Nebenflusse des Rio Negro) standen, veranlaßte (1560) Pedro de Ursua zu der unheilvollen Expedition, welche mit der Em- pörung des Tyrannen Aguirre endigte. Als er den Caqueta hinabfuhr, um sofort in den Amazonenstrom zu gelangen, hörte Ursua von der Provinz Caricuri sprechen. Diese Benennung weist deutlich auf das Goldland hin, denn, wie ich sehe, heißt Gold auf tamanakisch Caricuri, auf karibisch Carucuru. Sollte der Ausdruck für Gold bei den Völkern am Orinoko ein Fremdwort sein, wie Zucker und Coton in den europäischen Sprachen? Dies wiese wohl darauf hin, daß diese Völker die edlen Metalle mit den fremden Erzeug- nissen haben kennen lernen, die ihnen von den Kordilleren 1 oder von den Ebenen am Ostabhang der Anden zugekommen.
Wir kommen jetzt zum Zeitpunkt, wo der Mythus vom Dorado sich im östlichen Strich von Guyana, zuerst beim angeblichen See Cassipa (an den Ufern des Paragua, eines Nebenflusses des Carony) und dann zwischen den Quellen des Rio Essequibo und des Rio Branco, festsetzte. Dieser Umstand ist vom bedeutendsten Einflusse auf die Geographie dieser Länder gewesen. Antonio de Berrio, der Schwieger- sohn und einzige Erbe des großen Adelantado Ximenez de Quesada, ging westwärts von Tunja über die Kordilleren, schiffte sich auf dem Rio Casanare ein und fuhr auf diesem Fluß, auf dem Meta und Orinoko hinab nach der Insel Trinidad. Wir wissen von dieser Reise fast nur, was Ralegh davon berichtet; sie scheint wenige Jahre vor die erste Grün- dung von Vieja Guyana im Jahr 1591 zu fallen. Einige Jahre darauf (1595) ließ Berrio durch seinen Maese de Campo, Domingo de Vera, eine Expedition von 2000 Mann ausrüsten, welche den Orinoko hinaufgehen und den Dorado erobern sollte, den man jetzt das Land Manoa, sogar Laguna de la Gran Manoa zu nennen anfing. Reiche Grundeigentümer verkauften ihre Höfe, um den Kreuzzug mit- zumachen, dem sich zwölf Observanten und zehn Weltgeistliche anschlossen. Die Mären eines gewissen Martinez (Juan Martin de Albujar?), der bei der Expedition des Diego de Ordaz wollte zurückgelassen und von Stadt zu Stadt in die
1 Im Peruanischen oder dem Qquichua (Lengua del Inga) heißt Gold Cori, woher Chichicori, Goldstaub, und Corikoya, Golderz.
Nebenfluſſe des Rio Negro) ſtanden, veranlaßte (1560) Pedro de Urſua zu der unheilvollen Expedition, welche mit der Em- pörung des Tyrannen Aguirre endigte. Als er den Caqueta hinabfuhr, um ſofort in den Amazonenſtrom zu gelangen, hörte Urſua von der Provinz Caricuri ſprechen. Dieſe Benennung weiſt deutlich auf das Goldland hin, denn, wie ich ſehe, heißt Gold auf tamanakiſch Caricuri, auf karibiſch Carucuru. Sollte der Ausdruck für Gold bei den Völkern am Orinoko ein Fremdwort ſein, wie Zucker und Coton in den europäiſchen Sprachen? Dies wieſe wohl darauf hin, daß dieſe Völker die edlen Metalle mit den fremden Erzeug- niſſen haben kennen lernen, die ihnen von den Kordilleren 1 oder von den Ebenen am Oſtabhang der Anden zugekommen.
