführt, den Einfluß der Boden-
bildung auf den Ackerbau, den Handel und den mehr oder
weniger langſamen Gang der geſellſchaftlichen Entwickelung
zu erörtern. Ich habe nacheinander die drei Zonen durch-
wandert, die von Nord nach Süd, vom Mittelmeer der An-
tillen bis in die Wälder am oberen Orinoko und am Ama-
zonenſtrom hintereinander liegen. Hinter dem fruchtbaren
Uferſtriche, dem Mittelpunkte des auf den Ackerbau gegrün-
deten Wohlſtandes, kommen die von Hirtenvölkern bewohnten
Steppen. Dieſe Steppen ſind wiederum begrenzt von der
Waldregion, wo der Menſch, ich ſage nicht der Freiheit, die
immer eine Frucht der Kultur iſt, aber einer wilden Unab-
hängigkeit genießt. Die Grenze dieſer zwei letzteren Zonen
iſt gegenwärtig der Schauplatz des Kampfes, der über die
Unabhängigkeit und das Wohl Amerikas entſcheiden ſoll. Die
Umwandlungen, die bevorſtehen, können den eigentümlichen
Charakter jeder Region nicht verwiſchen; aber die Sitten und
die ganzen Zuſtände der Einwohner müſſen ſich gleichförmiger
färben. Durch dieſe Rückſicht mag eine zu Anfang des
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/233>, abgerufen am 26.06.2024.
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