Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860.erschien das Werk des Pater Caulin, der die Grenzexpedition Das Tagebuch Pater Caulins steht mit der Karte, die erſchien das Werk des Pater Caulin, der die Grenzexpedition Das Tagebuch Pater Caulins ſteht mit der Karte, die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0227" n="219"/> erſchien das Werk des Pater Caulin, der die Grenzexpedition<lb/> mitgemacht hatte. Das Buch wurde 1759 am Ufer des Ori-<lb/> noko ſelbſt geſchrieben, und nur einige Anmerkungen wurden<lb/> ſpäter in Europa beigefügt. Der Verfaſſer, ein Franziskaner<lb/> von der Kongregation der Obſervanten, zeichnet ſich durch<lb/> ſeine Aufrichtigkeit aus, und an kritiſchem Geiſte iſt er allen<lb/> ſeinen Vorgängern überlegen. Er ſelbſt iſt nicht über den<lb/> großen Katarakt hinausgekommen, aber alles, was Solano<lb/> und Ituriaga Wahres und Schwankendes zuſammengebracht,<lb/> ſtand zu ſeiner Verfügung. Zwei Karten, die Pater Caulin<lb/> im Jahre 1756 entworfen, wurden von Surville, einem Archiv-<lb/> beamten beim Staatsſekretariat, in eine zuſammengezogen und<lb/> nach angeblichen Entdeckungen vervollſtändigt (1778). Schon<lb/> oben, als von unſerem Aufenthalte in Esmeralda (dem den<lb/> unbekannten Quellen zunächſt gelegenen Punkte) die Rede war,<lb/> habe ich bemerkt, wie willkürlich man bei dieſen Abänderungen<lb/> zu Werke ging. Sie gründeten ſich auf die lügenhaften Be-<lb/> richte, mit denen man die Leichtgläubigkeit des Statthalters<lb/> Centurion und Don Apolinarios Diaz de la Fuente, eines<lb/> Kosmographen, der weder Inſtrumente, noch Kenntniſſe, noch<lb/> Bücher hatte, Tag für Tag bediente.</p><lb/> <p>Das Tagebuch Pater Caulins ſteht mit der Karte, die<lb/> demſelben beigegeben iſt, in fortwährendem Widerſpruche. Der<lb/> Verfaſſer ſetzt die Umſtände auseinander, welche zu der Fabel<lb/> vom See Parime Anlaß gegeben haben; aber die Karte bringt<lb/> dieſen See auch wieder, nur ſchiebt ſie ihn weit weg von den<lb/> Quellen des Orinoko, oſtwärts vom Rio Branco. Nach Pater<lb/> Caulin heißt der Orinoko Rio Maraguaca unter dem Meridian<lb/> des Granitberges dieſes Namens, der auf meiner Reiſekarte<lb/> gezeichnet iſt. „Es iſt viel mehr ein Bergſtrom als ein Fluß;<lb/> er kommt zugleich mit dem Rio Omaguaca und dem Macoma,<lb/> unter 2½° der Breite, aus dem kleinen See Cabiya.“ Dies<lb/> iſt der See, aus dem La Cruz den Maquiritari (Padamo)<lb/> entſpringen läßt und den er unter 5½° der Breite, nördlich<lb/> vom See Ipava, ſetzt. Die Exiſtenz von Caulins Rio <hi rendition="#g">Ma-<lb/> coma</hi> ſcheint ſich auf ein verworrenes Bild der Flüſſe Padamo,<lb/> Ocamo und Matacona zu gründen, von denen man vor meiner<lb/> Reiſe glaubte, ſie ſtehen miteinander in Verbindung. Vielleicht<lb/> gab auch der See, aus dem der Macapa kommt (etwas weſt-<lb/> lich vom Amaguaca), Anlaß zu dieſen Irrtümern hinſichtlich<lb/> des Urſprunges des Orinoko und der Quellen des Idapa in<lb/> der Nähe.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [219/0227]
erſchien das Werk des Pater Caulin, der die Grenzexpedition
mitgemacht hatte. Das Buch wurde 1759 am Ufer des Ori-
noko ſelbſt geſchrieben, und nur einige Anmerkungen wurden
ſpäter in Europa beigefügt. Der Verfaſſer, ein Franziskaner
von der Kongregation der Obſervanten, zeichnet ſich durch
ſeine Aufrichtigkeit aus, und an kritiſchem Geiſte iſt er allen
ſeinen Vorgängern überlegen. Er ſelbſt iſt nicht über den
großen Katarakt hinausgekommen, aber alles, was Solano
und Ituriaga Wahres und Schwankendes zuſammengebracht,
ſtand zu ſeiner Verfügung. Zwei Karten, die Pater Caulin
im Jahre 1756 entworfen, wurden von Surville, einem Archiv-
beamten beim Staatsſekretariat, in eine zuſammengezogen und
nach angeblichen Entdeckungen vervollſtändigt (1778). Schon
oben, als von unſerem Aufenthalte in Esmeralda (dem den
unbekannten Quellen zunächſt gelegenen Punkte) die Rede war,
habe ich bemerkt, wie willkürlich man bei dieſen Abänderungen
zu Werke ging. Sie gründeten ſich auf die lügenhaften Be-
richte, mit denen man die Leichtgläubigkeit des Statthalters
Centurion und Don Apolinarios Diaz de la Fuente, eines
Kosmographen, der weder Inſtrumente, noch Kenntniſſe, noch
Bücher hatte, Tag für Tag bediente.
Das Tagebuch Pater Caulins ſteht mit der Karte, die
demſelben beigegeben iſt, in fortwährendem Widerſpruche. Der
Verfaſſer ſetzt die Umſtände auseinander, welche zu der Fabel
vom See Parime Anlaß gegeben haben; aber die Karte bringt
dieſen See auch wieder, nur ſchiebt ſie ihn weit weg von den
Quellen des Orinoko, oſtwärts vom Rio Branco. Nach Pater
Caulin heißt der Orinoko Rio Maraguaca unter dem Meridian
des Granitberges dieſes Namens, der auf meiner Reiſekarte
gezeichnet iſt. „Es iſt viel mehr ein Bergſtrom als ein Fluß;
er kommt zugleich mit dem Rio Omaguaca und dem Macoma,
unter 2½° der Breite, aus dem kleinen See Cabiya.“ Dies
iſt der See, aus dem La Cruz den Maquiritari (Padamo)
entſpringen läßt und den er unter 5½° der Breite, nördlich
vom See Ipava, ſetzt. Die Exiſtenz von Caulins Rio Ma-
coma ſcheint ſich auf ein verworrenes Bild der Flüſſe Padamo,
Ocamo und Matacona zu gründen, von denen man vor meiner
Reiſe glaubte, ſie ſtehen miteinander in Verbindung. Vielleicht
gab auch der See, aus dem der Macapa kommt (etwas weſt-
lich vom Amaguaca), Anlaß zu dieſen Irrtümern hinſichtlich
des Urſprunges des Orinoko und der Quellen des Idapa in
der Nähe.
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