Wir kommen jetzt zum Zeitpunkt, wo der Mythus vom Dorado ſich im öſtlichen Strich von Guyana, zuerſt beim angeblichen See Caſſipa (an den Ufern des Paragua, eines Nebenfluſſes des Carony) und dann zwiſchen den Quellen des Rio Eſſequibo und des Rio Branco, feſtſetzte. Dieſer Umſtand iſt vom bedeutendſten Einfluſſe auf die Geographie dieſer Länder geweſen. Antonio de Berrio, der Schwieger- ſohn und einzige Erbe des großen Adelantado Ximenez de Queſada, ging weſtwärts von Tunja über die Kordilleren, ſchiffte ſich auf dem Rio Caſanare ein und fuhr auf dieſem Fluß, auf dem Meta und Orinoko hinab nach der Inſel Trinidad. Wir wiſſen von dieſer Reiſe faſt nur, was Ralegh davon berichtet; ſie ſcheint wenige Jahre vor die erſte Grün- dung von Vieja Guyana im Jahr 1591 zu fallen. Einige Jahre darauf (1595) ließ Berrio durch ſeinen Maese de Campo, Domingo de Vera, eine Expedition von 2000 Mann ausrüſten, welche den Orinoko hinaufgehen und den Dorado erobern ſollte, den man jetzt das Land Manoa, ſogar Laguna de la Gran Manoa zu nennen anfing. Reiche Grundeigentümer verkauften ihre Höfe, um den Kreuzzug mit- zumachen, dem ſich zwölf Obſervanten und zehn Weltgeiſtliche anſchloſſen. Die Mären eines gewiſſen Martinez (Juan Martin de Albujar?), der bei der Expedition des Diego de Ordaz wollte zurückgelaſſen und von Stadt zu Stadt in die
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hinabfuhr, um ſofort in den Amazonenſtrom zu gelangen,
hörte Urſua von der Provinz Caricuri ſprechen. Dieſe
Benennung weiſt deutlich auf das Goldland hin, denn, wie
ich ſehe, heißt Gold auf tamanakiſch Caricuri, auf karibiſch
Carucuru. Sollte der Ausdruck für Gold bei den Völkern
am Orinoko ein Fremdwort ſein, wie Zucker und Coton
in den europäiſchen Sprachen? Dies wieſe wohl darauf hin,
daß dieſe Völker die edlen Metalle mit den fremden Erzeug-
niſſen haben kennen lernen, die ihnen von den Kordilleren 1
oder von den Ebenen am Oſtabhang der Anden zugekommen.
Wir kommen jetzt zum Zeitpunkt, wo der Mythus vom
Dorado ſich im öſtlichen Strich von Guyana, zuerſt beim
angeblichen See Caſſipa (an den Ufern des Paragua, eines
Nebenfluſſes des Carony) und dann zwiſchen den Quellen
des Rio Eſſequibo und des Rio Branco, feſtſetzte. Dieſer
Umſtand iſt vom bedeutendſten Einfluſſe auf die Geographie
dieſer Länder geweſen. Antonio de Berrio, der Schwieger-
ſohn und einzige Erbe des großen Adelantado Ximenez de
Queſada, ging weſtwärts von Tunja über die Kordilleren,
ſchiffte ſich auf dem Rio Caſanare ein und fuhr auf dieſem
Fluß, auf dem Meta und Orinoko hinab nach der Inſel
Trinidad. Wir wiſſen von dieſer Reiſe faſt nur, was Ralegh
davon berichtet; ſie ſcheint wenige Jahre vor die erſte Grün-
dung von Vieja Guyana im Jahr 1591 zu fallen. Einige
Jahre darauf (1595) ließ Berrio durch ſeinen Maese de
Campo, Domingo de Vera, eine Expedition von 2000 Mann
ausrüſten, welche den Orinoko hinaufgehen und den Dorado
erobern ſollte, den man jetzt das Land Manoa, ſogar
Laguna de la Gran Manoa zu nennen anfing. Reiche
Grundeigentümer verkauften ihre Höfe, um den Kreuzzug mit-
zumachen, dem ſich zwölf Obſervanten und zehn Weltgeiſtliche
anſchloſſen. Die Mären eines gewiſſen Martinez (Juan
Martin de Albujar?), der bei der Expedition des Diego de
Ordaz wollte zurückgelaſſen und von Stadt zu Stadt in die
1 Im Peruaniſchen oder dem Qquichua (Lengua del Inga)
heißt Gold Cori, woher Chichicori, Goldſtaub, und Corikoya,
Golderz.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 4. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1860, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial04_1859/216>, abgerufen am 26.06.2024.
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